Rhöndorfer Ausgabe Online

23. Juli 1946 (Rhöndorf)

An Otto Boos

, Marl-Hüls

StBKAH 07.10, ohne Anrede


Ihr Schreiben vom 20. d. Mts. habe ich erhalten. Augenscheinlich haben Sie meine Ausführungen, die ich in Arnsberg gemacht habe1, völlig mißverstanden. Nach den bisherigen Bestimmungen der britischen Militärregierung hat das Entnazifizierungsverfahren, das sich ja nicht nur auf Beamte, sondern auf alle Angehörigen auch sonstiger Berufe erstrecken soll, nur zwei Möglichkeiten, entweder Freispruch oder Entfernung aus dem Amte bezw. Berufe. Ich halte das für völlig ungerecht und falsch und trete deswegen dafür ein, daß [man] in den Fällen, in denen man bisher auf Entfernung aus dem Berufe oder Amte erkannt hat, ‹in nicht besonders schweren Fällen›2 anstelle dieser Entfernung Geldbußen setzen soll3. Gerade in letzter Zeit sind, wie mir bekannt ist, sehr viele Beamte, die nichts wie harmlose Kartenmitglieder gewesen sind, oder die nicht einmal Parteimitglieder waren, sondern für die NSV gesammelt haben, ohne Pensionsanspruch aus dem Amte entlassen worden. Ihnen möchte ich helfen. Sie ersehen also daraus, daß Sie mich völlig mißverstanden haben.

Mit ausgezeichneter Hochachtung
(Adenauer)


  1. ^

    Rede Adenauers bei einer CDU-Großkundgebung in Arnsberg am 16.7.1946; auf einen hierüber am 19.7.1946 in der ›Westfalenpost‹ erschienenen Bericht hatte Boos in seinem Anschreiben Bezug genommen.

  2. ^

    ‹ › hs. von Adenauer eingefügt.

  3. ^

    Vgl. das Schreiben an Heinz Schmitz-Goertz vom 13.7.1946.