Rhöndorfer Ausgabe Online

23. September 1946 (Rhöndorf)

An Ministerpräsident Dr. Rudolf Amelunxen

, Düsseldorf

StBKAH 08.20, mit ms. Vermerk »Persönlich!«, Durchschlag mit Begleitschreiben an William Asbury, Karl Arnold, Max Hildebrand Freiherr von Gumppenberg, alle Düsseldorf, und Paul Steup, Dortmund


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Dem Vernehmen nach sollen zahlreiche personelle Veränderungen innerhalb Ihrer Regierung z. Zt. vorgenommen werden1. Es soll sich dabei sowohl um Beförderungen wie um Ernennungen von Persönlichkeiten handeln, die nach rein politischen und nicht nach fachlichen Gesichtspunkten vorgenommen werden. Ich erlaube mir, im Namen der Landtagsfraktion der CDU darauf hinzuweisen, daß die Aufgabe Ihres Kabinetts nach dem Ihnen von der britischen Militärregierung gewordenen Auftrag eine vorübergehende ist. Ich darf wohl annehmen, daß alle Ernennungen und Beförderungen erfolgen für die Zeit, bis der gewählte Landtag zusammentritt. Schon das bisherige Ergebnis der Gemeindewahlen2 kann keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Mehrheit der Bevölkerung des Landes Nordrhein-Westfalen mit den geplanten Ernennungen und Beförderungen und dem darin zu Tage tretenden politischen System in keiner Weise einverstanden ist. Wenn jetzt die Zeit Ihres Kabinetts dazu benutzt werden sollte, auf personellem Gebiet dauernde Verhältnisse zu schaffen, so würde das nicht nur in weiten Kreisen geradezu als Hohn auf den Gedanken der Demokratie aufgefaßt werden, es würde dadurch auch, wie ich befürchte, für lange Zeit hinaus eine parteipolitische Spannung im Lande eintreten, die das so dringend nötige Zusammenarbeiten der Parteien aufs schwerste gefährden würde. Ich bitte Sie sehr, gerade unter diesen beiden Gesichtspunkten doch allen an Sie herantretenden Wünschen der von mir gekennzeichneten Art entgegenzutreten2.

Es wird mir mitgeteilt, daß ein Teil solcher Ernennungen und Beförderungen dem Herrn Asbury vorgelegt sei. Ich habe mir erlaubt, daher an ihn einen Durchschlag dieses Schreibens zu senden3.

Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr sehr ergebener
(Adenauer)


  1. ^

    In einem weiteren Schreiben an Amelunxen vom 23.9.1946 beklagte Adenauer die – neben den personellen – bereits getroffenen organisatorischen Entscheidungen (Angliederung des Landesjugendamtes an das Wohlfartsministerium; »… Berufsschulwesen … dem Einfluß des Kultusministeriums stark entzogen …).
    Ausführliche Angaben zu dem hier abgedruckten Schreiben bei Walter Först, Geschichte, S. 187 f. und Klaus Dreher, Der Weg, S. 293.

  2. ^

    Gemeinde- und Ämterwahlen in der britischen Zone am 15.9.1946, die in Verbindung mit den Wahlen für die Stadt- und Landkreise am 13.10.1946 folgendes Ergebnis erbrachten: CDU 48,5 %, SPD 31,3 %, KPD 7,4 %, Zentrum 5,5 %, FDP 2,7 %. Auf dieser Grundlage wurde im Dezember 1946 die Sitzverteilung im Ernannten Landtag wie folgt verändert: CDU 92 (statt 66), SPD 66 (statt 71), KPD 19 (statt 31), FDP 9 (9).

  3. ^

    Das Begleitschreiben an Asbury enthält zugleich die Bitte, »zu erwägen, ob nicht mit dem Zusammentreten des Landtages gewartet werden kann, bis die Wahl vom 13. Oktober stattgefunden hat und die von Ihnen evtl. in Aussicht genommenen Änderungen in der Zusammensetzung vorgenommen worden sind«; zu diesem Schreiben vgl. Walter Först, Geschichte, S. 187; Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 248 und Klaus Dreher, Der Weg, S. 293.