Rhöndorfer Ausgabe Online
An Oberpräsident a.D. Dr. Robert Lehr
, DüsseldorfStBKAH 08.20, mit ms. Vermerk »Persönlich!«
Sehr geehrter Herr Lehr!
Mit bestem Dank bestätige ich den Empfang Ihres gefl. Schreibens vom 21. d. Mts. mit Anlagen1.
Ihren Ausführungen stimme ich in allen wesentlichen Punkten zu, insbesondere auch bez. der Notwendigkeit zur Schaffung von 2 Kammern und einem Staatspräsidenten2. Ich überschaue allerdings noch nicht, ob unsere Partei in der britischen Zone in der überwiegenden Mehrheit auf dem gleichen Standpunkt steht. Diese Frage müßte zunächst auf dem Zonenausschuß besprochen werden. Der Zonenausschuß tritt aber erst am 26. September 1946 und 27.9.46 zusammen. Eine schriftliche Stellungnahme der einzelnen Mitglieder des Zonenausschusses zu diesen Fragen halte ich bei ihrer Kompliziertheit nicht für möglich. Ich bin daher der Ansicht, daß wir uns bei Abgabe des Votums im Zonenbeirat auf diesen Standpunkt stellen sollen. Unsere süddeutschen Parteien stehen auf dem gleichen Standpunkt. Ich habe Herrn Rechtsanwalt Dr. Süsterhenn, Unkel, schon vor Wochen gebeten, unsere süddeutschen Parteien aufzusuchen und sich bei ihnen über ihre Ansichten hinsichtlich der Verfassungsfragen zu benehmen3. Ich hoffe, Herrn Süsterhenn morgen zu sehen, und werde ihn bitten, eine ausführliche Niederschrift zu machen und sie auch Ihnen direkt zuzusenden. – Die Punkte, in denen ich nicht mit Ihnen übereinstimme, sind folgende:
zu I.5): ‹Schumacher›4
Ich verstehe zunächst nicht die Gegenüberstellung der beiden Absätze dieser Ziffer 5.)5 Ferner weiß ich nicht, warum der zweite Absatz so entschieden formuliert werden muß. Ich halte es für durchaus möglich, daß die neu zu bildenden Länder oder wenigstens ein Teil von ihnen Bundesstaat in einem künftigen deutschen Bundesstaat [werden]. Bei anderen werden Änderungen nötig sein (Südrheinprovinz).
Ich meine weiter, es müßte betont werden, daß Verfassung und Verwaltung, zumindesten zu Verfassung, gleichmäßig sein müsse auch in den Ländern der USA- und der französischen Zone.
Da es sich nicht um wesentliche Punkte handelt, hoffe ich, daß Sie mit mir auch in diesen Punkten einig sind.
Ich bitte Sie, mich auch in der Sitzung am Freitag, dem 6.9.46, zu vertreten. Sie erhalten von mir noch rechtzeitig weiteres Material.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr ergebener
(Adenauer)
Lehr hatte über eine Tagung des Sonderausschusses des Zonenbeirats (»für Neuaufbau der Länder in der britischen Zone«) am 19./20.8.1946 in Hamburg und die dabei geführte Diskussion »über die generellen Gesichtspunkte der Länderabgrenzung und Verfassung« informiert; die Anlagen: Vorschläge Kurt Schumachers zum »Aufbau der britischen Zone« vom 15.8.1946 sowie eine schriftliche Stellungnahme Lehrs hierzu (StBKAH 08.18); vgl. den Druck des Schumacher-Gutachtens (in der erweiterten Fassung vom 5.9.1946), eines diesbezüglichen Lehr-Gutachtens vom 29.8.1946 und die Dokumentation der Zonenbeirats-Verhandlungen über die im Sonderausschuss erarbeiteten Vorlagen in: Akten zur Vorgeschichte Bd. 1, S. 823-848.
Vgl. die Ausführungen Adenauers zu Zweikammersystem und Präsidentenfrage vor dem CDU-Zonenausschuss am 26.9.1946 in Vechta; Druck: Helmuth Pütz (Bearb.), Konrad Adenauer, S.191.
Vgl. das Schreiben an führende CDU/CSU-Politiker in der amerikanischen Zone vom 2.7.1946. Bereits am 20.8.1946 hatte Süsterhenn besonders darauf hingewiesen, daß in den »politisch wichtigen Fragen… unsere Parteifreunde grundsätzlich für Zweikammersystem sowie für die Einrichtung eines Staatspräsidiums« seien. Nach Abschluss seiner Reise übermittelte Süsterhenn umfangreiches Verfassungsmaterials aus Groß-Hessen, Württemberg-Baden und Bayern; sein Anschreiben (StBKAH 08.21) enthält zugleich ausführliche Angaben über die in Süddeutschland geführten politische Gespräche.
‹ › hs. von Adenauer eingefügt.
Unter diesem Punkt seines Entwurfs vom 15.8.1946 hatte Schumacher gefordert: »Verfassung und Verwaltung in den Ländern der britischen Zone müssen gleichmäßig sein. Vor allem darf die Untergliederung nicht dazu führen, daß diese Länder zu Bundesstaaten in einem künftigen deutschen Bundesstaat werden.«