Rhöndorfer Ausgabe Online

27. September 1945 (Köln)

An Erich Brost

, Hamburg

HAStK Acc. 2, A 1458


Sehr geehrter Herr Brost1,

Entschuldigen Sie bitte, daß ich Ihren Brief vom 2.9.45 erst jetzt beantworte. Der Brief war leider verlegt worden2.

Daß Sie Heimweh nach Köln haben, finde ich erstaunlich. Aber ich freue mich auf der anderen Seite darüber. Ich habe mich an die Militärregierung gewandt, um Herrn Kluthe die Reise nach hier zu erleichtern. Er wird entweder in der Stadtverwaltung oder in der Handelskammer, mit deren Präsidenten ich dieserhalb gesprochen habe, Verwendung finden können.

Die Zeitungsverhältnisse sind hier sehr wenig erfreulich. Insbesondere hat der »Kölnische Kurier« sehr wenig Beifall. Herr Breuer führt es darauf zurück, daß sie fast nur Auflage-Nachrichten bringen müssen. Die Frage einer überörtlichen Zeitung wird ständig weiterbesprochen. Anschneidend macht Herr [B]etz in Düsseldorf lebhafte Anstrengungen, damit Düsseldorf in Besitz dieses Blattes kommt. Sie wissen, daß Köln eine sehr alte Zeitungsstadt ist. Es kann auf eine mehrere Jahrhunderte alte Tradition auf dem Gebiete des Zeitungswesens zurücksehen. Wenn die Kölner Zeitung auch in den letzten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft ihrer alten liberalen Tradition untreu geworden ist, so ist ihr Name doch so bekannt in der ganzen Welt, daß man meines Erachtens unter keinen Umständen sie verschwinden lassen sollte. Natürlich müßte der Einfluß der alten Verleger auf ein Minimum beschränkt werden.

Können Sie einen Rat geben, was man in der Angelegenheit tun kann, und ferner einen Rat über in Betracht kommende, der britischen Militärregierung genehme Persönlichkeiten als Verleger und Redakteure?
Im Voraus meinen besten Dank.

Die Angelegenheit ist für Köln sehr wichtig.

Im Übrigen glaube ich auch, daß die Kölnische geistige Atmosphäre für die Herausgabe eines Blattes, das der Bevölkerung dienen soll, viel günstiger ist als diejenige Düsseldorfs.

Mit vielen Grüßen
Ihr ergebener
(Dr. Adenauer)
Oberbürgermeister


  1. ^

    Auf eine Begegnung Brosts mit Adenauer bereits Anfang August 1945 und den darüber am 3.8.1945 Erich Ollenhauer erstatteten Bericht (»… a very frank and long discussion with Adenauer. He wants to create a large Sammlungspartei…«) verweist Anthony Glees, Exile Politics during the Second World War, Oxford 1982, S. 238.

  2. ^

    In diesem Schreiben Angaben zur derzeitigen Tätigkeit (für den von der britischen Militärregierung herausgegebenen ›German News Service‹), zu seinen Hamburger Kontakten zu Oberbürgermeister Petersen und dem 2. Bürgermeister Schönfelder sowie vor allem Reminiszenzen an früher mit Adenauer geführte Gespräche in Köln.