Rhöndorfer Ausgabe Online
An Jakob Kaiser
, Berlin-WilmersdorfOriginal in BArch N 1018/89
Sehr geehrter Herr Kaiser,
Ich freue mich von Herzen, daß Sie allem, was Ihnen drohte, entgangen sind und mit solcher Tatkraft wirken. Herr Dr. Lenz1 ist über die Verhältnisse hier unterrichtet und wird Ihnen über alles Auskunft geben. Auch hier ist es sehr schwierig, zumal man ja gar nicht weiß, wie die politische Zukunft Deutschlands sein wird2. Es ist sehr schade und in sehr hohem Maße bedauerlich, daß Sie dort gefesselt sind und Ihre Kraft nicht hier am Rhein einsetzen können3. Vielleicht wird sich das doch, wie ich hoffe, bald ermöglichen lassen. Seien Sie wie immer recht herzlich gegrüßt von
Ihrem
Adenauer
(Dr. Adenauer)
Oberbürgermeister
Zu Lenz‘ Reise im August 1945 »als Bote der Berliner Gründung« (Ernst Deuerlein, CDU/CSU, S. 62) in den Westen und dem dabei auch mit Adenauer geführten Gespräch vgl. Werner Conze, Jakob Kaiser, S. 33-35.
Wiedergabe dieses Satzes (ohne »sehr«) bei Werner Conze, Jakob Kaiser, S. 34. Zu Lenz selbst vgl. die Kurzbiographie von Hans Edgar Jahn in: Christliche Demokraten der ersten Stunde, S. 243-266.
In dem von Lenz überbrachten Schreiben Kaisers vom 19.8.1945 hatte auch dieser seinem Bedauern darüber Ausdruck verliehen, daß »uns nun die noch bestehenden schwierigen Verhältnisse nicht zusammenkommen [lassen]. So mußten wir ohne die Möglichkeit vorheriger Verständigung mit unseren Freunden am Rhein zu Entscheidungen für die Neugestaltung unseres Volkslebens kommen. Wir haben uns dabei für Lösungen entschieden, die vorher schon auch im Westen eine Rolle spielten. Das gilt sowohl politisch als auch gewerkschaftlich« (Teildruck des Briefes bei Elfriede Nebgen, Jakob Kaiser, S. 191).
Zu den Beziehungen zwischen Adenauer und Kaiser vor 1945 ist ein Glückwunschschreiben Kaisers aus Anlass des 65. Adenauer-Geburtstages am 5.1.1941 erhalten. Kaiser am 10.1.1941: »Was den Weg angeht, der hinter Ihnen liegt, so glaube ich gewiß zu sein, daß Sie trotz der mannigfachen Bitterkeiten, die er für Sie einschloß, stolzen Geistes auf ihn zurückblicken... Wer in schwierigen Zeiten für Volk und Vaterland seinen Mann wie Sie gestanden, darf stolzen Geistes sein« (StBKAH 14.01).