Rhöndorfer Ausgabe Online

5. August 1946 (Rhöndorf)

An Oberbürgermeister Dr. Heinrich Weitz

, Duisburg

StBKAH 08.20


»Lieber Freund Weitz1

Das war wirklich ein ereignisreicher Tag, als diese Anerkennung Ihres Idols, des Herrn Jarres, bei Ihnen eintraf! Ich freue mich für Sie darüber und hoffe, daß nunmehr auch die Minderwertigkeitskomplexe, die bisher allgemein bei Ihnen aufgefallen sind, endgültig verschwinden werden. Ich hätte gerne gewünscht, daß Sie bestimmt worden wären, an den Verhandlungen über die Bildung der Regierung teilzunehmen an Stelle des Herrn Pünder. Sie halten sich viel zu viel zurück und sollten – ich bitte, mir das nicht übel zu nehmen – doch gegenüber Herrn Pünder mit Recht Ihre viel größeren Erfahrungen in kommunalen Angelegenheiten geltend machen.

Die Erinnerung an Herrn Fehlemann und Herrn Geyer ist mir sehr wertvoll2. Ich werde, wenn wir uns einmal zusammensetzen, um die Beamtenschaft des neuen Landes durchzusprechen, sicher an sie denken.

Als ich Herrn Lehr verließ, war sein Gesicht durch die Hoffnung, daß die britische Kontrollkommission ihn für einen anderen Zweck in Aussicht genommen habe, sichtlich entspannt3. Er hatte die tragische Maske abgelegt.

Auf baldiges Wiedersehen und herzliche Grüße, wie immer
Ihr
(Adenauer)


  1. ^

    Mit dieser Formel greift Adenauer die gleichlautende Anrede eines ihm am 1.8.1946 in Abschrift übermittelten Schreibens von Karl Jarres an Weitz vom 13.7.1946 auf. Zu den Beziehungen der beiden Duisburger Kommunalpolitiker Jarres und Weitz vgl. Günter v. Roden, Heinrich Weitz, S. 198.

  2. ^

    Weitz hatte als geeignete CDU-Landtagskandidaten empfohlen: Provinzialbaurat Fehlemann (Beamter des Provinzialverbandes der Rheinprovinz vor 1933, nunmehr Baudirektor der Gewerkschaften Rheinpreußen-Neumühl in Homberg) und Oberbürgermeister a. D. Dr. Geyer, Bochum.

  3. ^

    Zur Einbeziehung Lehrs in die britischen Pläne für die Regierungsbildung vgl. das Asbury-Memorandum vom 1.8.1946 (zur »Bildung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen«; Druck: Wolfram Köhler, Schmelztiegel, S. 209-214); hierzu auch Walter Först, Geschichte, S. 172 und Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 229f.