Rhöndorfer Ausgabe Online

5. September 1945 (Köln)

An Pfarrer Johannes Trimborn

, Köln-Hohenlind

StBKAH 08.02


Sehr geehrter Herr Pastor1,

Wie ich, anscheinend zuverlässig, höre, sind Sie recht unzufrieden mit meiner Amtsführung und insbesondere auch mit meinem vermeintlichen Verhalten gegenüber Dr. Hellwig. Ich glaube, wenn Sie die Verhältnisse kennten, würde Ihr Urteil vielleicht milder ausfallen. Im allgemeinen darf ich mir aber wohl erlauben, Folgendes zu sagen. Wohin kommen wir, wenn selbst von Angehörigen Ihres Standes in diesen unruhigen Zeiten eine so herbe Kritik geübt wird2. Ich glaube, es wäre richtiger, wenn jeder, der an einer verantwortlichen Stelle steht, möglichst mit der Kritik, die doch nur aufregt und nicht positiv wirkt, zurückhalten würde. Denn tatsächlich sind die Verhältnisse so unglaublich schwierig, daß sie nicht gemeistert werden können, wenigstens nicht in einer einigermaßen zu übersehenden Zeit

Hochachtungsvoll
gez.
(Dr. Adenauer)
Oberbürgermeister


  1. ^

    Zu Johannes Trimborn (1940-1946 Pfarrer am Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind) vgl. Robert Grosche, Kölner Tagebuch, S. 29.

  2. ^

    Vgl. hierzu Adenauers schon am 12.4.1945 gegenüber Stadtdechant Grosche geäußerten »Wünsche eines Laien in bezug auf die Arbeit des Klerus…: Die ungeheure Verantwortung der Kirche – die Menschheit versinke in die schrecklichste Barbarei, wenn nicht das Christentum ihr helfe… Der Klerus müsse sich für die Gestaltung der Welt verantwortlich fühlen« (Robert Grosche, Kölner Tagebuch, S. 136).