Rhöndorfer Ausgabe Online

5. September 1945 (Köln)

An Bürgermeister Rudolf H. Petersen und Oberbürgermeister Dr. Karl Scharnagl

, Hamburg und München

HAStK Acc. 2, A 1273, gleichlautende Schreiben mit je einer Textvariante (s .u.), Datum des Schreibens an Scharnagl von Adenauer hs. in 6.9.1945 geändert


Sehr vererter Herr Petersen, / Lieber Herr Scharnagl,

Wir suchen einen Dramaturgen und Regisseur für Schauspiel und einen Intendanten für Schauspiel und Oper1. Unsere Theater sind zwar völlig zerstört, aber die Aula der Universität ist erhalten. Sie hat eine kleine Bühne, sie faßt 1.200 Zuschauer. Wir werden uns vornehmlich der Pflege des Schauspiels widmen müssen. An Opern in Frage kommen kleinere Opern bis Mozart, besonders auch Händel und Gluck. Alle größeren Ausstattungsstücke können nicht aufgeführt werden. An Personal haben wir hier sehr wenig, weil die nationalsozialistische Verwaltung in Köln auch dieses Gebiet schauderhaft vernachlässigt und mißhandelt hat. Wir legen namentlich auch auf die Pflege des Schauspiels aus erzieherischen Gründen sehr großen Wert. Können Sie uns aus dem dortigen Kreise geeignete Persönlichkeiten benennen?

[Nur an Petersen:] Wie ich höre, sollen zahlreiche, bedeutende Persönlichkeiten des Theaterlebens von Berlin nach Hamburg gekommen sein, so daß es Ihnen vielleicht möglich ist, uns aus diesem Kreise geeignete Vorschläge zu machen.

Ich hoffe, bald von Ihnen über die Entwicklung der Parteien zu hören.
Mit freundlichen Grüßen

Ihr sehr ergebener
(Dr. Adenauer)
Oberbürgermeister

[Nur an Scharnagl:] Mit Bezug auf das Schauspiel denke ich namentlich an den Kreis um Fal[c]kenberg. Sie werden mit mir übereinstimmen in der Ansicht über die Bedeutung gerade der Pflege des Schauspiels.
Ich bin Ihnen dankbar für die Mühe, die Sie sich um uns machen.

Mit vielen Grüßen Ihr sehr ergebener


  1. ^

    Hierzu, unter Verwendung dieses Briefes, Toni Diederich, Adenauer als Oberbürgermeister, S. 514 f.
    Adenauer hat sich auch auf anderen Ebenen um die Wiederbelebung des Kölner Kulturlebens bemüht, ohne daß sich die einzelnen Schritte oder Schreiben genau rekonstruieren lassen. Eine Ausnahme bildet der in StBKAH 06.01 erhaltene Antwortbrief von Frieda Busch (New York, 20.8.1945) auf ein zuvor an deren Mann, den Violinisten Adolf Busch (1891-1952), gerichtetes Schreiben Adenauers: »Bitte machen Sie sich keinerlei Hoffnungen, weder was meinen Mann noch meinen Schwager Hermann betrifft. Nach unsrer Ansicht hat Deutschland andre Pflichten, als das Musikleben wieder herzustellen. Die Opfer von Buchenwald sind kaum kalt und in unsern Herzen brennen sie.« Zu Frieda und Adolf Busch (wie auch dessen Bruder, den namhaften Dirigenten Fritz Busch [1890-1951], an den Frieda Busch – so das P. S. ihres Schreibens – »Abschrift ihres Briefes nach Buenos Aires« geschickt hatte) vgl. die zahlreichen Angaben in den Lebenserinnerungen des Busch-Schülers Yehudi Menuhin, Unvollendete Reise, München 31976.