Rhöndorfer Ausgabe Online

6. Juli 1946 (Rhöndorf)

An Jakob Diel

, Burg Layen bei Bingen/Rhein

StBKAH 07.10


Sehr geehrter Herr Diel!

Haben Sie vielen Dank für Ihren Brief vom 1. d.Mts.1. Die Behauptung, ich hätte die vertrauliche Verhandlung nicht vertraulich gehalten, ist unzutreffend. Ich würde es sehr bedauern, wenn eine Einigung vor den Wahlen nicht zustande käme. Freude [werden] davon nur die SPD und die KPD haben. Daß die neue Zentrumspartei einen mittleren Wahlerfolg haben wird, glaube ich nicht. Es kann aber wohl möglich sein, daß durch den Streit manche Leute davon abgehalten werden, überhaupt zu wählen. Und das ist, wie ich eben schon sagte, ein Vorteil für die marxistischen Parteien. Ich glaube, daß Herr Hamacher sich sehr unsicher fühlt. Er sieht ein, daß Spiecker und er etwas ganz Verschiedenes wollen. Ich glaube ferner, daß er an sich sehr gerne bereit wäre, sich mit uns zu verständigen, wenn er es nur könnte, ohne daß sein persönliches Ansehen dabei Schaden litte. Ich kann nur nochmals wiederholen, was ich Ihnen schon mündlich sagte: wenn Herr Hamacher zu uns kommt, soll er der ehrenvollsten Aufnahme gewiß sein! Man könnte auch gegenüber der Öffentlichkeit eine Erklärung dahin abgeben, daß eine etwa durch Sie herbeigeführte Aussprache eine ganze Reihe von Mißverständnissen aufgeklärt habe und daß festgestellt worden sei, daß die Ziele der Parteien, wie sie Herr Hamacher in dem neuen Soester Programm niedergelegt, und die Ziele der CDU identisch seien und daß Herr Hamacher, um eine Zersplitterung und damit Schwächung gemeinsamer Ideen zu vermeiden, in den Vorstand der Rheinischen Partei oder etwas derartiges eintrete.

Wollen Sie auf dieser Basis mal Ihr Glück versuchen?

Ich bin sicher der Letzte, der dafür ist, die politische Atmosphäre zu vergiften. Aber ich muß leider feststellen, daß das fortgesetzt von Herren der neuen Zentrumspartei geschieht. Hier und da wird man ja darauf doch antworten müssen.

Sie wissen, daß ich mit Ihnen in allen übrigen Fragen bezüglich der Gliederung des Reichs einig gehe2.

Mit vielen Grüßen
Ihr ergebener
(Adenauer)


  1. ^

    Hierin Mitteilungen über ein Gespräch mit Wilhelm Hamacher, in dem er – Diel – ein «friedliches Nebeneinander« zwischen CDU und Zentrum vorgeschlagen habe, «solange ein weiteres noch nicht möglich sei.«

  2. ^

    Vgl. Hans Georg Wieck, Christliche und freie Demokraten, S. 95 f. sowie die unter anderem auf Informationen Diels gestützten Ausführungen Adenauers (zur bundesstaatlichen Position der CDU in der französischen Zone) am 26.6.1946 vor dem Zonenausschuss. Zur CDU-Zonenausschusssitzung in Neuenkirchen/Krs. Wiedenbrück (26.-28.6.1946) vgl. Helmuth Pütz (Hrsg.), Konrad Adenauer, S. 146-150.