Rhöndorfer Ausgabe Online

6. Oktober 1945 (Köln)

An Dr. Robert Pferdmenges

, Köln

StBKAH 08.02


Lieber Herr Pferdmenges1,

Eben wurde mir von dem Brigadier beim Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz eine in scharfem Ton gehaltene Verfügung vorgelesen, in der mir mitgeteilt wurde, daß ich das in mich gesetzte Vertrauen wegen Wohnungsbau, Schutt, der Versorgung vor dem Winter nicht gerechtfertigt habe und daher ab heute meines Amtes enthoben sei. Zum kommissarischen Vertreter der Stadt Köln ist Bürgermeister Suth ernannt2, dem ich die Geschäfte zu übergeben habe3. Ich habe bis spätestens 14.10.45 die Stadt Köln zu verlassen.
Jede direkte oder indirekte politische Betätigung ist mir verboten, bei Zuwiderhandlungen werde ich vor das militärische Gericht gestellt. Nach der Verlesung erklärte mir der Brigadier, der Ton sei vielleicht schärfer als sie gewollt hätten. Ob ich etwas zu sagen habe. Ich habe geantwortet: Nein. Habe den Empfang der Verfügung quittiert und packe ein.

Nächste Woche komme ich nochmals zu Ihnen und hoffe Sie dann zu sehen. 

Mit vielen Grüßen an Ihre Frau
Ihr
A


  1. ^

    Zum nachfolgenden das Antwortschreiben Pferdmenges' vom 14.10.1945: «…Wohin ich sehe: Trauer und Scherben! Man thut weiter seine Pflicht; aber das Herz ist nicht mehr dabei…Aber trotz allem glaube ich an Englands fairness und bin überzeugt, daß Ihnen – gerade Ihnen – eines Tages Gerechtigkeit widerfahren wird« (StBKAH 07.02; vgl. Abb. auf S. 119## und den Teildruck dieses Schreibens in: Konrad Adenauer. Dokumente aus vier Epochen, S. 90). Als Reaktionen auf den Vorgang des 6.10.1945 sind (ohne Antworten Adenauers) in StBKAH weiterhin erhalten: Schreiben von Hermann Kroll, Köln-Braunsfeld (9.10.1945), Heinrich Lützeler, Bonn (16.10.1945), Rudolf Schetter, Köln (16.10.1945), Karl Scharnagl, München (19.10.1945), Johannes Rings, Köln-Lindenthal (5.11.1945 und 20.11.1945), Fritz Schumacher, Lüneburg, (10.11.1945), Herbert Lewin und Eugen Zander, beide Köln (15.11.1945) und Josef Kroll, Köln (10.12.1945).

  2. ^

    Zur Einsetzung von Willy Suth als vorläufigem Nachfolger Adenauers vgl. das an ihn gerichtete Schreiben Barracloughs ebenfalls vom 6.10.1945; Faksimile der Übersetzung: Leo Schwering, Frühgeschichte, vor S. 161.

  3. ^

    Die Übergabe der Dienstgeschäfte ist nicht genau datierbar: noch am 8(!).10. 1945 richtete Adenauer aus dem Oberbürgermeisteramt ein (evtl. vordatiertes) Schreiben an Prof. Dr. Matthias Hackenbroch/Kriegsgefangenenhospital Detmold (StBKAH 07.01). Ebenfalls in die Übergangszeit fällt ein von Adenauer gezeichnetes Schreiben an Oberregierungsrat Dr. Josef Georg Wilhelm, Köln, mit hs. Datierung Schaeven »ab 8/10« und dem Hinweis auf die Abwesenheit Priors (HAStK Acc.2, A 337).