1. März 1963

Ratifizierung des Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit durch den Bundesrat

Nach nahezu dreistündiger Aussprache billigte der Bundesrat auf seiner 254. Sitzung, die Vizepräsident Goppel am 1. März 1963, 10 Uhr, eröffnete, im ersten Durchgang den Entwurf eines Gesetzes zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit in der von der Bundesregierung vorgelegten Fassung.

Der Bundesrat nahm bei Stimmenthaltung der Länder Hamburg, Hessen und Niedersachsen jedoch eine vom Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und vom Ausschuß für Verteidigung empfohlene, vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Brandt, begründete Entschließung an, die folgenden Wortlaut hat:

"Der Bundesrat begrüßt den deutsch-französischen Vertrag über die politische Zusammenarbeit. Er sieht in ihm den Ausdruck der Aussöhnung und der Freundschaft zwischen dem deutschen und dem französischen Volk.

Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß durch die Anwendung dieses Vertrages die großen Ziele gefördert werden, die die Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft mit den anderen ihr verbündeten Staaten seit Jahren anstrebt und die ihre Politik bestimmen.

Diese Ziele sind vor allem:

  • Die Erhaltung und Festigung des Zusammenschlusses der freien Völker, insbesondere eine enge Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika;

  • die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts für das deutsche Volk und die Wiederherstellung der deutschen Einheit;

  • die gemeinsame Verteidigung im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses und die Integrierung der Streitkräfte der in diesem Bündnis zusammengeschlossenen Staaten;

  • die Einigung Europas auf dem durch die Schaffung der Europäischen Gemeinschaften begonnenen Wege unter Einbeziehung Großbritanniens und anderer zum Beitritt gewillter Staaten;

  • der Abbau der Handelsschranken durch Verhandlungen zwischen der EWG, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika sowie anderen Staaten im Rahmen des GATT.

Eine deutsch-französische Zusammenarbeit, die sich von diesen Zielen leiten läßt, wird allen Völkern Nutzen bringen und dem Frieden in der Welt dienen. Sie wird dadurch zugleich dem deutschen und dem französischen Volk zum Wohle gereichen."

Eine weitere Entschließungsvorlage, die für den Ausschuß für Kulturfragen Senator Dehnkamp (Bremen) begründet hatte und in der ausdrücklich auf die Zuständigkeit der Länder auf dem Gebiet der Erziehung hingewiesen werden sollte, wurde nicht angenommen.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag des Landes Hessen, den Artikel 1 des Ratifizierungsgesetzentwurfs dadurch zu erweitern, daß in einem neuen Absatz 2 ausdrücklich festgestellt werde, die Zustimmung werde "in der Überzeugung erklärt, daß der Vertrag die Erfüllung der Verpflichtungen nicht beeinträchtigt, die den vertragschließenden Ländern auf Grund der Verträge zur Verteidigung der freien Welt, der Europäischen Gemeinschaftsverträge sowie des Deutschlandvertrages obliegen, und daß demgemäß die in dem Vertrag vereinbarte deutsch-französische Zusammenarbeit nur im Einklang mit dem Geiste der genannten Verträge und darin festgelegten politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zielen durchgeführt wird". Auch ein Antrag des Landes Hamburg, die in der - angenommenen - Entschließung ausgesprochenen Grundsatzforderungen zumindest in eine Präambel zu dem Ratifizierungsgesetz aufzunehmen, fand keine Mehrheit.

Über den Verlauf der Debatte, die den Abstimmungen vorausging und in der Bundeskanzler Dr. Adenauer, Staatssekretär im Bundesministerium des Äußeren Prof. Dr. Carstens, Ministerpräsident Dr. Meyers (Nordrhein-Westfalen), Minister von Lautz (Saarland), Ministerpräsident Altmeier (Rheinland-Pfalz), Regierender Bürgermeister Brandt (Berlin), Erster Bürgermeister Dr. Nevermann (Hamburg) und Ministerpräsident Dr. h. c. Zinn (Hessen) das Wort ergriffen, berichten wir in der nächsten Ausgabe des BULLETIN.

 

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 39 vom 2. März 1963, S. 361.