Ernst Lemmer, Portraitfoto
Ernst Lemmer, 1. Februar 1962

Ernst Lemmer

* geboren 28.04.1898 in Remscheid
† gestorben 18.08.1970 in Berlin


Journalist, Bundesminister, ev.

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Übersicht

1915-1918Kriegsdienst
1919-1923Studium der Volkswirtschaft in Marburg, Frankfurt/Main, Heidelberg
1922-1933Generalsekretär des Gewerkschaftsrings der deutschen Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände
1924-1932, 1933MdR (DDP/DStP)
1945-19472. Vorsitzender der Ost-CDU
1945-19493. Vorsitzender des FDGB
1949-1956Chefredakteur des „Kurier"
1956-1961Landesvorsitzender der CDU Berlin
1950-1961stv. Vorsitzender
1961-1969Vorsitzender der Exil-CDU
1950-1970MdA Berlin (1951-1956 Fraktionsvorsitzender)
1952-1961MdB
1956-1957Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen
1957-1962Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen
1964-1965Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
1965-1969Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers für Berlin

Biographischer Lebenslauf

Ernst Lemmer wurde am 28. April 1898 als Sohn des Bauunternehmers und Architekten Ernst Lemmer in Remscheid geboren, besuchte dort das Realgymnasium und nahm nach dem so genannten „Notabitur“ ab März 1915 als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Bei Kriegsende hatte der erst Zwanzigjährige den Rang eines Leutnants erreicht. Im November 1918 wurde Lemmer sowohl Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) als auch des Remscheider Arbeiter- und Soldatenrates.

Im Mai 1919 begann Lemmer ein Studium der Theologie, Geschichte und Volkswirtschaft in Marburg, das er 1923 in Frankfurt am Main abschloss. Auch während seines Studiums war Lemmer politisch aktiv, so zum Beispiel als Vorsitzender des Deutschen Demokratischen Studentenbundes – dem offiziellen Hochschulverband der DDP. Außerdem engagierte er sich als führendes Mitglied im Reichsbund der Deutschen Demokratischen Jugend (Jungdemokraten). Neben seinem politischen Engagement arbeitete Ernst Lemmer während seines Studiums als Freiwilliger bei der „Frankfurter Zeitung“.

Gewerkschaftler, Journalist und Politiker

Nach Abschluss seines Studiums wurde Lemmer im April 1922 Generalsekretär des Gewerkschaftsringes der Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände im Deutschen Reich (bis 1933). Gleichzeitig betätigte er sich journalistisch bei Berliner Zeitungen, allen voran dem „Berliner Tageblatt“. Von 1924 bis 1930 war Ernst Lemmer Vorstandsmitglied der DDP. Nach deren Umbenennung war er im Reichsvorstand der Deutschen Staatspartei (DStP) tätig, bis diese durch die „Verordnung zur Sicherung der Staatsführung“ am 7. Juli 1933 aufgelöst wurde. Außerdem war Lemmer von 1924 bis 1932 und für eine kurze Periode von März bis Juni 1933 Mitglied des deutschen Reichstags.

Nach Auflösung der DStP wurde Lemmer aufgrund seiner linksliberalen Überzeugung, die er noch immer öffentlich vertrat, aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen. Dies machte ihm eine journalistische Tätigkeit bei jeglichen deutschen Zeitungen unmöglich. Bis zum Kriegsende 1945 war Lemmer als Korrespondent zweier ausländischer Zeitungen, der Neuen Zürcher Zeitung und des Pester Lloyd, in Berlin tätig.

Mitgründer der CDU

Nach Ende des Krieges begann Ernst Lemmer erneut, sich politisch zu engagieren. Er übernahm von 1945 bis 1947 den Vorsitz des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Von 1945 bis 1946 war Lemmer Bürgermeister der brandenburgischen Gemeinde Kleinmachnow und von 1946 bis 1948 Mitglied des Landtags von Brandenburg.

Ernst Lemmer beteiligte sich im Juni 1945 an der Gründung der CDU und zählt somit zu den „Gründervätern“ der Partei. Von Dezember 1945 bis zu seiner Absetzung im Dezember 1947 war er unter Jakob Kaiser 2. Vorsitzender der CDU in der SBZ. In der Folgezeit blieb er eng mit Kaiser und den übrigen Mitgliedern des ehemaligen Hauptvorstands verbunden, die in die Berliner Westsektoren übergesiedelt waren. Er selbst wohnte jedoch weiterhin in Kleinmachnow im Ostteil der Stadt. Erst im Mai 1949 kam auch er nach West-Berlin. 1950 beteiligte er sich an der Gründung der Exil-CDU, die eine Reaktion auf die zunehmende Gleichschaltung der CDU in der DDR war. Der Gedanke dabei war, dass die Exil-CDU die Mitglieder der Partei repräsentieren sollte, von denen man annahm, dass sie mit der Umwandlung der CDU der DDR in eine Kaderpartei nach sozialistischem Vorbild nicht einverstanden waren, dies aber nicht mehr offen ausdrücken konnten.

In West-Berlin nahm Ernst Lemmer seine journalistische Arbeit als Chefredakteur der Tageszeitung „Der Kurier“ wieder auf. Außerdem übernahm er in den folgenden Jahren mehrere bedeutende Mandate und Ämter: Von 1950 bis zu seinem Tod 1970 war er Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, von 1950 bis 1956 stellvertretender, von 1956 bis 1961 dann erster Vorsitzender des CDU-Landesverbands Berlin und von 1961 bis 1970 Vorsitzender der Exil-CDU.

Bundestagsabgeordneter und Bundesminister

In den Bundestag trat Ernst Lemmer erstmals 1952 ein, als zum 1. Februar die Anzahl der Berliner Abgeordneten erhöht wurde. Bis zu seinem Tod 1970 blieb er Bundestagsabgeordneter. Für Aufsehen sorgte er 1954, als er auf Vorschlag des FDP-Abgeordneten Hans Reif bei der Wahl zum Bundestagspräsidenten gegen seinen Parteikollegen Eugen Gerstenmaier, den eigentlichen Kandidaten von CDU und CSU, antrat. Gerstenmaier konnte die Wahl erst im dritten Wahlgang und nur mit knappem Abstand für sich entscheiden.

In mehreren Kabinetten Konrad Adenauers und Ludwig Erhards stand Ernst Lemmer an der Spitze verschiedener Bundesministerien: Im November 1956 ernannte ihn Adenauer zum Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen. Von dort wechselte er Ende Oktober 1957 in das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, das er bis Dezember 1962 leitete. Bundeskanzler Ludwig Erhard berief Lemmer im Februar 1964 als Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte in sein Kabinett (bis Oktober 1965). Schließlich bekleidete Lemmer von 1965 bis 1969 das Amt des Sonderbeauftragten des Bundeskanzlers für Berlin.

Ernst Lemmer starb nach längerer Krankheit am 18. August 1970 im Alter von 72 Jahren in einem West-Berliner Krankenhaus. Als letztem Bundestagsabgeordneten, der auch schon dem Reichstag der Weimarer Republik angehört hatte, erwies die Bundesrepublik Deutschland ihm die Ehre eines Staatsaktes, an dem auch Angehörige der Westalliierten teilnahmen.

  • ACDP, 01-280

Maximilian Riedel