Rhöndorfer Ausgabe Online
An den Oberpräsidenten der Nord-Rheinprovinz, Robert Lehr
, DüsseldorfStBKAH 06.05, mit ms. Briefkopf: »Der Vorsitzende der Landespartei der CDU für die Rheinprovinz« ohne Anrede und Schlussformel; Teildruck: Konrad Adenauer. Seine Zeit – sein Werk, S. 149; Wiedergabe des letzten Absatzes in indirekter Rede, in: Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 195f.1
Ich bestätige den Empfang Ihres gefl. Schreibens vom 5. d. Mts2 –
Der Vorstand der CDU für die Nord-Rheinprovinz hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß die von Ihnen genannten Herren Albers, Arnold, Pünder, Weitz und Müller keinesfalls Auftrag gehabt haben, Ihnen für die Partei Vorschläge zu machen. Ich kann auch nur annehmen, daß ein Mißverständnis vorliegt. Herr Albers, den ich inzwischen erreichen konnte, hat mir erklärt, daß er keineswegs für die CDU gesprochen habe, sondern anläßlich der ersten Zusammensetzung des Provinzialrats in seiner weniger zahlreichen Zusammensetzung plötzlich zitiert und um seine Meinung gefragt worden sei. Ich werde mich mit den übrigen vorgenannten Herren noch in Verbindung setzen und darf dann auf die Angelegenheit zurückkommen.
Gewiß ist mit Rücksicht auf den hohen Prozentsatz unpolitischer bezw. nicht als Vertreter einer bestimmten Partei berufener Sachverständiger eine Zusammensetzung, die dem letzten, aus freien Wahlen hervor-gegangenen Provinziallandtag völlig gleich wäre, nicht möglich. Ich bitte aber doch, bei der Zusammensetzung des Provinzialrats folgende Punkte zu berücksichtigen:
Soweit in den Provinzialrat Vertreter politischer Parteien berufen sind, hätte die Stärke der politischen Parteien im letzten Provinziallandtag vor 1933 wenigstens in etwa berücksichtigt werden müssen. Das ist aber in keiner Weise der Fall gewesen. Ich stelle fest, daß 7 Vertreter der CDU, 6 Vertreter der SPD und 7 Vertreter der KPD berufen worden sind. Das ist nach unserer Meinung eine Zusammensetzung des aus politischen Vertretern bestehenden Teils des Provinzialrats, der in keiner Weise dem wirklichen Stärkeverhältnis der Partei entspricht. In bin vom Vorstand, der sich in seiner Sitzung am 10.3.46 mit dieser Angelegenheit beschäftigt hat, beauftragt worden, mit allem Nachdruck Verwahrung gegen diese Nichtberücksichtigung der CDU einzulegen und mit aller Entschiedenheit darauf hinzuwirken, daß eine Änderung erfolgt. Wenn Sie glauben, daß in der Zwischenzeit das Stärkeverhältnis und die parteipolitische Struktur sich so erheblich geändert hätten, daß die Verhältnisse nur einen sehr begrenzten Anhaltspunkt für die Gegenwart zu bieten vermögen, so darf ich Sie auf das Ergebnis der Abstimmung für die konfessionelle Volksschule hinweisen. Diese Abstimmung, die ein für die Gegner der konfessionellen Volksschule verblüffendes Ergebnis gehabt hat, zeigt mit vollster Klarheit, daß die Struktur der Parteiverhältnisse sich höchstwahrscheinlich inzwischen zu Gunsten der CDU gegenüber dem früheren Verhältnis des Zentrums zu den anderen Parteien geändert hat. Ich weiß nicht, inwieweit Stellen der britischen Militärregierung auf die Zusammensetzung des Provinzialrats einen maßgebenden Einfluß gehabt haben. Ich bin beauftragt, für den Fall, daß das geschehen sein sollte, Sie dringend zu bitten, auch diese Stellen der britischen Militärregierung zu unserer Entlastung auf die Zurücksetzung der CDU und die demokratischen Grundsätzen nicht entsprechende Behandlung aufmerksam zu machen. Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, daß innerhalb der CDU, und zwar bei sehr beachtlichen Stellen der Partei, schon seit längerer Zeit lebhafte Klagen darüber laut werden, daß die CDU auch bei der Besetzung der maßgebenden Stellen innerhalb des Oberpräsidiums ganz offensichtlich zurückgesetzt werde. Ich möchte zunächst nicht in eine ziffernmäßige Nachprüfung dieser Klagen eintreten: Ich darf aber doch darauf aufmerksam machen, daß diese Klagen sehr allgemein verbreitet und sehr lebhaft sind. Ich bitte daher, dieser Frage Ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen3.
Adenauer begründet seine Bemühungen um angemessene Berücksichtigung der CDU im Provinzialrat – »trotz der nicht sehr bedeutenden Funktionen« – damit, dass er sich »gegenüber der augenscheinlichen Bevorzugung der Sozialdemokraten und der Kommunisten durch die britischen Stellen im Hinblick auf kommende Entwicklungen nicht früh genug und nicht entschieden genug« habe zur Wehr setzen können.
Vgl. die Schreiben an Robert Lehr vom 19.3.1946 und an führende Vertreter der CDU Rheinland vom 15.4.1946. Ausführliche Hinweise auf dieses Adenauer-Schreiben bei Walter Först, Geschichte, S. 57f.
Lehr konnte Adenauer am 5.5.1946 mitteilen, »daß bei der unmittelbar bevorstehenden Umgestaltung des nichtexekutiven Provinzialrats zum ernannten Provinzial-Landtag eine Änderung des … Verhältnisses 1:1:1 zwischen CDU, SPD und KPD eintreten wird«.