Rhöndorfer Ausgabe Online
An führende CDU/CSU-Politiker in der britischen und amerikanischen Zone
StBKAH 08.06, Verteiler: »An die Herren Minister Dr. Hilpert, Darmstadt; Ministerpräsident Köhler, Karlsruhe; Minister Andree, Wirtschaftsministerium, Stuttgart; Ersing, Wirtschaftsministerium, Stuttgart; Simpsenhöffer[!], Wirtschaftsministerium, Stuttgart; Rechtsanwalt Dr. Müller, München; Botschafter von Prittwitz, München; Oberpräsident Dr. Steltzer, Kiel, Oberpräsidium.«
Sehr geehrte Herren!
Ich hatte auf der Stuttgarter Konferenz den Auftrag bekommen, bei der britischen Kontrollkommission Schritte einzuleiten zwecks Vereinigung der Partei in der amerikanischen und der britischen Zone. Ich habe diese Schritte zunächst inoffiziell getan und zur Antwort erhalten, daß man grundsätzlich geneigt sei, zuzustimmen, jetzt aber mit der amerikanischen Kontrollkommission Fühlung nehmen wolle1. Mir wurde weiter gesagt, daß die Zustimmung noch uneingeschränkter sein würde, wenn die Genehmigung der Partei für das ganze Reich nachgesucht würde. Die Stellung eines dahingehenden Antrages wirft nun eine Reihe von sehr schwierigen Fragen auf, die vorerst geklärt werden müssen. Mir scheinen diese Fragen im wesentlichen folgende zu sein:
1) Wer stellt den Antrag? Antwort: Ich nehme an, alle Parteien der Zonen gemeinschaftlich. Dabei weiß ich allerdings nicht, ob für die französische Zone schon eine Partei besteht. Soviel ich weiß, sind dort bisher nur Ansätze vorhanden.
2) Wo soll die Reichsgeschäftsstelle eingerichtet werden? Wer soll sie leiten?
3) Es ergibt sich natürlich auch die Frage des Vorsitzenden. Bei der Wahl des Vorsitzenden sind natürlich die regionalen Ansprüche sehr zu beachten. Vielleicht würde man hier der Schwierigkeiten am besten dadurch Herr, daß der Vorsitz in einem gewissen Modus wechselt. Die Person des Reichsgeschäftsführers würde dadurch an Bedeutung erheblich gewinnen, und vielleicht schafft man sich dort neue Schwierigkeiten.
4) Über die Schwierigkeiten mit der CDU in der russischen und der Berliner Zone brauche ich nach unserer mündlichen Aussprache und nach meinem ausführlichen Schreiben über meine Unterredung mit Herrn Kaiser am 6.4.46 nichts weiter zu sagen. Sie sind natürlich in Zukunft bei einer Reichspartei doppelt beachtenswert.
Ich bitte Sie, sich alle diese Fragen schon jetzt zu überlegen. Sie werden wohl zweckmäßig im Laufe des Sommers auf einer Zusammenkunft in kleinem Kreise besprochen werden.
Mit vielen Grüßen
Ihr sehr ergebener
Kontaktmann Adenauers in diesem Zusammenhang: Michael A. Thomas, der am 9.4.1946 mitgeteilt hatte, »daß die Frage, die Sie mir in Stuttgart stellten, hier grundsätzlich positiv beantwortet wird und daß sie nunmehr in Berlin mit den Amerikanern besprochen wird. Ich könnte sogar sagen, daß man noch positiver eingestellt wäre, wenn sich Ihr Vorschlag nicht nur auf zwei Zonen, sondern auf das gesamte Reichsgebiet erstrecken würde«; zur Antwort Adenauers vgl. das Schreiben an Thomas vom 15.4.1946.