Rhöndorfer Ausgabe Online
An Dr. Margarete Lenz-Oevel
, UntergrainauHAStK Acc. 2, A 359
Sehr geehrte Frau Dr. Lenz-Oevel,
Ihren Brief vom 22.7.45 habe ich vor kurzer Zeit erhalten. Ich hoffe, daß Ihr Mann seine Tätigkeit als Universitätsprofessor recht bald wieder ausüben kann.
Ich danke Ihnen für Ihre guten Wünsche. Es ist wirklich eine sehr schwere Hinterlassenschaft, die man antreten mußte. Wertvolle Kräfte, die mithelfen wollen, sind herzlich willkommen. Bitte sagen Sie mir doch, welche Arbeit Sie sich gedacht haben. Bisher hat sich von den Quaekern, englischen oder amerikanischen, niemand hier sehen lassen. An Frau Kraus habe ich nur indirekt eine Mitteilung gelangen lassen können. Sie hat mir indirekt mitteilen lassen, sie würde einmal herüber kommen. Ich habe aber dann nichts mehr von ihr gehört.
Wir haben noch viel Unangenehmes erlebt. Einer meiner Söhne ist bisher nicht aus Kriegsgefangenschaft aus Norwegen zurückgekehrt. Mein Sohn Max ist vor 3 Wochen nach 4 Monaten amerikanischer Gefangenschaft in sehr schlechtem körperlichen Zustande zurückgekommen. Er erholt sich jetzt schnell.
In Rhöndorf ist 5 Tage gekämpft worden, unser Haus wurde von 2 schweren Granaten getroffen. Wir haben aber bei allem noch großes Glück gehabt, es ist nun so ziemlich wieder hergestellt. Von Herrn Sollmann1 habe ich noch nichts gehört. Die Abschließung gegenüber dem Ausland ist überhaupt sehr dicht.
Schreiben Sie also bitte welche Tätigkeit Ihnen liegen würde und seien Sie nebst Ihrem Mann herzlichst von meiner Frau und mir gegrüßt.
Ihr
(Dr. Adenauer)
Oberbürgermeister
Zur Kontaktaufnahme Adenauer–Sollmann nach 1945 vgl. das Schreiben an William F. Sollmann vom 16. März 1946.