Rhöndorfer Ausgabe Online

31. August 1945 (Köln)

An Stabsarzt Dr. Fritz Zinsser

, Walsrode

StBKAH 07.03


Lieber Fritz,

Dein Brief vom 28. d.M. und Deine darauf eintreffende Karte vom 26. d.M. haben mich außerordentlich gefreut1. Wir fürchteten, Du seiest in russische Gefangenschaft geraten. Deine Mitteilung, daß Du in britischer Kriegsgefangenschaft bist, bedeutet daher eine große Erleichterung.
Ich will Dir in Folgendem kurz mitteilen, wie die Verhältnisse stehen.
Den Eltern in Tübingen geht es verhältnismäßig gut. Deine Mutter ist zwar öfters leidend, aber es geht noch. Auch Lotte geht es gut und ihren Kindern, mit Ausnahme ihres ältesten Jungen, von dem sie noch keine Nachricht – vor einiger Zeit – hatten. Tübingen ist durch den Krieg nicht beschädigt worden, insbesondere nicht Dein elterliches Haus. Auch die Versorgung scheint dort noch einigermaßen zu gehen. Über Tübingen haben wir auch gehört, daß es Deiner Frau und Deinen Kindern gut geht. Ob sie zurückgekehrt sind nach Ludwigsburg und wie es dort aussieht, weiß ich nicht. Ich glaube aber kaum, daß in Ludwigsburg erhebliche Kämpfe gewesen sind.
Uns in Rhöndorf/Honnef geht es verhältnismäßig zufriedenstellend. Paul ist zurück und im Konvikt in Bonn, um Theologie zu studieren. Konrad ist noch in Norwegen in Kriegsgefangenschaft. Wo Max ist, wissen wir leider nicht. Wir wissen nur mit allerdings sehr großer Wahrscheinlichkeit, daß er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Ludwigshafen gewesen ist. Anscheinend ist er von dort nach Frankreich gebracht worden. Trotz aller Bemühungen haben wir ihn bisher nicht ermitteln können. Im Siebengebirge waren fünf Tage lang schwere Kämpfe. Unser Haus hat zwei Volltreffer bekommen von schweren Granaten, ist aber jetzt wieder in Ordnung. Es waren aber recht schwere Tage. Wir haben unser Haus nicht verlassen.
Ernst ist in Hannover. Er wohnt Senator-Bauer-Str. 27. Er hat mich einmal kurz besucht. Sein Haus ist nicht beschädigt. Seine Frau und seine Kinder, die auf dem Lande waren, werden wohl jetzt wieder bei ihm sein. Meine Aufgabe hier, zu deren Übernahme ich mich nur sehr widerwillig verstanden habe, ist sehr schwer und drückend, sie ist unlösbar.
Ich sehe für uns alle eine sehr trübe und ernste Zukunft voraus. Ich werde Ernst Deine Adresse geben und werde auch versuchen, Deine Eltern und Deine Frau in Kenntnis von Deinem Briefe zu setzen. Ich werde Vater bitten zu überlegen, ob Du nicht von Ludwigsburg aus angefordert werden kannst. Gussie geht es nicht besonders. Sie leidet noch sehr unter den Nachwirkungen der Ereignisse im September/Oktober des vergangenen Jahres. Lasse bald wieder etwas von Dir hören und sei herzlichst gegrüßt von

Deinem Schwager


  1. ^

    Die im nachfolgenden erwähnten Mitteilungen an seinen Schwager Konrad Adenauer sind nicht erhalten.