Porträt Gussie Adenauer von Eugen Coubillier, 1932
Gussie Adenauer, 1932

Auguste "Gussie" Amalie Julie Adenauer (geb. Zinsser)

* geboren 07.12.1895 in Köln
† gestorben 03.03.1948 in Bonn

Zweite Ehefrau von Konrad Adenauer

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Übersicht

Gemeinsame Kinder:
Ferdinand (04.06.1920-08.06.1920)
Paul Ferdinand Ludwig (18.01.1923-05.08.2007)
Wilhelmine Charlotte Helene „Lotte“ (30.04.1925-21.06.2018)
Elisabeth Helene Maria „Libet“ (17.05.1928-03.02.2019)
Georg Otto Ernst Maria (25.08.1931-23.02.2020)

Gussie Adenauer erfüllte mit großer Hingabe die Rolle der liebevollen Mutter und Ehefrau. Sie unterstützte Konrad Adenauer als Oberbürgermeistergattin und zeigte darüber hinaus soziales und karitatives Engagement. Sie starb noch vor dem Höhepunkt der politischen Karriere ihres Mannes.

Elternhaus und Kindheit

Familie Zinsser
Familie Zinsser

Gussie Zinsser wurde als erstes Kind von Ferdinand (1865-1952) und Wilhelmine Auguste Julie „Minnes“ Zinsser (1870-1952) in Köln geboren.

Ihr Vater war als Kind deutscher Einwanderer in Amerika aufgewachsen, die Familie kehrte jedoch später nach Deutschland zurück. Ferdinand wurde Universitätsprofessor für Dermatologie und war zudem 1928-1929 Rektor der Universität Köln. Gussies Mutter „Minnes“ entstammte einer französischen Protestantenfamilie aus Wörstadt bei Worms. Gussie hatte noch drei Geschwister: Fritz, Lotte (verh. Oertel) und Ernst, der sich als Architekt einen Namen machte und viele Jahre als Professor an der Technischen Hochschule Hannover lehrte.

Gussie spielt Geige
Gussie spielt Geige

Ernst Zinsser beschrieb die Eltern folgendermaßen: „Mein Vater war als Typ eigentlich Amerikaner: praktisch, sportlich, unkonventionell, ein Vater, der uns Kindern bis ins hohe Alter jugendlich erschien. Er war spontan hilfsbereit, was ich später bei vielen Amerikanern als typisch erkannte. (…) Sie war damenhaft-fraulich, französischer Typ, sehr mütterlich und eine glänzende Hausfrau. Sie war eine ideale Gastgeberin. Ihre größte Freude war das Einrichten von Räumen und das Bauen, worin sie erstaunlich viel Geschmack und Geschick bewies.“ Gussie scheint das Wesen beider Eltern gleichermaßen vereint zu haben, denn ihre Tochter Libet schrieb ihr später ebendiese Attribute zu.

Familie Zinsser lebte in Köln-Lindenthal, in der Nachbarschaft der Adenauers. Die beiden Familien pflegten ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. Adenauers Kinder gingen dort – wie auch andere Kinder der Nachbarschaft – ein und aus. Es wurde viel musiziert. Auch Gussie gab mit ihren Geschwistern kleine Hauskonzerte. Sie spielte hervorragend Geige. Ihre zweite Leidenschaft war das Gärtnern, das sie schon als Kind gerne zum Beruf gemacht hätte. Sie besuchte als junge Frau eine Gartenbauschule am Bodensee.

Heirat und Mutterschaft

Hochzeit von Konrad und Gussie am 25. September 1919
Hochzeit am 25. September 1919

Konrad Adenauer und Gussie Zinsser verband auf Anhieb die Liebe zur Musik und zur Gartenarbeit. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Emma freundete sich der Witwer über den Gartenzaun hinweg mit Gussie an. Zinssers hatten ein kleines Ackergrundstück neben dem Haus der Adenauers gepachtet. Adenauer gab der Nachbarstochter fachmännische Ratschläge von seiner Grundstücksseite aus, etwa zu einer verbesserten Hackenführung. Die fast täglichen Gespräche am Gartenzaun wurden immer länger, was Gussies Eltern nicht entging.

Bei aller persönlichen Sympathie und Respekt für den politisch erfolgreichen Adenauer waren sie über die sich anbahnende Verbindung alles andere als erfreut. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass die Tatsache, dass Konrad Adenauer deutlich älter war und bereits drei Kinder mit in die Ehe brachte, Grund für die Vorbehalte der Zinssers lieferte. Immerhin war die damals 23-Jährige 19 Jahre jünger als ihr Verlobter, nur zehn Jahre älter als dessen erster Sohn Konrad (1906-1993).

Eintragung der Hochzeit von Gussie und Konrad Adenauer in das Hausstandsbuch
Eintragung der Hochzeit in das Hausstandsbuch

Schwerer taten sich beide Familien jedoch mit den unterschiedlichen Konfessionen des Paares. Die protestantischen Zinssers galten zwar als tolerant, doch dass ihre Tochter in ein katholisches Haus einheiratete, gar zum katholischen Glauben konvertierte – damit waren sie nicht einverstanden. Für Konrad Adenauer war Gussies Konversion zum katholischen Glauben jedoch unabdingbar für eine glückliche Ehe. Er äußerte sich mit Besorgnis ihr gegenüber, dass sie sich durch den unterschiedlichen Glauben geistig immer fremd bleiben würden. Innerlich zerrissen zwischen Adenauers Drängen und ihrer Erziehung schrieb Gussie ihm ausführliche Briefe über ihre Glaubensansichten. Die Gespräche, die sie letztlich vom katholischen Glauben überzeugten, führte sie jedoch bewusst mit unparteilichen Gesprächspartnern.

Nun hatte das Paar nur noch eine Prüfung zu bestehen. Familie Zinsser schickte ihre Tochter für einige Wochen zu Verwandten nach Wiesbaden und hoffte, dass sich die „Liebelei“ durch die räumliche Trennung abkühlte. Doch das Gegenteil war der Fall. Die beiden schrieben sich in dieser Zeit fast täglich Briefe und Gussie trat - wieder zurück in Köln - bestärkt und selbstbewusst ihren Eltern gegenüber.

Gussie Adenauer, 1922
Gussie Adenauer, 1922

Gussie und Konrad Adenauer wurden am 25. September 1919 in der Kapelle des Kölner Dreifaltigkeitshospitals von Adenauers Bruder und späteren Domkapitular Hans (1873-1937) katholisch getraut. Es war eine bescheidene Hochzeit im Familienkreis.

Mit den drei Kindern Adenauers aus erster Ehe, Konrad, Max (1910-2004) und Ria (1912-1998), verstand sich Gussie bereits vor ihrer Beziehung zu Adenauer gut. Auch das Einfinden beider Seiten in die neuen Familienverhältnisse funktionierte. Nur das Hauspersonal wollte die „zu junge“ neue Hausherrin nicht akzeptieren. Es wurde kurzerhand ausgetauscht.

Nachdem der erste gemeinsame Sohn Ferdinand schon vier Tage nach seiner Geburt am 8. Juni 1920 verstorben war, bekam das Paar zwischen 1923 und 1931 die vier Kinder Paul, Lotte, Libet und Georg. Zwischen dem ältesten und dem jüngsten Sohn Konrad Adenauers lagen 25 Jahre. Während Adenauer eher als strenger Vater galt, beschrieben die Kinder ihre Mutter als warmherzige, mitfühlende und heitere Frau, die mit ihnen Ausflüge in den Zoo, das Kino oder Fahrradtouren unternahm, wenn der Vater sich für die Arbeit zurückzog. 

Die Frau an der Seite des Oberbürgermeisters

Adenauer übernahm das Kölner Oberbürgermeisteramt in einer schwierigen Zeit. Die Versorgungslage war schlecht, die Bürgerinnen und Bürger kämpften mit den Kriegsfolgen, die Briten hielten die Stadt besetzt. Bis heute sind die Projekte Adenauers, mit denen er für Aufschwung und Perspektiven sorgte, prägend für das Kölner Stadtbild. Über die Vorhaben diskutierte er auch mit Gussie, die viele Ideen und Bestrebungen ihres Mannes teilte und schätzte. Sie erwies sich als kluge Frau, die an der Seite des Oberbürgermeisters mit ihrer herzlichen und unkomplizierten Art schnell von sich überzeugte. Gussie begleitete ihn zu offiziellen Terminen und richtete zu Hause mit Freude Gesellschaften aus.

Sie übernahm aber auch soziale und karitative Aufgaben, beispielsweise im Katholischen Deutschen Frauenbund, im Arbeitsausschuss des Frauenbeirates der Kölner Zentrumspartei oder bei der katholischen Vereinigung für Kinder- und Jugendhilfe. Außerdem wurde sie Mitgründerin des Frauen-Kunstverbandes Gedok.

Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 verschlechterte auch in Köln die Lage, der Gegenwind durch die NSDAP nahm zu. Konrad Adenauer wurde nur knapp wiedergewählt, und immer häufiger las und hörte man Parolen wie „Fort mit Adenauer“. Gussie Adenauer bemühte sich, ihrem Mann Mut zu machen und ihn an trübsinnigen Tagen aufzuheitern. Den Kindern, die sehr besorgt um ihren Vater waren, versuchte sie zu Hause ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen.

Unstete Jahre

Konrad und auch Gussie Adenauer machten kein Geheimnis aus ihrer ablehnenden Einstellung gegenüber den Nationalsozialisten. Im Februar 1933 unterzeichnete Gussie Adenauer an erster Stelle einen Aufruf einer kleinen Frauengruppe aus den Frauenorganisationen der Zentrumspartei. Anlässlich der im März bevorstehenden Kommunalwahlen in Köln und den Reichstagswahlen hieß es darin: „Es geht um deutsches Schicksal. Wir Frauen sind mitverantwortlich für seine Gestaltung. (…) Die traurigen Vorfälle lassen sich nicht allein aus der Erregung des Wahlkampfes erklären; sie sind Ausfluss einer Gesinnung, die hemmungslos Hass predigt und die Vernichtung des Gegners will. Es erschüttert uns zutiefst, dass selbst die Jugend mit solchen Gedanken vergiftet wird.“

Doch die Wahlen fielen zu Gunsten der Nationalsozialisten aus. Adenauer fürchtete um seine Sicherheit. Er verließ Köln in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1933 mit der Hilfe seines Freundes Robert Pferdmenges. Die Familie brachte er zuvor in einer Gästewohnung im Krankenhaus Hohenlind unter: Dort wähnte er sie sicherer als in seiner Nähe.

Die Nationalsozialisten machten kurzen Prozess: Gegen Adenauer wurde ein Dienststrafverfahren eingeleitet, die Konten vorerst gesperrt, im Juli wurde er schließlich offiziell seines Amtes enthoben. Viele frühere Freunde distanzierten sich von der Familie, die Kinder wurden in der Schule gemieden. Es folgten unstete Jahre. Immer wieder lebte der Rest der Familie zeitweise vom Vater getrennt, auch Gussie und die Kinder zogen von Köln nach Potsdam und später nach Rhöndorf um.

Adenauers Lieblingsporträt von Gussie

In dieser Zeit kümmerte sich vor allem Gussie Adenauer um das Haus in Köln. Sie erledigte auf Anweisung alle (Bank-)Geschäfte für ihren Mann, besuchte ihn im Exil in Maria Laach und trug Sorge dafür, dass er regelmäßig mit Wäsche, Lebensmitteln und allem Nötigen versorgt wurde. Um ihn aufzumuntern und auf dem Laufenden zu halten, schrieb sie ihm Briefe. Gleichzeitig kümmerte sie sich selbstverständlich um die Kinder. Nach außen strahlte sie eisernen Optimismus aus, um ihnen ein wenig die Angst um den Vater zu nehmen. Sie versuchte, den Kindern – soweit überhaupt möglich – ein wenig Normalität zu bieten. Ihre Briefe und Notizen lassen jedoch die Sorge um ihren Mann, die Kinder und die „Menschheit“ erahnen.

Erst 1937 kam ein finanzieller Vergleich mit der Stadt Köln zustande. Die Familie wurde für das dortige Haus – wenn auch unter Marktwert – entschädigt. Die einbehaltenen Dienstbezüge wurden nachgezahlt. Damit konnte die Familie ein eigenes Haus in Rhöndorf bauen. Inzwischen wohnten nur noch die jüngeren Kinder zu Hause. Gussie Adenauer freute sich über die Besuche von Konrad, Max, Ria und den Schwiegerkindern. Eine neue Normalität stellte sich im Familienleben ein. Zugleich plagte Gussie ständig die Sorge um ihren Mann. Zu politischer und beruflicher Untätigkeit verdammt, beschäftigten ihn Haus- und Gartenbau sowie seine Erfindungen nur zeitweise. Er litt an ständigen Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Ein Aufenthalt in der Schweiz sollte Abhilfe schaffen. Doch noch während des Aufenthalts wurden Adenauer und Gussie vom Kriegsausbruch im September 1939 überrascht und mussten im eidgenössischen Olten bleiben, bis eine Rückreise wieder möglich war.

Krieg und Haft

Gussie Adenauer, 1947
Gussie Adenauer, 1947

Während die Söhne zur Wehrmacht eingezogen wurden, kamen die Schwiegertöchter und die ersten Enkelkinder bei Adenauers in Rhöndorf unter. Wie viele Frauen war auch Gussie in Kriegszeiten bemüht, den immer größeren Mangel an Lebensmitteln zu managen. Der inzwischen ertragreiche Nutzgarten ernährte die Familie weitgehend; Gussie und ihre Töchter verarbeiteten alles, was geerntet wurde. Ein Schaf versorgte die Familie mit Milch. Vor Luftangriffen schützte sich die Familie im neben dem Haus gelegenen „Felsenbunker“, der eigentlich ein Weinkeller war.

Am 23. August 1944 wurde Konrad Adenauer verhaftet und in das Internierungslager auf dem Kölner Messegelände gebracht. Mithilfe alter Bekannter gelang ihm die Flucht, er kam in der Pension Nistermühle im Westerwald unter. Nachdem die Flucht bemerkt worden war, wurde auch Gussie Adenauer am 24. September 1944 verhaftet, in der Gestapozentrale in Köln verhört und anschließend nach Brauweiler überführt. Gussies damals sechzehnjährige Tochter Libet unternahm alles, um ihre Mutter dort zu sprechen. Sie beschrieb den Zustand ihrer Mutter später als „entsetzlich“, sie sei „apathisch“ gewesen und „ihre Augen waren tiefdunkel umschattet.“ Man hatte Gussie stundenlang mit Fragen gequält und ihr damit gedroht, ihre Töchter und die hochschwangere Schwiegertochter zu inhaftieren, falls sie das Versteck ihres Mannes nicht verraten würde.

Unter diesem Druck und in der verzweifelten Sorge um die Mädchen verriet Gussie seinen Aufenthaltsort. Doch entgegen der Absprache ließ man sie nicht frei. In völliger Ungewissheit, was nun mit ihrem Mann, aber auch mit ihren Töchtern und ihrer Schwiegertochter passieren würde, erlitt Gussie einen seelischen Zusammenbruch und versuchte, sich das Leben zu nehmen. Am 3. Oktober konnte die Familie die Freilassung der Mutter, am 26. November die Entlassung des Vaters erwirken.

Früher Tod

Todesanzeige von Gussie Adenauer
Todesanzeige von Gussie Adenauer

Von dem physischen und seelischen Leiden sollte Gussie sich auch nach Kriegsende nicht mehr vollständig erholen. In den Folgejahren wurde eine Blutkrankheit diagnostiziert. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends.

Nach Krankenhausaufenthalten in Köln-Hohenlind wurde sie mehrfach im St. Johannes-Hospital in Bonn operiert, doch ohne anhaltenden Erfolg. Die Krankheit der Mutter bestimmte Gemütszustand und Tagesablauf der gesamten Familie. Adenauer machte sich große Sorgen und setzte alle Hebel in Bewegung, um ihr die beste Behandlung zu ermöglichen. Doch nicht einmal die Knochenmarkspende der Töchter Lotte und Libet konnte Gussie heilen.

Gussie verstarb im Beisein ihrer Familie am 3. März 1948 im Hospital. Sie wurde 52 Jahre alt.

Im Beisein des Bundeskanzlers wurde 1963 das Müttererholungsheim in Bendorf in Gussies Andenken als „Gussie-Adenauer-Haus“ eingeweiht.

  •  Werhahn-Adenauer, Libet: Erinnerungen an meinen Vater Konrad Adenauer. Aufgeschrieben von Catharina Aanderud. Überlingen 2018.
  •  Weymar, Paul: Konrad Adenauer. Die autorisierte Biographie. München 1955.
  •  Zinken, Marlene (Hg.): Der unverstellte Blick. Unsere Mütter (aus)gezeichnet durch die Zeit 1938 bis 1958. Töchter erinnern sich, Opladen 2007.

Melanie Eckert