Rhöndorfer Ausgabe Online
An Oberbürgermeister Dr. Heinrich Weitz
, DuisburgStBKAH 07.03
Lieber Herr Weitz!
Haben Sie von Herzen kommenden Dank für Ihren Brief vom 14.10.451. Die daraus sprechende Anteilnahme an meinem Ergehen hat mir sehr wohlgetan. Ob es etwas Gutes war, was mir widerfahren ist, ob etwas Schlechtes, wer kann es sagen? Natürlich ist das plötzliche Stillegen nach angestrengtester Tätigkeit ein starker Eingriff. Meine Frau habe ich krank in Köln im Caritashaus zurücklassen müssen. Ich darf sie dreimal in der Woche im Hospital besuchen, sonst darf ich ja nicht nach Köln. Sie wird am 3.11. nach hier zurückkehren, wird aber noch längre Zeit sorgsamster Behandlung bedürfen.
Im heutigen Deutschland wird sehr viel geredet. Es nimmt mich daher kein Wunder, daß sich [die] Fama auch meiner mysteriösen Angelegenheit bemächtigt hat2. Ich selbst kenne die Gründe nicht. Nachträglich ist das Verbot politischer Betätigung dahin gemildert worden, daß ich mich jeder politischen Betätigung »innerhalb des Regierungsbezirks Köln« zu enthalten habe. Wenn behauptet wird, ich sei ein Freund der de Gaulleschen Pläne, so kann ich nur sagen, daß ich immer gegen Bildung eines Pufferstaates gewesen bin und in alle Zukunft sein werde. Am besten gibt Ihnen über meine Einstellung zur außenpolitischen Lage die Anlage Auskunft. Ich habe sie nach einem Interview mit englischen und amerikanischen Journalisten als den Extrakt meiner Ausführungen niedergeschrieben3.
Richtig ist, daß ich sowohl gegenüber englischen, amerikanischen und dänischen Journalisten ziemlich offen gesprochen habe.
Es wird uns immer sehr freuen, Sie und Ihre Gattin bei uns zu sehen. Alles Gute und recht herzliche Grüße von Haus zu Haus stets
Ihr
Adenauer
Mit diesem Schreiben hatte Weitz »dem niederschmetternden Schmerz« Ausdruck verliehen, »daß Sie, unser allgemein anerkannter kommunaler Führer, ungewollt plötzlich in Ihr Rhöndorfer Tusculum zurückversetzt worden sind.« Von der allgemeinen Bestürzung über die Entlassungen von Adenauer und Oberpräsident Fuchs (denen auch die Entfernung des »Mülheimer Kollegen Hoosmann« hinzuzuzählen sei) habe er »dieser Tage« auch dem Duisburger Kommandanten berichtet, zumal sie »zwei bewährte Anti-Nazis, von denen Sie besonders ein grimmiger Hasser des verfluchten Systems gewesen seien«, getroffen hätten; vgl. Rudolf Morsey, Adenauer und der Nationalsozialismus, S.491.
Hierzu Weitz (unter Anerbietung seiner Dienste als »defensor fidei…, damit ich manchen Leuten über das ungewaschene Maulwerk fahren könnte«): »Es zirkulieren wieder die tollsten Gerüchte, wobei die alte Walze von 1920, wie sie im nationalsozialistischen ›Geschichtsmärchen‹ stand, wieder hervorgeholt wird.« Zu dem damit angesprochenen Separatismusvorwurf vgl. Rudolf Morsey, Adenauer und der Nationalsozialismus, S. 475-479 sowie vor allem die Darstellung von Karl Dietrich Erdmann, Adenauer in der Rheinlandpolitik; vgl. das Schreiben an Wilhelm Rahe vom 27.8.1946.
Vgl. die Anlage zum Schreiben an Heinrich Weitz vom 31.10.1945.