Rhöndorfer Ausgabe Online

4. Mai 1946 (Rhöndorf)

An Peter Gessinger

, Braunschweig

StBKAH 07.10


Sehr geehrter Herr Gessinger1!

Ich erhielt Ihr Schreiben vom 28.4.46 nebst den Anlagen, Herrn Professor Grimm2 betreffend.

Ich bedauere das Schicksal der Familie außerordentlich. Aber ich glaube, nicht in der Lage zu sein, etwas dafür tun zu können. Herr Grimm hat meine Interessen in der allerersten Zeit des nationalsozialistischen Regimes im Jahre 1933 wahrgenommen. Später habe ich gehört, daß er sich völlig in den Dienst der nationalsozialistischen Partei gestellt habe. Ob das der Fall gewesen ist, entzieht sich meiner Beurteilung. Ich hatte ihn und seine Tätigkeit vollkommen aus dem Auge verloren. Infolgedessen bin ich auch nicht in der Lage, irgendeine Erklärung zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten abgeben zu können. Im allgemeinen ist es übrigens so, daß Interventionen von privater Seite sehr wenig Erfolg haben. Aber vielleicht haben Sie unter Hinweis auf die großen Dienste, die Ihnen Herr Professor Grimm erwiesen hat, Erfolg. Ihren Herrn Vater habe ich gut gekannt. Es hat mir leid getan, aus dem Urteil zu ersehen, daß es ihm später schlecht gegangen hat.

Mit hochachtungsvollem Gruß
Ihr

 


  1. ^

    Zu Peter Gessinger (geb. 1898) lagen dem Bearbeiter lediglich dessen Angaben zur eigenen Person vor, unter anderem zur Inhaftierung und Strafverfolgung durch nationalsozialistische Stellen und zur Verteidigung durch Friedrich Grimm.

  2. ^

    Hinweise auf das Nachkriegsschicksal Grimms finden sich bei Armin Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, Darmstadt 21972, S. 430f.; vgl. hierzu vor allem die in dieser Edition berücksichtigten späteren Aussagen Adenauers im Schreiben an Thea Grimm vom 26.5.1946 sowie die Bescheinigung für Friedrich Grimm vom 30.12.1948.