Rhöndorfer Ausgabe Online
An Mitglieder des Landesvorstands der CDU Rheinland
StBKAH 08.54, Verteiler: »An Herrn Albers, Köln; Fräulein Teusch, Köln; Fräulein Franken, Düsseldorf; Baron von Gumppenberg, Düsseldorf; Herrn Arnold, Düsseldorf; Herrn Strunk, Essen; Herrn Rott, Bonn«; ohne Anrede und Schlussformel. Druck: Rudolf Morsey; Vom Kommunalpolitiker zum Kanzler, S. 79-811; Konrad Adenauer. Seine Zeit – sein Werk, S. 135 f. (hier auch als Abb.19 Faksimile eines Durchschlags aus HAStK Best. 1193/o.Nr.); Teildruck: Leo Schwering, Frühgeschichte, S. 172.
1.) Der Gedanke, dem Vorsitzenden des Zonenausschusses auch eine einflußreiche Stellung in der Landesparteiorganisation seiner Heimatprovinz zu geben, ist richtig.
2.) Die Verbindung der Stellung des Vorsitzes des Zonenausschusses mit dem Vorsitz der Partei der Provinz übersteigt höchstwahrscheinlich die Kräfte auch eines in den besten Jahren stehenden Mannes.
3.) In der Parteiorganisation der Nordrheinprovinz ist sehr viel Arbeit rückständig.
4.) Ich verstehe wenig vom Aufbau der Organisation.
5.) Ich bin siebzig Jahre alt. Mit siebzig Jahren muß man, auch wenn man rüstig ist, mit seinen Kräften haushalten.
6.) Es ist ökonomischer, meine Kräfte einzusetzen und zu reservieren für die großen Aufgaben, die z. Zt. und in der nächsten Zukunft zu lösen sind, z. B.
a) Einigung mit dem Zentrum,
b) Herstellung einer engen Verbindung mit der Union in Bayern und der französischen Zone – die Parteien werden in der französischen Zone in der nächsten Zeit gestattet –,
c) staatliche Ordnung in der britischen und anderen Zonen, außenpolitische Fragen,
d) Presse,
e) Wirtschaftliche Zukunft.
7.) Ich komme daher auf meinen Vorschlag zurück: [Vorsitz im] Zonenausschuß und Vorsitz in dem Gremium, das als Ausschuß des großen Vorstandes zur engen Mitarbeit mit dem engeren Vorstand geschaffen wird.
8.) Wenn dieser Vorschlag keine Zustimmung findet und wenn man darauf besteht, daß ich auch den Vorsitz in der Landespartei übernehmen soll, so kann ich das nur dann tun, wenn ich für die großen und entscheidenden Fragen sowohl des Zonenausschusses wie der Landespartei wirklich frei bin. Das setzt voraus, daß unter mir in der Landespartei ein Mann arbeitet, der die dazu nötigen Eigenschaften hat, mein volles Vertrauen besitzt und der seine ganze Kraft zur Verfügung stellt. Eine Eingliederung in die Parteihierarchie brauchte nicht zu erfolgen, wenigstens zunächst nicht, er könnte als mein Bevollmächtigter handeln.
9.) Nach gründlicher Überlegung kann ich als geeignet hierfür nur Dr. Ernst Schwering bezeichnen. Wenn es absolut notwendig erscheint, daß er in der Verwaltung der Stadt Köln bleibt – je nachdem die Neuordnung der Verwaltung der Stadt Köln erfolgt, kann man ihm das weder zumuten, noch würden es unsere Wähler verstehen, wenn er unter bestimmten Umständen bliebe –, so kann man ihn vielleicht dadurch entlasten für eine gewisse Zeit, daß man die Personalien unter ihm einem anderen (Rings ?)2 überträgt. Soviel ich weiß, ist die SPD unter den gehobenen Stellungen in einem ihre Stärke übersteigenden zahlenmäßigen Ausmaß vertreten.
Die bei Herrn Ernst Schwering in der letzten Zeit hervorgetretene Neigung zur sarkastischen Kritik wird abflauen.
10) Jedenfalls werde ich mich nicht zur Übernahme des Vorsitzes im Zonenausschuß und des Vorsitzes in der Landespartei bereit finden auf Grund einer allgemeinen Erklärung, man werde die Landespartei so besetzen, daß meine Bedingung zu 8) erfüllt werden würde. – Ich wenigstens kenne keinen Mann, der in Köln wohnt, die unumgänglich notwendigen Voraussetzungen erfüllt und noch nicht parteimäßig an einer sehr wichtigen Stelle schon völlig eingesetzt ist.
11.) Eine Gliederung der Parteiorganisation nach Regierungsbezirken bzw. im Regierungsbezirk Düsseldorf nach den beiden Hälften des Regierungsbezirkes erscheint notwendig.
12.) Der Aufbau der Partei ist zur Zeit die vordringlichste aller Forderungen.
13.) Nach den Wahlen, die sicher im Jahre 1946 sein werden, kann eine Neuordnung aller Fragen lokaler und überörtlicher Natur erfolgen.
Morsey bewertet diese »13 Punkte-Erklärung« als das – nach dem Scharnagl- – Schreiben vom 21.8.1945 – »zweite Schlüsseldokument des kommenden Parteiführers« (S. 44), Schwering als »ein frühes klassisches Dokument seiner politischen Eigenart« (S. 171f.). Beide heben besonders hervor, dassß sich unter den Adressaten »vier ehemalige christliche Gewerkschaftler befinden« (Schwering, S.172) und dass dies »Rückschlüsse auf die Zusammensetzung seiner Anhängerschaft zu [lässt], mit deren Hilfe Adenauer der Beginn seines parteipolitischen Aufstiegs gelang« (Morsey, S. 44). Zur hieran anknüpfenden wissenschaftlichen Diskussion vgl. Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 61f.; Detlev Hüwel, Karl Arnold., S. 68f. und Rudolf Uertz, Christentum., S. 72.
An den »Anfang meiner parteipolitischen Laufbahn« hat auch Adenauer selbst die Kontaktaufnahme mit diesem Personenkreis gestellt; vgl. die Ansprache Adenauers am 13.1.1951 vor dem erweiterten Vorstand des CDU-Landesverbands Rheinland (Adenauer-Reden, S.201).
Die ersten »Etappen« der daran nunmehr anknüpfenden »Blitzkarriere« Adenauers (Rudolf Morsey, Der politische Aufstieg., S. 48): Seine Wahl zum Sprecher der rheinischen Mitglieder des CDU-Zonenausschusses am 8.1.1946 in Düsseldorf und – am 21.1.1946 ebenfalls dort – die erneute Wahl in den Landesvorstand.
Von enger Verbindung über zeitgeschichtliche Zäsuren hinweg zeugen – als erste Belege einer regelmäßigen Nachkriegskorrespondenz – zwei in StBKAH 07.03 erhaltene Schreiben von Rings an Adenauer vom 5.11. und 20.11.1945; hierin erwähnte Adenauer-Briefe vom 18.10. und 15.11.1945 konnten nicht nachgewiesen werden.