Hanns Jürgen Küsters
Schon in den 1920er Jahren unterhielt Adenauer enge Kontakte zu jüdischen Mitbürgern und war Mitglied des Pro-Palästina-Komitees. Nach dem Holocaust sah Adenauer die moralische und finanzielle Wiedergutmachung an dem jüdischen Volk, die letztlich nur symbolischen Charakter haben konnte, als Verpflichtung der Deutschen und als ein Teil des rechtsstaatlichen Wiederaufbaus in Deutschland an. Deshalb setzte er sich für Wiedergutmachungsleistungen und Unterstützung beim Aufbau Israels ein.
Als Kölner Oberbürgermeister stand Adenauer mit vielen jüdischen Mitbürgern in enger Beziehung. Zu den bekanntesten Namen gehörten Louis Hagen, der langjährige Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln, der Justizrat Bernhard Falk, Paul Silverberg, der in der rheinischen Braunkohleindustrie tätig war und später Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der deutschen Industrie wurde, 1934 in die Schweiz immigrierte und mit dem Adenauer weiterhin Kontakt hielt, sowie Dannie Heineman, ein amerikanischer Jude deutscher Abstammung, der für die Societé Financière de Transports et d'Entreprises Industrielles (SOFINA) arbeitete und in Verbindung zu Peter Klöckner, Hugo Stinnes und August Thyssen stand. Heineman war es, der Adenauer in den schweren Zeiten der 1930er Jahre Geld zukommen ließ, als die Pensionsregelung mit der Stadt Köln noch nicht geregelt war.
Adenauer unterstützte in den 1920er Jahren den Gedanken eines Staates für das jüdische Volk nicht zuletzt durch seine Mitgliedschaft im Pro-Palästina-Komitee. Von den Nationalsozialisten wurde Adenauer wegen seiner Haltung den jüdischen Bürgern gegenüber angegriffen und verhöhnt.
Wenige Wochen nach seinem Regierungsantritt bemühte sich Adenauer um Kontakte zu jüdischen Vertretern, weil er die moralische und finanzielle Wiedergutmachung, die letztlich nur symbolischen Charakter haben konnte, als Verpflichtung der Deutschen und als Teil des rechtsstaatlichen Wiederaufbaus in Deutschland ansah. Sein Interview mit dem Herausgeber der "Allgemeinen - Wochenzeitung der Juden in Deutschland" im November 1949 war der Beginn einer nur allmählich und mühsamen zustande kommenden Beziehung zwischen der Bundesregierung und Vertretern des Staates Israel. Sie mündeten dann in offizielle Verhandlungen.
Adenauer hatte am 6. Dezember 1951 in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Präsidiums der Conference on Jewish Material Claims against Germany, Nahum Goldman, die Bereitschaft der Bundesregierung zur Aufnahme von Verhandlungen mit Vertretern des jüdischen Volkes und des Staates Israel zum Ausdruck gebracht. Als Grundlage der Besprechungen sollten jene Forderungen dienen, die die israelische Regierung in einer an die vier Besatzungsmächte in Deutschland gerichteten Note vom 12. März 1951 gestellt hatte. Israel forderte als Kosten für die Eingliederung von 500 000 Flüchtlingen deutsche Zahlungen im Werte von 1,5 Mrd. Dollar. Die Bundesrepublik Deutschland sollte Zweidrittel dieses Betrages aufbringen. Der Anspruch Israels wurde durch die Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes gegen die Juden begründet.
Die Delegationen beider Seiten unter Vorsitz von Prof. Böhm bzw. Botschafter Shinnar und Dr. Josephthal einigten sich bei den vom 20. März bis 23. August 1952 in Den Haag stattfindenden Verhandlungen auf einen Betrag von 3 450 Mio. DM für die Eingliederungskosten der jüdischen Flüchtlinge. Am 10. September 1952 unterzeichneten Bundeskanzler Adenauer und der israelische Außenminister Moshe Sharett in Luxemburg ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel über Wiedergutmachungsleistungen. Darin verpflichtete sich die Bundesrepublik, innerhalb von 12 bis 14 Jahren dem Staate Israel einen Betrag von 3 Mrd. DM zu zahlen. Darüber hinaus sollten 450 Mio. DM zugunsten der Claims Conference zur Unterstützung, Eingliederung und Ansiedlung außerhalb Israels lebender jüdischer Flüchtlinge dienen. Das am 18. März 1953 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen trat am 27. März 1953 in Kraft.
Ähnliche Verträge über Wiedergutmachungsleistungen zugunsten der Opfer des Nationalsozialismus wurden mit den Regierungen zwölf europäischer Staaten geschlossen, und zwar im Jahre 1959 mit Luxemburg (11. Juli), Norwegen (7. August) und Dänemark (24. August), im Jahre 1960 mit Griechenland (18. März), den Niederlanden (8. April), Frankreich (15. Juli) und Belgien (28. September), im Jahre 1961 mit Italien (2. Juni), der Schweiz (29. Juni) und Österreich (27. November), im Jahre 1964 mit Großbritannien (9. Juni) und Schweden (3. August) sowie im Jahre 1969 mit der Tschechoslowakei (30. Oktober).
Aus Anlass des am 11. März 1961 in Jerusalem beginnenden Eichmann-Prozesses unterstrich Adenauer in einer Fernseherklärung den Wunsch der Bundesregierung, dass in diesem Prozess die volle Wahrheit über die Gräueltaten der Nationalsozialisten ans Licht komme und Gerechtigkeit geübt werde. Im deutschen Volkskörper, im moralischen Leben des deutschen Volkes gebe es heute keinen Nationalsozialismus mehr, kein national-sozialistisches Empfinden. Die Bundesrepublik sei ein Rechtsstaat geworden. Ben Gurion unterstrich seinerseits "das Interesse seines Landes an einem freundschaftlichen Verhältnis zu dem neuen Deutschland" und dankte Adenauer für seine Stellungnahme vor Beginn der Verhandlungen gegen den früheren SS-Obergruppenführer Adolf Eichmann, der nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren am 15. Dezember 1961 zum Tode verurteilt und am 31. Mai 1962 hingerichtet wurde. Er hatte in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher für die Ausführung der "Endlösung der Judenfrage" entscheidend dazu beigetragen, dass unzählige im deutschen Machtbereich lebende Juden ermordet wurden.
Zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen kam es jedoch erst nach dem Besuch Ulbrichts in Ägypten, als Bundeskanzler Erhard im März 1965 auf Anraten Barzels Israel die Aufnahme der Beziehungen anbot.
Nachdem am 29. März 1966 das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen erfüllt war, reiste Adenauer wenige Monate nach seinem 90. Geburtstag im Mai 1966 nach Israel und besuchte Ben Gurion in seinem Privathaus.
UFA-Wochenschau 511/1966, 10.05.1966, Quelle: Bundesarchiv, Bestand Film: F 001711
Das Luxemburger Abkommen über Entschädigungsleistungen Deutschlands für die Ermordung der Juden war der erste Schritt auf dem langen Weg zu einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen.