Kalter Krieg

Hanns Jürgen Küsters

Adenauer sah in dem Kalten Krieg einen Machtkampf zwischen der Sowjetunion und den freien Völkern des Westens. Seine Strategie beruhte auf einer bewussten Konfrontations­politik, um so die Existenz der Bundesrepublik und den Zusammenhalt des westlichen Lagers zu sichern. Ausgangspunkt war die Forderung an die Sowjetunion nach Verzicht auf Expansion und Aufgabe ihrer ideologischen Welt­herrschaftspläne. Für ihn war der innere Zerfall des Sowjetimperiums nur eine Frage des Wann, nicht des Ob.

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Ursachen

Finsteres CDU-Wahlplakat mit dem Slogan "Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau. Darum CDU".
CDU-Wahlplakat zur Bundestagswahl 1953

Adenauer begriff den Kalten Krieg als Machtkampf zwischen der Sowjetunion und den freien Völkern des Westens. Ausgangspunkt waren seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Machtzuwachs der Vereinigten Staaten von Amerika, der Macht­verlust Preußens und Deutsch­lands und der Niedergang des britischen Empires und Frankreichs, die zu erheblichen Machtverschiebungen unter den Großmächten führten. Der Zweite Weltkrieg zerstörte das Gleich­gewicht Europas und ermöglichte der Sowjetunion als Folge der Eroberungen die Ausdehnung ihres Einfluss­gebietes bis nach Mittel­deutsch­land. Durch gesteuerte Revo­lutionen ergriffen die Kommunisten in den ost­euro­päischen Staaten die Macht, vernichteten deren Souveränität und er­reichten weiteren Machtzuwachs ohne Kampf­einsatz eines einzigen Soldaten.
 

Eine zweite Ursache für den Kalten Krieg sah Adenauer in den unterschiedlichen ideologischen Auffassungen zwischen gleich starken Gegnern. Drei Triebkräften sowjetischer Poli­tik gab er die Schuld: dem durch Panslawismus, Marxismus und die Revolution von 1917 fundierten Expansionsdrang, dem Bolschewismus, der in russischer Spielart eine Mi­schung aus Kommunismus und Nationalismus darstellte, und der fast psychopathischen Angst der sowjetischen Führer vor Ein­kreisung von Seiten der kapitalistischen Staaten.


Eine weitere Konfliktquelle bildeten aus Adenauers Sicht die sich rasch ändernden militärischen Kräfteverhältnisse in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Westmächte begingen in ihrer Gutgläubigkeit einige katastrophale Fehler, die zur Eska­lation des Kalten Krieges beitrugen. Während die westli­chen Länder zwischen 1945 und 1950 abrüsteten, blieb die Sowjetunion stark bewaffnet und machte von ihrer militäri­schen Überlegenheit rücksichtslos Gebrauch. Mit ihrer Abrü­stung hatten die Westmächte Stalin geradezu eingeladen, sich die Satellitenstaaten anzugliedern. Die Vereinigten Staaten begnügten sich wegen des alleinigen Besitzes von Nuklear­waffen mit der wirtschaftlichen Unterstützung Europas. Sie verkannten, dass ihre Überlegenheit nur von begrenzter Dau­er sein konnte, und unterschätzten die sowjetische Überle­genheit bei konventionellen Waffen. Schon mit Gründung der NATO 1949 hatte sich die Intensität des Kalten Krieges verschärft. Doch erst nach dem Ausbruch des Korea-Krieges 1950 fand in Adenauers Augen bei den Amerikanern ein wirklicher Umdenkungsprozess statt. Die Kämpfe in Indochina, Umsturzversuche auf den Philippinen, Indonesien, Siam, Burma, der Dschungel­krieg in Malaysia und Machtkämpfe in Persien gaben den Kommunisten Auftrieb.

Absichten der Sowjetunion

Adenauer war überzeugt, letzten Endes wolle die Sowjetunion durch den Kalten Krieg die westlichen Demokratien liquidie­ren, militärische und wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber den Vereinigten Staaten und Rot-China erlangen und ihre Hegemonie über ganz Europa und weltweit festigen. Gegenüber der Bundesrepublik verfolgte die Sowjetunion aus Ade­nauers Sicht eine Doppelstrategie: nämlich das Fernziel, die Bundesrepublik in den sowjetischen Machtbereich einzube­ziehen, und das Nahziel, mit allen Mitteln zu verhindern, dass ihr kriegsrelevantes Potenzial gegen die Sowjetunion eingesetzt wird. Das könne sie auf dreierlei Weise verhin­dern: Zum einen durch plötzlichen Überfall und Vernichtung der Bundesrepublik. Adenauer glaubte, die Sowjets würden jedoch nur im äußersten Fall zu diesem Mittel greifen, weil auch sie Geduld hätten und die fundamentale Zerstörung ihren eigentlichen deutsch­land­politischen Zielen widerspräche. Zum anderen, indem sie ihren politischen Druck auf die Bundesrepublik verstärkten, entweder über die Führung der DDR oder durch Neutralisie­rung Deutsch­lands, was ihr in kurzer Zeit dominierenden Einfluss bescheren wür­de. Der Satellitengürtel diente folglich nicht dem eigenen Schutz, sondern als Operationsgebiet gegen die Bundesrepublik. Bei einer Neutralisierung wäre der europäi­sche Einigungsgedanke erledigt. Als dritte Option kam die Unterminierung der Bundesrepublik mit Hilfe der fünf­ten Kolonne in Betracht.

Strategische Überlegungen

Adenauers Strategie richtete sich auf drei Ziele: Zualler­erst ging es ihm darum, durch Eindämmung sowjeti­scher Expansionsbestrebungen die Existenz Deutsch­lands zu sichern. Zweitens galt es, in der ideologischen Auseinander­setzung die in der Bundesrepublik neu etablierte westlich-parlamentarische Demokratie zu erhalten. Dialektischer Ma­terialismus und Kommunismus waren für Adenauer gleich­bedeutend mit Unterdrückung und Gewaltherrschaft einer kleinen Schicht. Sein Widerstand gegen den Kommunismus entsprang der Kampf­­ansage des Materialismus an die christli­che Lehre des Abendlandes und seinem republikanischen Demokratieverständnis. Drittens arbeitete Adenauer gemeinsam mit den Westmächten daran, die kommunistischen Herrscher entweder friedlich in einem gewaltlosen Akt zur Änderung ihres Handelns zu bewegen oder durch Förderung des Um­sturzes sie zu entmachten und einen Systemwechsel herbei­zuführen. Dabei war ihm außer Gewalteinsatz jedes andere politische Mittel bis hin zu Embargo- und Propagandamaß­nahmen recht, wenn sie sich als tauglich erwiesen.

Konterstrategie

Adenauer verfolgte eine Konterstrategie mit drei Zielen: Erstens durchkreuzte er mit der Westintegrationspolitik die sowjetische Europastrategie, den politischen und mi­litärischen Schwe­bezustand Deutsch­lands aufrecht zu erhal­ten und den europäischen Einigungsprozess zu verhindern. Zweitens erhielt die Bundesrepublik durch die Westbindung eine gewisse Garantie, dass ihr Industriepotenzial nicht der Sowjetunion anheim fiel. Denn die Sowjets hintertrieben den deutschen Verteidigungsbeitrag nicht aus wirklicher Angst vor den Deutschen. Vielmehr wollten sie sich die Möglichkeit offenhalten, die Bundesrepublik in die eigene Einflußsphäre einzubeziehen. Darin sah Adenauer den wahren Grund für ihre Forderung nach Neutralisierung Deutsch­lands. Drittens wollte Adenauer durch Zusammenschluss der Verteidigungskräfte Westeuropas und der Vereinigten Staaten das sowjetische Expansionsstreben aufhalten. Es werde dann nämlich gefährlich, einen Krieg mit den USA anzuzetteln. Je stärker das westliche Bündnis militärisch war, desto besser die Eindämmung.

Politik der Stärke

Vehement widersprach er der Behaup­tung, Westintegration und militärische Stärke des Westens provozierten die Sowjetunion, zum heißen Krieg überzugehen. Neben der Eindämmungspolitik spielte die Politik der De­moralisierung und die Erwartung des inneren Zerfalls der Sowjetunion eine zentrale Rolle ­in Adenauers strategischen Überlegungen. Jeder Schritt zur Einigung Westeuropas be­deute eine weitere verlorene Hoffnung auf die sowjetische Weltherrschaft. Die wirksamste Waffe blieb jedoch die Politik westlicher Stärke. Für Adenauer bedeutete sie nicht allein militärische Aufrüstung, sondern manifestierte sich zuallererst „in der Einigkeit des Westens" und folglich in der Ausschaltung der Möglichkeit der Sowjetunion, sich einen Staat nach dem anderen einzuverleiben.

Das Ende des Kalten Krieges

Seit Herbst 1952 vertrat Adenauer die These von der gescheiterten Expansion als Voraussetzung sowjetischer Verhandlungsbereitschaft. Totalitäre Staaten modifizieren ihr Verhalten nur, wenn sie davon überzeugt sind, dass der Geg­ner mit subversiven und revolutionären Methoden nicht zu besiegen und eine Ausdehnung nach Westen nicht zu realisie­ren ist. Erst dann zeigen sie sich verhandlungsbereit.

Den richtigen Zeitpunkt hielt er für gekommen, wenn die Sowjets erkennen, dass ihre Strategie fehlgeschlagen ist, ein Umden­kungsprozess einsetzt und sie aus eigenem Interesse ihre Politik ändern. Diese Situation würde eintreten, sobald sie sich von ihrer Methode der Bedrohung und des Kalten Krie­ges gegenüber dem gestärkten Europa keine Vorteile mehr versprechen, die Entwicklung in Rot-China als bedrohlich empfinden und den Rücken in Richtung Europa frei haben wollten.

Einen zweiten Ausgangspunkt für einen Interessenausgleich sah Ade­nauer in den Unzulänglichkeiten der sowjetischen Wirtschaft. Der Zeitpunkt hierfür wäre gekommen, wenn es sich auf Dauer ohne Erfolgsaussicht nicht lohne, Investition von Menschen- und Kapitalkraft ausschließlich für Rüstungszwecke ein­zusetzen und die Verständigung mit dem Westen über eine kontrollierte Abrüstung dann klüger sei.

Ein dritter Grund wären die zunehmenden wirtschaftliche Schwie­rigkeiten im Inneren. Über kurz oder lang werde die Bevölkerung nicht unbegrenzt den niedrigen Le­bensstandard akzeptieren und sei über 10, 20 oder 30 Jahre hinweg nicht bereit, Konsumverzicht zugunsten der unge­hemmten Rüstungsausgaben zu leisten.

Zusammenbruch des Sowjetkommunismus

Die Welt­eroberungspläne würden über die sowjetischen Kräfte gehen und die Führung unweigerlich mit einem erheblichen Zielkonflikt konfrontieren, weil sie nicht gleichzeitig den niedrigen sozialen Lebensstandard der Bevölkerung heben, aufrüsten und die nach Freiheit strebenden Satellitenstaaten unterjochen könne. Durch kohärente Bündnispolitik sollten die westlichen Mächte den Kremlherr­schern ihre Grenzen aufzeigen und sie zur Räson bringen.­ Durch diese Position westlicher Stärke werde eines Tages der Moment kommen, mit den Sowjets ernsthaft über die Wiedervereinigung Deutschlands in gesamteuropäischer Sicht verhandeln zu können.

Verständigung

Im Falle der Verständigung war Adenauer bereit, politisches Entgegenkommen der Sowjets mit wirtschaftlicher Hilfe - Maschinen und Darlehen - zu honorieren, wenn sich dafür Sicherheit, Frieden, Freiheit und letzten Endes die Wiederherstellung der Einheit Deutsch­lands und Europas einhandeln ließe.


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