Rhöndorfer Ausgabe Online
Aktennotiz über Besprechung mit Dr. Carl Spiecker
, EssenStBKAH 08.68
Vgl. hierzu die Notiz über ein Telefongespräch mit Wilhelm Hamacher [18.3.1946] sowie das Schreiben an Carl Spiecker vom 6.4.1946
Am 14.3.46 hatte ich in Köln-Marienburg, Rondorferstr. 7, eine Besprechung mit Herrn Spiecker aus Essen. Herr Spiecker sagte mir, daß vor einigen Tagen der Vorstand für die Zentrumspartei gewählt worden sei, er sei Mitglied desselben. In Zukunft müßten alle wesentlichen politischen Verlautbarungen der Zentrumspartei diesem Vorstand zur Genehmigung vorgelegt werden. Nach Auffassung der maßgebenden Stellen der Zentrumspartei, insbesondere auch des Vorstandes, sei an der CDU im Wesentlichen folgendes auszusetzen:
Die CDU baue ihr Programm auf den Grundsätzen des Christentums und der christlichen Ethik auf. Das sei eine Beschränkung, die das Zentrum nicht wolle. Das Zentrum sei der Auffassung, daß man dadurch eine Barriere aufrichte für diejenigen, die nicht auf dem Boden des Christentums stünden, wohl aber die gleichen politischen Ziele verfolgten wie das Zentrum. Das Zentrum sei eben eine politische Partei, die darauf ausgehen müsse, eine Mehrheit zu erreichen, um dann gestützt auf diese Mehrheit ihre politischen Forderungen im Parlament durchzusetzen. Das Zentrum stütze daher seine programmatischen Forderungen nicht auf die Grundsätze der christlichen Ethik oder die christliche Weltanschauung, sondern auf das Naturrecht. Das genüge vollkommen. Ich erwiderte ihm, daß ich mit Herrn Dr. Hamacher, dem Vorsitzenden der Zentrumspartei wiederholte Aussprachen gehabt habe, daß Herr Dr. Hamacher in diesen Aussprachen einen völlig anderen Standpunkt, als den jetzt von Herrn Spiecker dargelegten, vertreten habe. Er habe zum Ausdruck gebracht, daß es keinen Zweck habe, den Versuch zu machen, mit den evangelischen Volkskreisen in einer Partei zusammenzugehen. Ihm sei die CDU nicht katholisch genug gewesen. Herr Spiecker erwiderte mir darauf, er glaube mir, daß Hamacher so gesprochen habe, Herr Hamacher habe seine frühere alte Einstellung noch nicht völlig überwunden und er spreche deswegen je nach seiner Umgebung bald so, bald so. Dabei sei ihm das, was er sage, jedesmal ehrlich gemeint. Ich könne mich aber darauf verlassen, daß Herr Hamacher die von ihm (Spiecker) gemachten Ausführungen sich völlig zu eigen gemacht habe. Ich sagte Herrn Spiecker, daß ich voraussichtlich am 19.3. wieder eine Besprechung mit Herrn Dr. Hamacher im Hause des Stadtdechanten Grosche in Köln und unter Zuziehung des Superintendenten Encke, Köln, haben werde. Herr Hamacher wolle zu dieser Besprechung 2 bis 3 Parteifreunde mitbringen. Ich würde es für richtig halten, wenn Herr Spiecker an dieser Besprechung teilnähme, damit man doch einmal klar sehe, was denn nun das Zentrum an uns auszusetzen habe. Herr Spiecker erklärte, er sei durchaus bereit, an dieser Besprechung teilzunehmen, falls er von Dr. Hamacher dazu aufgefordert werde. Ich übernahm es, dies Herrn Hamacher mitzuteilen, habe Herrn Stadtdechanten Grosche entsprechend verständigen lassen und ihn gebeten, bei seiner Einladung an Hamacher daraufhinzuwirken, daß Hamacher Herrn Spiecker mitbringt.
Herr Spiecker sagte zum Schluß noch folgendes:
Es sei sehr schade, daß man den ursprünglichen Namen »Christlich-Demokratische Partei« in »Christlich-Demokratische Union« umgewandelt habe. Wenn das noch nicht geschehen sei, so würde ein Zusammenschluß mit dem Zentrum zu einer »Demokratischen Union« das Gegebene sein. Er sagte weiter noch, daß das Zentrum diejenige Mittelpartei sein werde, die den linken Teil der CDU und den rechten Teil der SPD einmal in sich aufnehmen werde.
(Adenauer)