Rhöndorfer Ausgabe Online
An Rechtsanwalt Dr. Otto Schmidt
, Wuppertal-BarmenOriginal in LAV NRW R, RWV 0119/1
Sehr geehrter Herr Schmidt1!
Ihre beiden Schreiben vom 16. Februar 46 fand ich nach meiner Rückkehr aus Köln gestern hier vor2. Ich bemerke zunächst, daß ich den Entwurf einer Eingabe für Bünde, den Sie mir nach Ihrem Schreiben vom 7.2. sandten, bisher nicht erhalten habe. Aus Ihrem Schreiben vom 16.2. und Ihrem ausführlichen Bericht über die Verhandlung in Bünde ersehe ich zu meiner Freude, daß Sie ganz im Geiste unserer Gedanken in Bünde sehr gut operiert haben.
Der Zonenausschuß tritt am Dienstag, den 26.2. in Neheim-Hüsten, Reg. Bez. Arnsberg, Carolinenkrankenhaus zusammen. Wenn die Reise für Sie nicht zu schwierig ist und wenn Sie es mit Ihrer Zeit schaffen können, so wäre Ihre Anwesenheit wenigstens an einem Tage, zu einem Referat über die Frage des Wahlsystems, sehr erwünscht. Wenn es aber wegen Ihrer sonstigen Arbeit nicht geht, so hoffe ich, daß wir uns auch aufgrund Ihres ausführlichen Berichts zurechtfinden werden.
Was Ihren Brief wegen des Herrn Melcher angeht, so habe ich daraufhin Herrn Melcher gebeten, jede weitere Tätigkeit einzustellen. Ich weiß nicht, wer Herrn Melcher Herrn Dr. Leo Schwering empfohlen hatte. Herr Schwering sagte mir selbst, daß Herr Melcher ganz ungeeignet sei. Nun kommt noch hinzu, daß er in Düsseldorf und nicht Köln ist, also jeder Anweisung und Kontrolle ziemlich entzogen ist. Wir brauchen aber unbedingt einen Herrn evangelischer Konfession, der geeignet ist, die Verbindung zwischen der Leitung der Partei der Rheinprovinz und den evangelischen Kreisen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern auch zu vertiefen. Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir einige Vorschläge machen könnten. Ich werde mich auch an Herrn Superintendent Encke in Köln wenden und ihn um das Gleiche bitten.
Den Arbeitsausschuß habe ich auf Mittwoch, den 6. März, nach Köln eingeladen. Die Einladung an Sie wird inzwischen eingetroffen sein. Ich wollte Bericht erstatten über die Verhandlungen des Zonenausschusses und über die Lage, wie ich sie in Köln angetroffen habe. Herr Dr. Leo Schwering, der von den Vorgängen in Krefeld-Uerdingen völlig überrascht gewesen zu sein scheint, hatte mir zunächst geschrieben, daß er die auf ihn gefallenen Wahlen in den Arbeitsausschuß ablehnt. Ich habe daraufhin mit ihm gesprochen, und er hat die Ablehnung zurückgezogen, sich auch bereit erklärt, rednerisch tätig zu sein. Ich werde in der Sitzung des Arbeitsausschusses des lieben Friedens halber über die Verhältnisse, die ich angetroffen habe, nur kurz referieren. Ich möchte Ihnen aber vertraulich sagen, daß ich über den Zustand geradezu erschüttert bin. Es genügt wohl, wenn ich Ihnen sage, daß die ganzen Räume der Leitung der Rheinprovinz aus einem 14 qm großen Schlafzimmer des Generalsekretärs Dr. Zimmermann3 bestanden. In diesem Raum sollten 7 Personen arbeiten. Allein die Raumfrage hat eine wirkliche Arbeit aufs Äußerste erschwert, wenn nicht ganz unmöglich gemacht. Erst sehr spät hat die frühere Leitung sich um Räume bemüht und diese dann auch im Dezember zugewiesen erhalten. Es war aber bisher sehr wenig an der Instandsetzung geschehen, und der die Arbeiten leitende Unternehmer erklärte mir, es sei so wenig geschehen, weil sie ohne Anweisung geblieben seien und sich niemand um die Dinge gekümmert habe. Man hat mir versprochen, die Räume bis Anfang März fertig zu stellen. Ob das möglich ist, erscheint mir zweifelhaft. Aber auch diese Räume werden viel zu gering sein. Ich habe deswegen beim Oberbürgermeister der Stadt Köln den Antrag auf Zuweisung neuer Räume gestellt. Ich fand ebenfalls keinen Plan vor für die Organisation der gesamten Verwaltung. Auch das ist jetzt in Ordnung gebracht. Die Herren Dr. Zimmermann und Dr. Schreiber fühlten sich bisher sehr gedrückt und scheinen glücklich zu sein, über die durch den Organisationsplan ihnen zugewiesene fest umrissene Tätigkeit. Ich werde sie natürlich innerhalb ihres Arbeitsbereichs möglichst frei arbeiten lassen.
Es wird Sie und die dortigen Herren dann noch folgendes interessieren: Baron von Gumppenberg ist aus der Geschäftsführung des Zonenausschusses ausgetreten, weil er nicht gleichzeitig Beamter sein durfte und er auf seine Stellung beim Oberpräsidium nicht glaubte verzichten zu können. Es ist mir gelungen, als Ersatz Dr. Löns in Köln zu bekommen. Dr. Löns ist Volljurist, ein Mann von Mitte 30 und seit etwa 10 Monaten mir durch seine Tätigkeit in der Verwaltung der Stadt Köln genauer bekannt. Ich glaube, daß er eine ausgezeichnete Kraft ist. Da der Zonenausschuß noch keine festen Formen angenommen, insbesondere auch noch keine Finanzbasis hat, werde ich als Vorsitzender der Landespartei einen Vertrag mit Dr. Löns auf ein Jahr schließen. Die Landespartei stellt ihn dann – soweit nötig – dem Zonenausschuß zur Verfügung. In der Hauptsache wird Herr Dr. Löns für die Landespartei tätig sein müssen und können.
Ich habe noch eine Bitte an Sie: Bitte, teilen Sie der Landespartei Rheinprovinz, Kolpinghaus, Redner mit für evangelische Kreise. Bemerken Sie bitte gleichzeitig, wer von den betreffenden Herren für Reden in katholischen Gegenden geeignet ist. Wir lassen eine Rednerliste für die Landespartei anlegen, um für die kommenden Wahlen Redner zur Verfügung zu haben.
Ich hoffe, daß Sie sich von Ihrem Unwohlsein wieder ganz erholt haben und bin mit verbindlichen Grüßen
Ihr ergebener
Adenauer
P.S. Auf die Änderung in der Aufführung der Namen des Vorstandes habe ich gar nicht geachtet. Ich stimme aber vollkommen Ihnen darin bei, daß es unzulässig wäre, eine solche Änderung eigenmächtig vorzunehmen. Ich werde feststellen, wer sie veranlaßt hat. Ich teile vollkommen Ihre Auffassung vom Geiste gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger restloser Offenheit. Ohne Vertrauen und Offenheit ist ja jede Zusammenarbeit unmöglich. Sie dürfen versichert sein, daß ich jederzeit sehr offen und rückhaltlos mich aussprechen werde.
Nachdem ich diesen Brief diktiert hatte, erhalte ich heute den Entwurf Ihrer Eingabe für Bünde vom 7.2.46. Der Brief war von der Zensur geöffnet worden und dadurch liegen geblieben. Ich habe die Eingabe entsprechend Ihren neueren Vorschlägen geändert, indem ich Ziffer 1 des Entwurfes, wie von Ihnen gewünscht, ersetzte.
D.U.
Adenauer
Aufschlussreich für die Beziehungen des in Neheim-Hüsten zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählten Schmidt zu Adenauer in diesem frühen Zeitraum die Angaben bei Klaus Dreher, Der Weg, S. 151-153, 287, 290; zu Person und Position vgl. auch Rudolf Uertz, Christentum, S. 53.
Beide Schreiben sind in StBKAH 08.53 erhalten, ersteres mit Informationen über eine Tagung in Bünde vom 13.-15.2.1946 (bei der über Fragen des Wahlrechts verhandelt worden war), das zweite mit Informationen über den evangelischen Landessekretär Fritz Melcher (Düsseldorf), der ihm ein für »sämtliche evangelischen Pfarrer der Nord-Rheinprovinz« bestimmtes Rundschreiben zugeleitet habe. Hinweise auf das erste Schreiben Schmidts bei Erhard H. M. Lange, Vom Wahlrechtsstreit, S. 40; vgl. auch Schmidts eigene Darstellung der in Vertretung Adenauers in Bünde geführten Verhandlungen zur »Schaffung eines kommunalen Wahlrechts für die Britische Zone und des Landeswahlrechtes für Nordrhein-Westfalen« (Zur Frühgeschichte, S. 54f.). Zur Auswertung der Antwort Adenauers vgl. Rudolf Morsey, Der politische Aufstieg, S. 49 f. und ders., Konrad Adenauer und die Gründung, S. 105.
Hinweise auf Zimmermann vgl. die Anm. 1 im Schreiben an den Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Partei des Rheinlands vom 7.9.1945 und Anm. 2 im Schreiben an Ernst Schwering vom 13.12.1945.