Rhöndorfer Ausgabe Online
An Kaplan Johannes Weber
, Wahn/RheinlandStBKAH 07.12
Sehr geehrter Herr Kaplan!
Mit bestem Dank bestätige ich den Empfang Ihres Briefes vom 21.5.461. Ich gehe weitgehend mit Ihren Ausführungen einig. In einer Beziehung sehe ich allerdings nicht so optimistisch wie Sie. Bisher ist mir von jungen Kräften innerhalb der deutschen Sozialdemokratie, die den Blick zum Christentum zu wenden beginnen, nichts bekannt. Wenn Sie nach dieser Richtung besondere Wahrnehmungen machen, so teilen Sie sie mir bitte mit.
Die Frage der Unterbringung der Ostflüchtlinge ist eine sehr schwierige und ernste Angelegenheit2. Einerseits müssen wir möglichst gut gegen sie sein, auf der anderen Seite aber dürfen wir, wie Sie mit Recht ausführen, nicht den preußischen Geist in unsere rheinische Jugend pflanzen. Wir müssen versuchen, sie zu assimilieren und sie unserer Geisteshaltung einzufügen. Eine Häufung von Ostflüchtlingen in führenden Stellen darf natürlich keineswegs vorkommen. Bitte, teilen Sie mir mit, um welche Stellen in Essen es sich handelt.
Ihren Brief an die Schriftleitung der »Kölnischen Rundschau« vom 19.5.1946 begrüße ich dankend. Es ist sehr gut, wenn die Leserschaft sich in solcher Weise an das Blatt wendet. Wie Sie wissen, ist eine direkte Einwirkung der Partei auf die Zeitungen seitens der britischen Militärregierung nicht gestattet.
Mit vorzüglicher Hochachtung
(Adenauer)
Johannes Weber hatte sich mit der aus seiner kirchlichen Jugendarbeit erwachsenen Forderung an Adenauer gewandt, »daß der politischen Arbeit die Durchdringung mit christlichem Gedankengut voraufgehen muß … Sind erst die Leute zum positiven Christentum angeleitet, dann bleibt diesen keine andere Wahl mehr als die, sich innerlich … zu den Zielen der CDU zu bekennen.«
Vgl. die Schreiben an Studienrat Engels vom 3.6.1946, an Karl Gründer vom 11.6.1946 und an J.W. Poschen vom 26.6.1946 sowie die Darstellung von Peter Waldmann, Die Eingliederung der ostdeutschen Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft, in: Josef Becker/ Theo Stammen/ Peter Waldmann (Hg.), Vorgeschichte, S. 163- 192 und Franz J. Bauer, Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik in Bayern 1945-1950, Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte Bd. 3, Stuttgart 1982.