Rhöndorfer Ausgabe Online
An Maria Sevenich
, Darmstadt-EberstadtStBKAH 08.07
Liebes Fräulein Sevenich!
Mit vielem Dank bestätige ich den Empfang Ihrer Briefe vom 29.6. und 1. d. Mts.
1) zu dem Briefe vom 29.6.46:
Ich stimme mit Ihnen in allen Punkten überein. Auch ich habe auf der einen Seite die Aufmachung in Berlin bewundert, auf der anderen Seite mit starker Besorgnis gesehen und gehört, welchen Eindruck diese Aufmachung auf die Besucher gemacht hat1. Die Dinge in Berlin und in der russischen Zone sehe ich nach wie vor sehr ernst an. Auf der Sitzung des Zonenausschusses der CDU der britischen Zone, die vom 26. bis 28.6.1946 in Neuenkirchen stattfand, haben wir uns einen ausführlichen Bericht über die Berliner Tagung geben lassen2. Auf dieser Tagung habe ich meine Ansichten über den Gebrauch der Worte: »Christlicher Sozialismus« oder »Sozialismus aus christlicher Verantwortung« in dem Ihnen bekannten Sinne dargelegt. Der gesamte Ausschuß, etwa 28 Mitglieder, hat einstimmig – einschließlich der Arbeitervertreter – meine Darlegungen gebilligt. Auf der Tagung wurde von einem Teilnehmer gesagt, daß man nicht die ‹Befürchtung›3 eines »kommunistischen Harzburgs«4 zu haben brauche. Die Tatsache, daß überhaupt von der Möglichkeit eines »komm. Harzburgs« gesprochen werden kann, besagt ja wohl genug!
2) zu dem Briefe vom 1.7.465.
Herr Hamacher hat in der Zwischenzeit auch Fühler wegen einer Besprechung mit mir ausgestreckt. Ich werde noch näheres hören. Er fühlt sich sehr unsicher. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
Es freut mich sehr, so gute Nachrichten über Herrn Hermes zu bekommen. Ich hoffe, daß er nach seiner Rückkehr nach Godesberg sich unverzüglich mit mir in Verbindung setzen wird.
Ihrer Ausarbeitung für die Zeitschrift sehe ich mit großem Interesse entgegen. Wann werden Sie nach hier übersiedeln können? – Ich kann mir denken, daß Sie eine Ruhepause dringend nötig haben, und wünsche Ihnen, daß Sie wenigstens einige Wochen völlige Ruhe haben. Ich freue mich aber sehr, wenn Sie ‹bald›6 nach hier übersiedeln werden.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr sehr ergebener
(Adenauer)
Zum CDUD-Parteitag im Juni 1946 vgl. die Schreiben an die Teilnehmer eines bizonalen CDU/CSU-Treffens vom 8.4.1946 und an Jakob Kaiser vom 24.5.1946.
Zum Bericht Friedrich Holzapfels vgl. Helmuth Pütz (Bearb.), Konrad Adenauer, S. 157.
‹ › vom Bearb. korrigiert aus »Befürwortung«.
Anspielung – mit parteipolitisch umgekehrten Vorzeichen – auf die 1931 in Bad Harzburg eingegangene Verbindung von NSDAP, DNVP und Stahlhelm.
Abschriftlich beigefügt: Schreiben Wilhelm Hamachers an Maria Sevenich vom 25.6.1946 (abwartende Position gegenüber der CDU) und die Antwort vom 1.7.1946.
‹ › hs. von Adenauer eingefügt.