Heinrich Weitz

Heinrich Weitz

* geboren 11.08.1890 in Linnich/Kr. Jülich
† gestorben 30.10.1962 in Duisburg

Dr. jur., Verwaltungsfachmann, Staatsminister, rk.

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Übersicht

1909-1912 Studium der Rechte und der Volkswirtschaft in Freiburg, München, Berlin und Bonn, im Ersten Weltkrieg schwer verwundet
1918 Stadtassessor von Aachen
1920-1927 juristischer Beigeordneter in Duisburg
1927-1933 Oberbürgermeister in Trier (Zentrum)
1945 Mitglied der CDU
1945-1947 Oberbürgermeister von Duisburg
1946-1950 MdL Nordrhein-Westfalen
1947-1951 Finanzminister
1952-1961 Präsident des DRK
1951-1958 Vorsteher des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes

Studium und Kriegsdienst

Heinrich Weitz wurde am 11. August 1890 in Linnich geboren, einer Kleinstadt zwischen Köln und Aachen. Die Müllersfamilie war dort seit vielen Generationen ansässig. Weitz besuchte zunächst die Volksschule und dann die Gymnasien in Jülich und Bad Münstereifel. Nach dem Abitur nahm er 1909 an der Universität Freiburg das Studium der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaft auf. Als Katholik schloss er sich dort dem Katholischen Studentenverein Bavaria an. Er setzte sein Studium in München, Berlin und Bonn fort und legte 1912 das Referendarexamen ab. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Weitz freiwillig. Im August 1916 wurde er an der Westfront schwer verwundet und verlor einen Unterschenkel. Aufgrund seiner Beinprothese war der Kriegseinsatz für ihn damit beendet und er konnte seine Ausbildung fortsetzen. 1917 bestand Heinrich Weitz das Assessorexamen und 1918 folgte die Promotion zum Dr. iur. an der Universität Jena.

Kommunalpolitiker in Duisburg und Trier

Seine Berufslaufbahn begann Weitz im August 1918 als Rechtsassessor bei der Stadtverwaltung Aachen. Vermutlich zu dieser Zeit schloss er sich dem Zentrum an. Schon 1920 wechselte er als Beigeordneter nach Duisburg. Im gleichen Jahr heiratete er Josefine Heusch. Aus der glücklichen Ehe gingen sechs Kinder hervor. In Duisburg, das seit 1914 von nationalliberalen Oberbürgermeister Karl Jarres regiert wurde, den Weitz sehr verehrte, war er für das Wohnungswesen zuständig. Dadurch fiel auch die Unterbringung der französischen und belgischen Besatzungstruppen, die aufgrund des Versailler Vertrages im Rheinland stationiert waren, in seinen Zuständigkeitsbereich. Als Frankreich im Januar 1923 aufgrund von Streitigkeiten über Reparationslieferungen das Ruhrgebiet besetzte, nahmen die Spannungen mit den Besatzungsbehörden auch in Duisburg zu. Im Juni 1923 wurde der selbstbewusste Weitz durch die belgischen Militärbehörden wegen „Gehorsamsverweigerung“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt und im Juli 1923 aus dem Besatzungsgebiet ausgewiesen. Nach dem Abzug der Besatzungstruppen 1925 bot sich für den Beigeordneten Weitz dann die Möglichkeit, zur Lösung der Wohnungsnot in Duisburg mehrere Siedlungsprojekte zu verwirklichen.

Im Mai 1927 wählte der Stadtrat von Trier Weitz zum neuen Oberbürgermeister. Die überwiegend katholische Stadt war während der Weimarer Republik eine Hochburg der Zentrumspartei. Auch in der Moselstadt setzte sich Weitz für den Bau preisgünstiger Wohnungen ein, woran bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde 1957 an ihn ausdrücklich erinnert wurde. Obwohl der Oberbürgermeister ein überzeugter Demokrat war, führte sein autoritärer Führungsstil schon bald zu Spannungen mit dem Rat und der Stadtverwaltung in Trier. Möglicherweise lag hierin ein Grund, weshalb sich Weitz nach der „Machtergreifung“ 1933 den Nationalsozialisten nicht energisch entgegenstellte, sondern ihnen nach den Kommunalwahlen 1933 sogar eine Zusammenarbeit anbot. Auch stimmte er der vom Stadtrat im April 1933 beschlossenen Verleihung der Ehrenbürgerrechte an Adolf Hitler zu, für den er lobende Worte fand. Wie viele Nationalkonservative, die es auch im Zentrum gab, ging Weitz ebenfalls davon aus, dass sich die Hitlerbewegung in der Regierungsverantwortung entzaubern würde. Doch im August 1933 bekam er den Machtwillen und die Rücksichtslosigkeit der Nationalsozialisten selbst zu spüren, als er aus dem Amt gedrängt und in den Ruhestand versetzt wurde. Das Angebot des Regierungspräsidenten, als Beigeordneter nach Koblenz zu wechseln, lehnte er als Degradierung entrüstet ab. Tief gekränkt, verließ Heinrich Weitz nach seiner Absetzung umgehend Trier und ließ sich wieder in Duisburg nieder.

NS-Diktatur und Nachkriegszeit

Während des “Dritten Reiches“ war Weitz als erfolgreicher Industrieanwalt in Duisburg tätig. Er trat nicht in die NSDAP ein und gab nach dem Krieg an, 1943/44 Kontakt zur Widerstandsgruppe um Carl Goerdeler gehabt zu haben. Näheres ist dazu aber nicht bekannt. Nach der Einnahme Duisburgs durch die US-Armee im April 1945 wurde Weitz vom Stadtkommandanten als Oberbürgermeister eingesetzt. In kurzer Zeit gelang es dem Verwaltungsfachmann, wieder eine funktionierende Stadtverwaltung aufzubauen. Auf seinen Vorschlag hin setzte die Militärregierung schon im Juli 1945 einen Bürgerrat in Duisburg ein, der bis zu den Kommunalwahlen im Oktober 1946 amtierte. Der erste gewählte Stadtrat bestätigte Weitz, der sich 1945 der neugegründeten CDU angeschlossen hatte, in seinem Amt. Außerdem wurde er im Oktober 1946 von der britischen Militärregierung in den Ernannten Landtag von Nordrhein-Westfalen berufen. Bei der ersten Landtagswahl im April 1947 konnte Weitz seinen Wahlkreis gewinnen und zog ins Parlament ein.

Im Düsseldorfer Landtag traf er auf den Fraktionsvorsitzenden und Vorsitzenden der CDU in der Britischen Zone Konrad Adenauer, mit dem die Verbindung bis zu seinem Tod 1962 nicht abreißen sollte. Seit wann sich Heinrich Weitz und Konrad Adenauer kannten, ist ungewiss. Als Oberbürgermeister in der Preußischen Rheinprovinz, Mitglieder der Zentrumspartei und Angehörige des gleichen Studentenverbandes werden sie wohl seit Ende der 1920er Jahre miteinander in Kontakt gestanden haben. Zumindest waren sie 1945 so vertraut miteinander, dass Weitz nach der Entlassung Adenauers als Oberbürgermeister von Köln durch die Britischen Besatzungstruppen im Oktober 1945 dem „allgemein anerkannten kommunalen Führer“ sofort seine Bestürzung über diesen Akt mitteilte. Der Entlassene antwortete dem „Lieben Herrn Weitz“ am 31. Oktober 1945 mit einem freundlichen Brief, dem er seine berühmte Analyse über die Spaltung Europas und die außenpolitische Situation Deutschlands beilegte.

Finanzminister von Nordrhein-Westfalen

Weil die CDU die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 1947 mit 37,5% gewann, nominierte die CDU-Fraktion als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten den Oberbürgermeister von Düsseldorf, Karl Arnold. Dieser bildete ein Allparteienkabinett aus CDU, SPD, KPD und Zentrum, in dem er Heinrich Weitz das Finanzministerium übertrug. Mit der Nominierung von Weitz wollte Arnold dem konservativen Parteiflügel um den Fraktionsvorsitzenden Konrad Adenauer entgegenkommen. Dem Kabinett von Arnold gehörten von der CDU außerdem noch Gustav Heinemann als Justizminister, Heinrich Konen als Kultusminister und Heinrich Lübke als Landwirtschaftsminister an. Weitz, der nach seinem Wechsel in die Landesregierung das Amt als Oberbürgermeister niederlegte, wurde schon bald zur zentralen Figur des Kabinetts. Wegen des schlechten Verhältnisses zwischen Arnold und Adenauer übernahm er vor allem die Aufgabe, Informationen weiterzugeben und die Vorstellungen Adenauers in die Landesregierung einzubringen.

Der Parteivorsitzende und Bundeskanzler wurde für Weitz immer mehr zu einem Vorbild – ähnlich wie zuvor Karl Jarres –, mit dem er politisch weitgehend übereinstimmte. Umgekehrt sah Adenauer in Heinrich Weitz den erfahrenen Verwaltungsbeamten und zuverlässigen Parteifreund, der von der Verständigungspolitik Arnolds gegenüber der SPD ebenfalls nichts hielt. Der Höhepunkt des Verhältnisses zwischen Adenauer und Weitz war sicherlich 1949 erreicht, als der Bundeskanzler den Finanzminister gerne als Bundesinnenminister nach Bonn geholt hätte. Aus Gründen des Koalitionsproporzes musste er jedoch statt des Katholiken Weitz den Protestanten Heinemann berufen. In diese Zeit fiel noch eine andere Personalempfehlung von großer Tragweite: Weitz machte Adenauer auf den Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes von Nordrhein-Westfalen aufmerksam, Hans Globke.

Als Finanzminister verfolgte Weitz einen rigiden Sparkurs und trat Ausgabenwünschen und Personalforderungen anderer Minister energisch entgegen. Als nach der Währungsreform 1948 der finanzielle Spielraum der Landesregierung noch enger wurde, gelang es ihm durch Sparverordnungen trotzdem, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Zur Kontrolle der Haushaltsführung und der Verwaltung gründete er im April 1948 den Landesrechnungshof. Bei seiner Sparpolitik schreckte Weitz auch nicht vor Konflikten mit der britischen Besatzung zurück. So kritisierte er in einer Denkschrift Ende 1948 die hohen Besatzungskosten, weil sie den Landeshaushalt stark belasteten. Selbst als 1948/49 Bonn zur Bundeshauptstadt ausgebaut wurde, musste er mehrfach von seinem Parteifreund Adenauer gemahnt werden, dafür endlich genügend Geld bereitzustellen.

Nach der Landtagwahl 1950 in Nordrhein-Westfalen hätte Bundeskanzler Adenauer gerne Karl Arnold durch Weitz ersetzt, doch konnte dieser seinen Duisburger Wahlkreis nicht gewinnen und schied damit aus dem Landtag aus. Über das Wahlergebnis tief enttäuscht, wollte sich Weitz sofort aus der Politik zurückziehen. Für den Verlust seines Wahlkreises machte er auch Adenauer verantwortlich, wodurch sich die Beziehung zwischen beiden nachhaltig verschlechterte. Als ihn jedoch die Landtagsfraktion erneut als Finanzminister nominierte und auch der Bundeskanzler seinen Verbleib in der Landesregierung Arnold wünschte, ließ sich Weitz wieder in die Pflicht nehmen und übernahm in der neuen Landesregierung nochmal das Amt des Finanzministers. Im Oktober 1951 war er jedoch endgültig amtsmüde und reichte seinen Rücktritt ein. Am 31. Dezember 1951 schied er aus dem Amt und der Landespolitik aus.

DRK-Präsident

Bereits im März 1952 übernahm Heinrich Weitz wieder eine neue Aufgabe: Er wurde einstimmig zum Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gewählt. In seinem neuen Amt setzte er sich vor allem für die Rückkehr der deutschen Kriegsgefangenen aus der UdSSR und die Suche nach vermissten Wehrmachtsangehörigen ein, zu denen auch sein ältester Sohn gehörte. Seine Bemühungen, Kontakt zu den Schwestergesellschaften des DRK in Osteuropa und der UdSSR aufnehmen, stieß allerdings bei Bundeskanzler Konrad Adenauer auf ernste Bedenken. Dieser war über das eigenmächtige Handeln von Weitz verärgert und hielt dessen Schritte für aussichtslos, da die Bundesrepublik Deutschland noch keine diplomatischen Beziehungen zu Staaten des Ostblocks unterhielt. Auch bei Treffen im Bundeskanzleramt im März und November 1953 kam keine Verständigung zustande. Trotz der Vorbehalte Adenauers nahm der selbstbewusste DRK-Präsident Kontakt zum sowjetischen Roten Kreuz auf und erhielt im März 1954 die Antwort, dass man an einem Meinungsaustausch interessiert sei. Die offizielle Einladung von Weitz in die UdSSR erfolgte allerdings erst im Dezember 1956 – nach der Moskau-Reise Adenauers 1955 und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion. Der Reisedelegation des Bundeskanzlers hatte Weitz nicht angehört.

Bei seinem Besuch in Moskau im Februar 1957 verhandelte Weitz über die Repatriierung deutscher Staatsbürger und konnte die Unterstützung des sowjetischen Roten Kreuzes bei der Suche nach Vermissten erreichen. Bereits 1955/56 war es ihm gelungen, in Warschau, Prag und Bukarest die Mithilfe der jeweiligen Rot-Kreuz-Organisationen bei der Familienzusammenführung und bei der Aufklärung des Schicksals vermisster Wehrmachtssoldaten zu vereinbaren. In den folgenden Jahren verbesserte sich das Verhältnis zwischen Weitz und Adenauer allmählich wieder. So nahm Konrad Adenauer im Juni 1958 an der Beerdigung der Frau von Heinrich Weitz teil und 1959 empfing er den DRK-Präsidenten noch zweimal im Bundeskanzleramt.

Als Weitz 1961 altersbedingt von seinem Amt zurücktrat, bezeichnete ihn Bundespräsident Heinrich Lübke aufgrund seiner Verdienste als „Diplomaten der Menschlichkeit“.

Ein längerer Ruhestand war Weitz danach nicht mehr vergönnt. Der an Magenkrebs Erkrankte lebte zurückgezogen in Duisburg und starb dort am 30. Oktober 1962. Wegen der „Spiegel-Affäre“ konnte Adenauer nicht an der Beisetzung teilnehmen.

  • Adenauer: Briefe 1945-1947, bearb. Von Hans Peter Mensing, Berlin 1983.
  • Adenauer: Briefe 1951-1953, bearb. Von Hans Peter Mensing, Berlin 1987.
  • Borchard, Michael: Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949-1955, Düsseldorf 2000.
  • Hüttenberger, Peter: Nordrhein-Westfalen und die Entstehung seiner parlamentarischen Demokratie, Siegburg 1973.
  • Kanther, Michael: Heinrich Weitz (1890-1962), in: Geschichte im Westen 1989/2, S. 198-215.
  • ACDP, 05-009-455

Andreas Grau