Hans Globke, Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt, 4. Mai 1956.

Hans Globke

* geboren 10.09.1898 in Düsseldorf
† gestorben 13.02.1972 in Bonn

Verwaltungsjurist, Dr. iuris utriusque, Ministerialbeamter im Preußischen Innen-ministerium sowie im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern, Stadt-kämmerer in Aachen, Vizepräsident des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen, Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramts

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Übersicht

1916-1918 Militärdienst
1918-1922 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Bonn und Köln
1922 Promotion in Gießen über "Die Immunität der Miglieder des Reichstages und der Landtage"
1922 Mitglied der Zentrumspartei
1925-1929 Stellvertreter des Polizeipräsidenten von Aachen
1926 Regierungsassessor
1929-1934 Regierungsrat im Preußischen Ministerium des Innern, Leiter des Verfassungs- und Saarreferats
1934-1945 Referent für Personenstandswesen im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern
1938 Ministerialrat für Staatsangehörigkeitsfragen und Optionsverträge
1946-1949 Stadtkämmerer in Aachen
1949 Vizepräsident des Landesrechnungshofes von Nordrhein-Westfalen
1949-1953 Ministerialdirigent bzw. ab 1950 Ministerialdirektor, Leiter der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten des Bundeskanzleramtes
27.10.1953-15.10.1963 Staatssekretär im Bundeskanzleramt

Hans Globke zählte seit dem 26. September 1949, als er vom Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen zum Bundeskanzleramt abgeordnet wurde, zu den engsten Mitarbeitern und Vertrauten Bundeskanzler Konrad Adenauers. Am 1. Oktober 1949 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt und leitete ab Juli 1950 als Ministerialdirektor zunächst die Hauptabteilung für innere Angelegenheiten, bevor er im Oktober 1953 zum Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramts aufstieg, nachdem sein Vorgänger Otto Lenz in den Bundestag gewählt worden war. Zehn Jahre lang, bis zum Rücktritt Adenauers im Oktober 1963, gehörte Globke nun zum inneren Führungszirkel um den Kanzler, für dessen Politik er eine wichtige Rolle spielte. Zugleich war Globke jedoch eine umstrittene Figur. Als Ministerialbeamter im „Dritten Reich“ und Verfasser eines Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen von 1935 wurde er vielfach kritisiert. Hinzu kamen politische Kampagnen aus der DDR, die nicht zuletzt dem Zweck dienten, durch Angriffe auf Globke auch die Bundesregierung und Bundeskanzler Adenauer ins Zwielicht zu rücken.

Ministerialbeamter im Preußischen Innenministerium

Hans Globke, Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt (spätere Bezeichnung: Chef des...

Hans Josef Maria Globke wird am 10. September 1898 als Sohn des Tuchgroßhändlers Josef Globke und dessen Ehefrau Sofie (geb. Erberich) in Düsseldorf geboren. Nach dem Abitur 1916 am Kaiser-Karls-Gymnasium in Aachen, wohin seine Familie kurz nach seiner Geburt umzieht, leistet er bis November 1918 seinen Militärdienst, hauptsächlich bei der Feldartillerie an der Westfront, und studiert danach Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Bonn und Köln. Nach der Ersten Juristischen Staatsprüfung am 11. Mai 1921 beginnt er seinen Dienst als Referendar beim Amtsgericht Eschweiler und promoviert bereits im folgenden Jahr mit einer von Hans Gmelin, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, an der Universität Gießen betreuten Arbeit über „Die Immunität der Mitglieder des Reichstages und der Landtage“ zum Dr. jur. Ebenfalls 1922 tritt der praktizierende Katholik in die Deutsche Zentrumspartei ein, der er bis zu ihrer Auflösung im Juli 1933 angehört. Weitere Stationen seiner juristischen Ausbildung sind die Kölner Gerichte und die dortige Staatsanwaltschaft sowie der Kölner Rechtsanwalt Quirin Lieven und der Notar Krebs und das Kammergericht Berlin.

Nach dem Zweiten Staatsexamen am 11. April 1924 wird Globke durch den Preußischen Justizminister zum Gerichtsassessor ernannt und vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln an das Amtsgericht in Aachen überwiesen, wo er als amtlicher Vertreter verschiedener Rechtsanwälte tätig ist. Allerdings hat er bereits drei Tage nach seinem Examen ein Gesuch an den Preußischen Minister des Innern gerichtet, in dem er um Übernahme in die innere Staatsverwaltung bittet. Sein Wunsch gehe dahin, so Globke, „dem preußischen Staat meine Dienste zu widmen“. Diesem Wunsch wird schließlich entsprochen, sodass er ab dem 4. Mai 1925 mit Zustimmung des Innenministers und unter Vorbehalt der Einstellungsgenehmigung durch die Besatzungsbehörde des von alliierten Truppen besetzten Rheinlandes ‒ der Hohen Internationalen Rheinlandkommission ‒ als Gerichtsassessor beim Polizeipräsidium Aachen arbeitet. Am 1. März 1926 wird er dort unter Ernennung zum Regierungsassessor in die innere Staatsverwaltung übernommen.

Da seine Vorgesetzten ihm ein „besonderes Geschick bei der Behandlung politischer Fragen“ attestieren, soll Globke 1930 eine für ihn vorgesehene Regierungsratsstelle bei der staatlichen Polizeiverwaltung in Berlin übernehmen, um die Polizeiämter Prenzlauer Berg und Weissensee zu leiten. Er tritt diese Stelle allerdings nicht an, weil er vorher, am 3. Dezember 1929, „wegen der angespannten Geschäftslage“ als sogenannter Hilfsarbeiter in das preußische Innenministerium berufen wird. Als Beamter im Höheren Dienst, der verschiedenen Referaten zugeteilt ist, aber noch nicht selbst für ein Referat verantwortlich zeichnet, bearbeitet er unter anderem die Themengebiete Standesämter und Namensänderungen und stellt Material für zwei wichtige Prozesse vor dem Staatsgerichtshof zusammen.

Nach dem „Preußenschlag“ vom 20. Juli 1932, als Reichskanzler Franz von Papen mit Hilfe einer Notverordnung von Reichspräsident Paul von Hindenburg die Regierung des Freistaates Preußen unter Ministerpräsident Otto Braun (SPD) absetzt, steigt Globke unter dem neuen Innenminister Franz Bracht, der den Sozialdemokraten Carl Severing ablöst, rasch auf. Bracht, bis dahin Oberbürgermeister von Essen, ist seit Anfang der 1930er Jahre parteilos, hat aber vorher, wie Globke, der Zentrumspartei angehört. Am 12. August 1932 wird Globke zunächst zum Leiter des Verfassungsreferats in der Abteilung I des preußischen Innenministeriums berufen und am 10. September 1932 zusätzlich mit der Position eines stellvertretenden Referatsleiters für die politischen und kulturellen Angelegenheiten des Saargebiets betraut. Zur Abteilung I gehört auch das für Namensänderungsangelegenheiten zuständige Personenstandsreferat, in dem unter Federführung Globkes die „Verordnung über die Zuständigkeit zur Änderung von Familiennamen und Vornamen“ vorbereitet wird, die am 21. November 1932 in Kraft tritt. Sie knüpft an restriktive Grundsätze zur Behandlung von Namensänderungen an, die bereits 1909 und 1921 im preußischen Innenministerium formuliert worden sind, und wird von Globke in einen offen antijüdischen Zusammenhang gerückt, indem er in einem Runderlass zum Namensrecht erklärt, Namensänderungen beeinträchtigten „die Erkennbarkeit der Herkunft aus einer Familie“, erleichterten „die Verdunkelung des Personenstandes“ und verschleierten damit „die blutmäßige Abstammung“.

Globke in der Zeit des Nationalsozialismus

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verbleibt Globke weiter im preußischen Innenministerium und wird hier nach einem Beförderungsvorschlag vom Frühjahr 1932 am 1. Dezember 1933 zum Oberregierungsrat ernannt. Nach der Verschmelzung des preußischen Innenministeriums mit dem Reichsinnenministerium am 1. November 1934 wird er als Referent in das neu gebildete Reichs- und Preußische Ministerium des Innern übernommen und ist hier bis zum 8. Mai 1945 tätig, nunmehr ‒ in seinen eigenen Worten ‒ als „Personenstandsreferent, später insbesondere Referent für Staatsangehörigkeitssachen und ausländisches Verwaltungsrecht“. Seine Ernennung zum Ministerialrat am 13. Juli 1938 wird von Innenminister Wilhelm Frick mit der Erklärung begründet, Globke gehöre „unzweifelhaft zu den befähigsten und tüchtigsten Beamten“ seines Ministeriums. Frick verweist dabei auf vier Gesetze, an denen Globke „in ganz hervorragendem Maße beteiligt“ gewesen sei: das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. September 1935, das „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz)“ vom 18. Oktober 1935, das Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 und das Gesetz zur Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938. Diese Zusammenstellung, die auf die Nürnberger Rassengesetze verweist, ist jedoch zu relativieren und diente offenbar nur dazu, die Beförderung zu begründen. In Wirklichkeit gehen die Nürnberger Gesetze auf das Rassenpolitische Amt der NSDAP beim „Stellvertreter des Führers“, Rudolf Hess, unter Mitwirkung des Reichsjustizministeriums und des Innenministeriums zurück. Globke nimmt aber als Fachbeamter an den Beratungen über die Ausführungsverordnungen, das Ehegesundheitsgesetz und das Personenstandsgesetz teil.

Dies gilt auch für das „Namensänderungsgesetz“, das im Januar 1938 in Kraft tritt. Die dazugehörige „Namensänderungsverordnung“ vom 17. August 1938 und die nachfolgenden drei Ausführungsverordnungen werden von Globke selbst formuliert. Jüdische Frauen, die keinen erkennbar jüdischen Vornamen tragen, müssen ihrem eigenen Namen nun den zweiten Vornamen „Sara“ hinzufügen, jüdische Männer den zweiten Vornamen „Israel“. Das Gesetz zur Änderung von Familiennamen und Vornamen und die dazugehörigen Verordnungen sind damit Bestandteil der Erfassung und Ausgrenzung der Juden in Deutschland und tragen dazu bei, die verwaltungstechnischen Voraussetzungen für den späteren Holocaust zu schaffen. Globke ist dafür politisch nicht verantwortlich, als führender Ministerialbeamter aber an der Abfassung der entsprechenden Gesetze und Verordnungen beteiligt. Als Korreferent ist er ebenfalls mit „Allgemeinen Rassenfragen“, „Ein- und Auswanderung“ sowie der Umsetzung des sogenannten „Blutschutzgesetzes“ befasst.

Ab 1937 zählen auch „Internationale Fragen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitswesens und der Optionsverträge“ zu seinen Aufgaben. So wirkt er nach dem Münchner Abkommen bei den Verhandlungen über den deutsch-tschechoslowakischen Vertrag über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen vom 20. November 1938 und der Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit in den sudetendeutschen Gebieten mit. Außerdem begleitet er Innenminister Frick und den Leiter der Abteilung I im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern, Staatssekretär Wilhelm Stuckart, auf Reisen in das befreundete Ausland sowie in die von den Deutschen besetzten Gebiete.

Ein Beleg für Globkes enge Vertrautheit mit der Rassenpolitik des „Dritten Reiches“ sind schließlich seine „Kommentare zur deutschen Rassengesetzgebung“, die er 1936 gemeinsam mit Wilhelm Stuckart herausgibt und zu denen Stuckart lediglich die Einleitung beisteuert. Bei der Beantwortung der Frage, ob Globke damit versucht, die Rassengesetze für die Betroffenen so günstig wie möglich auszulegen und durch die Definition eines gesetzlichen Rahmens wenigstens der willkürlichen Diskriminierung der Juden ein Ende zu setzen, wie er später behauptet, gehen die Meinungen weit auseinander. Unklar ist auch, welchen politischen Einfluss er überhaupt besitzt, da er kein Mitglied der NSDAP ist. Zwar bemüht er sich im Oktober 1940 darum, in die Partei aufgenommen zu werden. Wegen seines katholischen Hintergrundes und seiner früheren Mitgliedschaft in der Zentrumspartei wird sein Antrag von der Parteikanzlei unter Martin Bormann jedoch 1943 endgültig abgelehnt. So bleibt er bis Kriegsende der weitgehend im Hintergrund wirkende Ministerialbeamte, der er schon im preußischen Innenministerium war: juristisch versiert, loyal gegenüber der Macht, der er dient, und damit der politischen Führung nützlich.

Automatic Arrest und Entnazifizierung

Das Kriegsende erlebt Globke im oberbayerischen Kochel, wohin er seine Familie aus Berlin bereits vorausgeschickt hat, um sie vor den Bombenangriffen der Alliierten in Sicherheit zu bringen. Am 20. August 1945 wird er hier als Ministerialbeamter im Zuge der automatic arrests von der amerikanischen Besatzungsmacht festgenommen, der er ab dem 11. September 1945 als Berater beim Ministerial Collecting Center in Fürstenhagen bei Hessisch-Lichtenau dient. In einer ehemaligen Munitionsfabrik südlich von Kassel befinden sich dort beschlagnahmte Ministerialakten der obersten Reichsbehörden, die mit Hilfe internierter höherer Beamter der Reichsministerien bearbeitet werden. Im Dezember 1945 wird Globke nach Bünde in Westfalen überstellt, wo die britische Kontrollkommission bis Juni 1946 seine Expertise für Wahlrechtsfragen nutzt. Eine Verwendung in der von Robert Lehr, Mitbegründer der CDU in Düsseldorf, geführten Regierung der Nord-Rheinprovinz wird von der britischen Militärregierung nicht genehmigt. So übernimmt Globke, der inzwischen der CDU beigetreten ist, am 1. Juli 1946 das Amt des Stadtkämmerers in seiner Heimatstadt Aachen, das er bis zu seiner Berufung zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen in Krefeld am 25. September 1949 ausübt.

Als er seine Tätigkeit in Aachen aufnimmt, ist das Spruchkammerverfahren zur Überprüfung seiner politischen Belastung jedoch noch nicht abgeschlossen. Seine Einstellung erfolgt daher nur unter Vorbehalt, da sowohl von amerikanischer als auch von britischer Seite Bedenken gegen ihn bestehen. Globke selbst behauptet allerdings in dem von ihm am 17. Juli 1947 ausgefüllten Fragebogen des Military Government of Germany, mit dem die alliierten Behörden Informationen über den Grad der NS-Beteiligung der Betroffenen erheben wollen, dem Widerstand gegen Hitler angehört zu haben. Er sei Mitglied der Gruppe „Goerdeler usw.“ gewesen, habe seit 1933 ununterbrochen mit oppositionell eingestellten Personen in Verbindung gestanden und seine Tätigkeit im Ministerium genutzt, politisch oder „rassisch“ verfolgten Kreisen zu helfen. Auch an der Planung und Vorbereitung des missglückten Umsturzversuches gegen Hitler am 20. Juli 1944 sei er beteiligt gewesen und von den Verschwörern für den Fall des Gelingens „als Staatssekretär im Reichserziehungsministerium in Aussicht genommen“ worden. Die Gestapo habe daher ein Verfahren gegen ihn eingeleitet; seiner Verhaftung sei er am 27. April 1945 nur knapp entgangen.

Als Zeugen für seine Aussagen benennt er Jakob Kaiser, der als einziger aus dem engeren Kreis des gewerkschaftlichen Widerstands in Berlin überlebt hat, und Otto Lenz, der über eine Gesellschaft ehemaliger Zentrumspolitiker zum Widerstand um Carl Goerdeler gelangt ist. Ein weiterer Fürsprecher ist der 1946 zum Kardinal ernannte Berliner Bischof Konrad von Preysing, für dessen „Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat zu Berlin“ Globke seit 1933 ein wichtiger Informant war und der Globkes Berichte aus dem Innenministerium auch an den Vatikan weiterleitete. Es sind gewichtige Zeugen, denen sich die Spruchkammer nicht entziehen kann. So wird Globke am 8. September 1947 der Kategorie V („unbelastet“) zugeordnet.

Hilfreich für seine politische Exkulpation dürfte nicht zuletzt sein Kontakt zu Robert M. W. Kempner gewesen sein, der bis 1933 in der Polizeiabteilung des preußischen Innenministeriums tätig war und nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wegen „politischer Unzuverlässigkeit in Tateinheit mit fortgesetztem Judentum“ aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Globke hat mit ihm in der Kantine des Innenministeriums „hunderte Male zu Mittag gegessen“, wie Kempner, der 1939 in die USA übersiedelte und ab 1943 der United Nations War Crimes Commission angehörte, in seinen Memoiren berichtet. Im Sommer 1945 treffen die beiden sich in Hessisch-Lichtenau wieder, als Kempner den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des „Dritten Reiches“ vorbereitet. Zwei Jahre später ist Kempner dann Hauptankläger im Nürnberger Wilhelmstraßenprozess gegen führende Angehörige des Auswärtigen Amtes und anderer Ministerien sowie nationalsozialistischer Dienststellen und befragt Globke als Zeugen zu Wilhelm Stuckart.

„Graue Eminenz“ im Bundeskanzleramt

Konrad Adenauer mit Kurt Georg Kiesinger, Carlo Schmid und Hans Globke (v.r.n.l.) am 8. September...

Neben seiner Tätigkeit als Stadtkämmerer in Aachen ist Globke seit 1946 bald auch für andere Verwendungen im Gespräch. Überlegungen, ihn zum Beigeordneten Bürgermeister seiner Heimatstadt oder zum Ministerialdirektor im Düsseldorfer Innenministerium zu ernennen, lassen sich zwar nicht verwirklichen oder werden von ihm selbst verworfen. Von Dezember 1948 bis September 1949 ist er jedoch in die Planungen einer Handvoll ehemaliger Angehöriger des Reichsinnenministeriums zur Organisation einer künftigen Bundesverwaltung einbezogen, wie sein Biograph Erik Lommatzsch berichtet. Treibende Kraft ist der frühere Ministerialdirektor Erich Keßler, zusammen mit Hans Ritter von Lex, Kurt Jacobi und Otto Ehrensberger. Das Präsidium des Parlamentarischen Rates unter Konrad Adenauer hat Keßler gebeten, sich als „Verbindungsmann“ des Rates zum Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen „gutachterlich“ zu äußern. Dabei geht es nicht zuletzt um Personalvorschläge für ehemalige Ministerialbeamte, die „wiederverwendungsfähig“ sind.

Alle Mitglieder der Gruppe um Keßler haben, wie Globke, vor 1945 im Reichsinnenministerium hohe Positionen bekleidet. Auf einer Liste Jacobis vom 15. Juni 1949 findet sich daher auch sein Name. Für ihn ist die Stelle eines Ministerialdirektors im Bundesinnenministerium vorgesehen. Da noch nicht klar ist, wer dort als Staatssekretär sein Vorgesetzter sein wird, zögert Globke jedoch mit seiner Zustimmung und übernimmt stattdessen am 8. August 1949 die Position eines Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen in Krefeld. Dort währt seine Tätigkeit aber nur kurz. Denn nur einige Wochen später, wenige Tage nach der Wahl Konrad Adenauers zum Bundeskanzler am 15. September 1949, erreicht ihn über Bundesfinanzminister Fritz Schäffer die Anfrage, ob er bereit wäre, in das Kanzleramt zu wechseln.

Das Angebot, dort Staatssekretär zu werden, lehnt Globke mit Hinweis auf seinen Kommentar zu den Nürnberger Rassengesetzen zwar ab, weil sich daraus Belastungen für die neue Regierung ergeben könnten. Die weniger prominente, nach außen weniger sichtbare Stelle eines Beamten im Höheren Dienst nimmt er jedoch an. Von wem Adenauer auf Globke aufmerksam gemacht wird, ist nicht bekannt. Die Vermutung liegt nahe, dass der frühere Zentrumspolitiker Heinrich Weitz, nach dem Krieg Oberbürgermeister von Duisburg und seit 1947 CDU-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Globke empfiehlt. Weitz kennt ihn seit seiner Zeit als Rechtsassessor bei der Stadtverwaltung Aachen von 1918 bis 1920 und hat ihm im Dezember 1945 bereits „tadelloses Verhalten“ in der Zeit des Nationalsozialismus bescheinigt. Vermutlich verdankt Globke ihm auch die Ernennung zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen. Adenauer wiederum schätzt den Rat von Weitz, den er gerne als Bundesinnenminister nach Bonn geholt hätte, und nennt ihn in ihrer Korrespondenz einen „lieben Freund“.

Seit dem 26. September 1949 ist Globke schließlich im Bundeskanzleramt tätig. Staatssekretär ist zunächst Franz-Josef Wuermeling, der aber sein Bundestagsmandat nicht aufgeben will und daher bereits nach drei Monaten im Januar 1950 wieder ausscheidet. Da es längere Zeit nicht gelingt, einen geeigneten Nachfolger zu finden, übernimmt Globke die Führung der Geschäfte und wird damit in der Aufbauphase des Kanzleramtes zur prägenden Figur für Organisation und Personalpolitik. Erst am 15. Januar 1951 wird mit Otto Lenz ein neuer Staatssekretär ernannt. Begabt, jedoch persönlich ehrgeizig und eigenwillig, kommt er indessen weder mit Globke noch mit Adenauer zurecht. Sie seien „von Temperament und Amtsauffassung gegensätzliche Naturen“, heißt es dazu in der Einleitung zum Tagebuch von Lenz, „Gegensätze in Temperament und Lebensart“. Schon bald stehen die Zeichen auf Trennung. Nach der Bundestagswahl im September 1953, als Lenz zu allseitiger Erleichterung ein Abgeordnetenmandat erringt, wird Globke sein Nachfolger und steigt am 27. Oktober 1953 doch noch zum Staatssekretär auf, nachdem sich die Wogen um seine NS-Vergangenheit vermeintlich geglättet haben. Er erhält damit eine Position, die er faktisch bereits seit seinem Eintritt in das Kanzleramt 1949 ausgefüllt hat.

Die Frage, welche Rolle Globke im Kanzleramt wirklich spielte, ist nicht leicht zu beantworten. Er gilt als „graue Eminenz“ ‒ allerdings nicht im Sinne eines Drahtziehers aus dem Hintergrund, sondern als jemand, der seine Arbeitskraft, organisatorischen Fähigkeiten und Verwaltungserfahrung ganz in den Dienst seines Dienstherrn stellt und selbst kaum in Erscheinung tritt: loyal bis zur Selbstaufgabe, ohne eigenen politischen Ehrgeiz und persönlichen Geltungsdrang. Als Koordinator des Kanzleramtes und Berater Adenauers, in dessen Umgebung er ständig präsent ist, oft unter vier Augen, und mit dem er häufig allein im Garten des Palais Schaumburg spazieren geht, ist er unersetzlich. Gegenseitiges Vertrauen und eine erkennbare innere Verbundenheit bestimmen ihr Verhältnis. Ähnliche Prägungen bilden dafür ein breites Fundament: das katholische Milieu ihrer Herkunft, die rheinisch-preußische Sozialisation, gemeinsame Weltanschauungen und die politische Bindung an die Zentrumspartei, von der beide nach 1945 den Weg in die CDU gefunden haben. Für Außenstehende ist die Rolle Globkes hingegen nur schwer zu durchschauen, da er in Gegenwart anderer zumeist schweigt. Der Kunsthistoriker Wilhelm Hausenstein, erster deutscher Botschafter in Paris nach dem Krieg, nennt ihn deshalb eine „opake“ Persönlichkeit: undurchsichtig. So empfinden ihn viele. Doch für Adenauer sind es gerade Globkes Zurückhaltung und Verschwiegenheit, neben seiner administrativen Kompetenz, die seine Mitarbeit unentbehrlich machen.

Wenn Adenauer längere Zeit von Bonn abwesend ist, lässt er sich daher auch nicht durch Vizekanzler Franz Blücher, später Ludwig Erhard, vertreten. Vielmehr wird dann die Villa La Collina in Cadenabbia am Comer See, wo er seit dem Frühjahr 1957 mindestens zweimal im Jahr seinen Urlaub verbringt, zum „Ersatzkanzleramt“ und Globke zum Statthalter des Kanzlers in Bonn. Eigene Gestaltungsmacht beansprucht Globke dabei ebenfalls nicht. Insofern dürfte das Urteil von Walter Henkels, dem langjährigen Bonner Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Globke habe „mehr Einsicht in die Verhältnisse und Einfluss auf alle Staatsgeschäfte“ gehabt „als alle Minister zusammen“, nur eine wohlwollend gemeinte journalistische Zuspitzung sein.  

Eine Schlüsselrolle nimmt Globke jedoch von Anfang in der Personalpolitik ein. Das Organigramm des Kanzleramts vom Dezember 1949 weist ihn als Leiter der Abteilung für Koordinierungs- und Kabinettsangelegenheiten und als Leiter des Referats für die Personalien des Hauses und der Regierung insgesamt aus. Damit hat er trotz seiner NS-Belastung auch Einfluss auf die Personalpolitik in den Ministerien. Diese Rolle verliert er selbst dann nicht, als er das Personalreferat im Kanzleramt 1951 an Ministerialrat Karl Gumbel abtritt. Denn Staatsekretär Globke, berichtet Gumbel später, habe sich weiterhin „für alle Personalvorgänge“ interessiert, nicht nur bei Einstellungen, sondern ebenso bei Beförderungen. Ein regelmäßiges Forum für den Austausch über Personalfragen bietet zudem die sogenannte „Gewerkschaft der Staatssekretäre“, wie sie unter Eingeweihten heißt: eine Runde der Staatssekretäre der Bundesministerien, zu der diese sich einmal im Monat versammeln, um in „zwangloser Gesprächsrunde“ Informationen und Meinungen auszutauschen.

Aufgrund seiner guten Beziehungen zum Geschäftsführer und späteren Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Heinrich Krone, ist Globke zudem das Scharnier zwischen Kanzler, Partei und Parlament. Durch sogenannte „Spiegelreferate“ der Ministerien im Kanzleramt, die es bereits in der Reichskanzlei der Weimarer Republik gab, sorgt er außerdem dafür, dass Adenauer stets gut über Entwicklungen in den Ressorts informiert ist. Durch von ihm erstellte Zusammenfassungen der Umfragen und Untersuchungen des Allensbacher Instituts für Demoskopie unterrichtet Globke den Kanzler ebenfalls über die Stimmung im Land. Und über die 1954 gegründete „Staatsbürgerliche Vereinigung e.V.“ verwaltet er Parteispenden der deutschen Wirtschaft, die vornehmlich der CDU/CSU und FDP zufließen. 

Ein nennenswerter Anteil Globkes an Fragen der Außen- und Deutschlandpolitik ist dagegen ‒ abgesehen von seiner gelegentlichen Teilnahme an Auslandsreisen des Kanzlers, wie derjenigen nach Moskau im September 1955 ‒ nicht festzustellen. Dies gilt sogar für die beiden Fassungen des sogenannten „Globke-Plans“ von Anfang 1959 und Ende 1960, die offenbar auf Wunsch Adenauers im Kanzleramt erarbeitet werden. Die Vorschläge, wonach innerhalb eines Jahres in der Bundesrepublik und der DDR freie Wahlen und innerhalb von fünf Jahren in beiden deutschen Staaten Abstimmungen über die Wiedervereinigung stattfinden sollen, sind überraschend unorthodoxe Überlegungen, die zumindest vorübergehend die Existenz der DDR anerkennen. Da sie damit im Widerspruch zur offiziellen Politik des Alleinvertretungsanspruchs der Bundesrepublik gegenüber der DDR und der Hallstein-Doktrin stehen, darf das interne Denkpapier auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gelangen und bedarf äußerster Verschwiegenheit. Dafür bietet Globke die beste Gewähr. Tatsächlich bleibt der Plan lange geheim, bis Klaus Gotto, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Geschäftsführer der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn und seit 1976 der erste Leiter des Archivs für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin, ihn 1974 enthüllt.

Anwürfe und Diffamierungen

Amtsübergabe am 17. Oktober 1963 im Palais Schaumburg: (v.l.) Ludger Westrick, Staatssekretär beim...

Ein öffentliches Thema ist hingegen immer wieder Globkes Tätigkeit im NS-Regime. Bereits 1949, als er zum Ministerialdirigenten im Kanzleramt ernannt wird, ist er das Ziel von Anwürfen in Politik, Presse und bestimmten Publikationen, die versuchen, seine Position zu untergraben, aber auch dazu dienen sollen, Adenauer und die Bundesregierung herabzusetzen. Ein Beispiel dafür ist die Rede des „Kronjuristen“ der SPD, Adolf Arndt, im Deutschen Bundestag, der dort am 12. Juli 1950, ausgehend von der Person Globkes, aber dessen Rolle ins Allgemeine wendend, erklärt, „Ämterpatronage, der beamtenpolitische Konfessionalismus und die Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus“ hätten „im Bundeskanzleramt selbst zentral ihren Sitz“. Ihren Höhepunkt erreicht die Kampagne gegen Globke im Juli 1963 mit einem gegen ihn geführten Schauprozess in der DDR, in dem er in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt wird.

Im Mittelpunkt der Anschuldigungen stehen immer wieder Globkes „Kommentare zur Rassengesetzgebung“ aus dem Jahr 1936 und seine Mitwirkung bei den Verordnungen zu den Nürnberger Gesetzen. Auch wenn manche Behauptungen übertrieben oder falsch sind und in der Bundesrepublik sämtliche gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen „Unhaltbarkeit der Vorwürfe“ eingestellt werden, hat die Kritik doch einen wahren Kern. Entsprechend schwer ist es für ihn, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Nur selten bezieht er deshalb öffentlich Stellung oder stellt Strafantrag wegen Verleumdung, weil er sich durch falsche Behauptungen herabgesetzt fühlt. Adenauer hingegen stärkt ihm immer wieder den Rücken und lehnt mehrfach Angebote Globkes, freiwillig zurückzutreten, ab. Anfang 1961 verfügt er sogar, sein Staatssekretär könne alle dienstlichen Einrichtungen des Bundeskanzleramtes „uneingeschränkt“ nutzen, um die gegen ihn geführten Angriffe abzuwehren. Denn diese, so Adenauer, seien nicht gegen die Person gerichtet, sondern würden mit dem politischen Ziel geführt, „das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland zu untergraben und der Bundesregierung zu schaden“. Tatsächlich findet die Kampagne trotz einiger fortgesetzter Anschuldigungen ein rasches Ende, als Adenauer am 15. Oktober 1963 zurücktritt und Globke zeitgleich mit ihm in den Ruhestand geht.

Die Kritik an seiner Vergangenheit bleibt für Globke dennoch nicht folgenlos. Seine Absicht, den Lebensabend in der Schweiz zu verbringen, lässt sich nun nicht mehr verwirklichen, weil das Parlament des Kantons Waadt ihm unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussion um seine Person die Aufenthaltsgenehmigung verweigert. Globke sieht sich daher gezwungen, das Haus, das seine Frau Augusta nach dem Erwerb eines Grundstücks 1957 in Chardonne am Genfer See hat erbauen lassen, zu verkaufen. Zudem verpflichtet er sich, „jede räumliche und künftige Verbindung mit der Schweiz abzubrechen“. Resignation und Pessimismus kennzeichnen seine mentale Verfassung in den letzten Lebensjahren. Er glaubt sich diffamiert und sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne. Die Tatsache, dass er zwölf Jahre lang an verantwortlicher Stelle einem verbrecherischen Regime gedient und damit schwere Schuld auf sich geladen hat, führen bei ihm ‒ wie bei vielen anderen Deutschen ‒ nicht dazu, ein Unrechtsbewusstsein zu entwickeln, Schuldgefühle zu haben oder gar Reue zu zeigen. Nach außen lässt er davon jedenfalls nichts erkennen. So bleibt er bis zum Tod Adenauers 1967, wenn auch jetzt ohne offizielle Verpflichtung, an dessen Seite. Er selbst stirbt am 13. Februar 1973 in Bonn und ist auf dem Zentralfriedhof Bad Godesberg in Bonn-Plittersdorf beigesetzt.

Fazit

Hans Globke ist damit in vielfacher Hinsicht typisch für die Frühzeit der Bundesrepublik. Aufgewachsen und sozialisiert im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, diente der Jurist sowohl dem nationalsozialistischen Regime als loyaler Beamter in der Ministerialbürokratie als auch der katholischen Kirche als Informant des Bischofs Konrad von Preysing. Nach dem Ende des NS-Staates orientierte er sich bemerkenswert rasch um und stellte seine Kenntnisse und Erfahrungen zunächst den alliierten Siegermächten und dann der westdeutschen Nachkriegspolitik zur Verfügung. Globke steht daher exemplarisch für die vielfach von Opportunismus geprägte Elitenkontinuität vom „Dritten Reich“ zur Bundesrepublik. Denn er war kein Einzelfall. Nahezu alle Institutionen der Bundesrepublik waren bis weit in die 1960er Jahre hinein in hohem Maße NS-belastet. Der deutsch-jüdische Publizist Ralph Giordano hat deshalb zu Recht von einer „zweiten Schuld“ der Deutschen gesprochen, die es nicht vermocht hätten, im demokratischen Neuaufbau nach 1945/49 auf die Mitwirkung schwer belasteter NS-Funktionsträger an verantwortlicher Stelle zu verzichten.

Im Fall von Hans Globke ist die Schuld besonders groß, weil er im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern an der nationalsozialistischen Rassenpolitik unmittelbar beteiligt war. Eine überzeugende Erklärung, warum Adenauer ihn 1949 trotzdem zu einem seiner engsten Mitarbeiter machte und ihm damit eine Position im Zentrum der Macht verschaffte, gibt es nicht. Persönliche Empfehlungen und die Einstufung im Entnazifizierungsverfahren als „unbelastet“ mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Allerdings handelte Adenauer keineswegs in Unkenntnis der Vergangenheit Globkes, weil dieser mit Hinweis auf seinen Kommentar zu den Nürnberger Rassengesetzen eine Berufung zum Staatssekretär zunächst abgelehnt hatte, um keine Bürde für die neue Regierung darzustellen. Adenauer hingegen war ein erbitterter Gegner der Nationalsozialisten gewesen. Zwar gehörte er nicht dem aktiven Widerstand an. Aber er war ein Verfolgter des NS-Regimes, wurde 1933 als Oberbürgermeister von Köln von den neuen Machthabern entlassen und nach dem „Röhm-Putsch“ vom 30. Juni 1934 sowie dem Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet. Sympathie für den Nationalsozialismus und dessen Repräsentanten ist ihm also nicht nachzusagen. Gleichwohl entschied er sich für Globke und stellte sich, als dessen Tätigkeit im Reichsinnenministerium wiederholt zu öffentlichen Kampagnen führte, die sich auch gegen den Kanzler selbst richteten, immer wieder hinter ihn.

Insofern bleibt nur die Vermutung, dass Adenauer mit der Einstellung Globkes als Beamter im Höheren Dienst auch ein Zeichen setzen wollte, die vielen Millionen ehemaligen Nationalsozialisten, selbst wenn sie „Täter“ gewesen waren, und ihre „Mitläufer“ für den neuen Staat zu gewinnen, sie zumindest nicht von vornherein auszugrenzen. Zwar sollten die „wirklich Schuldigen“ an den Verbrechen, die in der nationalsozialistischen Zeit und im Kriege begangen worden seien, „mit aller Strenge bestraft werden“, bemerkte Adenauer dazu schon in seiner Regierungserklärung am 20. September 1949. Aber „für manche Verfehlungen und Vergehen“ müsse man „Verständnis aufbringen“. Die Bundesregierung sei deshalb entschlossen, dort, wo es ihr vertretbar erscheine, „Vergangenes vergangen sein zu lassen“.

Globke stand somit für viele ‒ in den Ministerien des Bundes und der Länder ebenso wie in anderen Bereichen der Gesellschaft. Im Palais Schaumburg indessen machte er sich bald unentbehrlich, weil er durch seine administrativen Fähigkeiten für eine effiziente und geräuschlose Amtsführung sorgte und diskret seine Verbindungen zu den Ressorts und zur Bundestagsfraktion der CDU/CSU pflegte, die ihn für Adenauer zu einem der wichtigsten Ratgeber innerhalb der Regierung werden ließen. So stieg er 1953 als Nachfolger von Franz-Josef Wuermeling und Otto Lenz doch noch zum Staatssekretär und Chef des Kanzleramtes auf. Während seine Vorgänger eigenen politischen Ehrgeiz besessen und sich damit bald wieder aus dem Umfeld Adenauers entfernt hatten, hielt er sich jedoch im Hintergrund und stellte sich völlig in den Dienst des Kanzlers: ganz angepasster Beamter auch hier.

  • Bästlein, Klaus: Der Fall Globke. Propaganda und Justiz in Ost und West, Berlin 2018.
  • Bevers, Jürgen: Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur grauen Eminenz der Bonner Republik, Berlin 2009.
  • Globke, Hans: Volksbegehren und Volksentscheid, Berlin 1931.
  • Globke, Hans: Die Immunität der Mitglieder des Reichstags und der Landtage, Juristische Dissertation, Gießen 1922.
  • Globke, Hans: Der deutsch-litauische Vertrag über die Staatsangehörigkeit der Memelländer, in: Zeitschrift für osteuropäisches Recht, N.F., Jg. 6 (1939/1940), S. 105–113.
  • Globke, Hans: Der Zusatzvertrag zum deutsch-slowakischen Staatsangehörigkeitsvertrag, in: Zeitschrift für osteuropäisches Recht, N.F., Jg. 8 (1941/1942), S. 278–283.
  • Globke, Hans: Die Staatsangehörigkeit der Volksdeutschen Umsiedler aus Ost- und Südosteuropa, in: Zeitschrift für Osteuropäisches Recht. Januar 1943, S. 1–26.
  • Hans Maria Globke. Mitbegründer der Nürnberger Rassegesetze und Staatssekretär von Konrad Adenauer ‒ Warum konnte er nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Karriere machen?, München 2021.
  • Gotto, Klaus (Hrsg.): Der Staatssekretär Adenauers. Persönlichkeit und politisches Wirken Hans Globkes (= Veröffentlichung der  Konrad-Adenauer-Stiftung, Archiv für Christlich-Demokratische Politik), Stuttgart 1980.
  • Laschet, Oliver: Der Fall Hans Globke, München 2005.
  • Lommatzsch, Erik: Hans Globke (1898-1973). Beamter im Dritten Reich und Staatssekretär Adenauers, Frankfurt am Main und New York 2009.
  • Die Namensänderung auf Grund der preußischen Verordnung vom 3. November 1919 und die übrigen einschlägigen Bestimmungen, zusammengestellt und erläutert von Walter Kriege, Fritz Opitz  und Hans Globke, Eberswalde-Berlin 1934.
  • Schwab-Trapp, Michael: Konflikt, Kultur und Interpretation. Eine Diskursanalyse des öffentlichen Umgangs mit dem Nationalsozialismus, Opladen 1996.
  • Schwarz, Erika: Juden im Zeugenstand. Die Spur des Hans Globke im Gedächtnis der Überlebenden der Schoa, Berlin 2009.
  • Strecker, Reinhard (Hrsg.): Dr. Hans Globke. Aktenauszüge, Dokumente, Hamburg 1961.
  • Stuckart, Wilhelm und Hans Globke, Kommentare zur deutschen Rassengesetzgebung, München und Berlin 1936.
  • Stuckart, Wilhelm und Hans Globke: Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935. Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935. Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz) vom 18. Oktober 1935. Nebst allen Ausführungsvorschriften und den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, München 1936.
  • Urteil gegen Hans Josef Maria Globke. Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik, 1. Strafsenat 1 Zst (I) 1/63, hrsg. vom Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes, Haifa 2000.

Manfred Görtemaker