Leo Schwering

Leo Schwering

* geboren 16.03.1883 in Coesfeld/Westfalen
† gestorben 07.05.1971 in Köln

Philologe, Bibliotheksdirektor, Dr. phil., rk.

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Übersicht

1903-1908 Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Erdkunde in Bonn
1912 Studienrat am Gymnasium Kreuzgasse in Köln
1912 Wahl zum Vorsitzenden des Kölner Lokalverbandes des Volksverein für das katholische Deutschland
1921-1932 MdL Preußen (Zentrum)
1934 zwangspensioniert
1944 Gestapo-Haft
1945 Bibliotheksdirektor
1945-1947 Mitbegründer und Vorsitzender der rheinischen CDU
1946-195 MdL (CDU) Nordrhein-Westfalen

Biographischer Werdegang

Als Mitbegründer der Kölner CDU gehörte Leo Schwering zu den ersten Politikern der neugegründeten Union. Schon mit Beginn der 1950er Jahre setzte er sich mit der Geschichte der noch jungen Partei auseinander und veröffentlichte die ersten größeren Darstellungen ihrer Gründungsgeschichte.

Familie und Ausbildung

Leo Schwering kam am 16. März 1883 in Coesfeld im Münsterland zur Welt und wuchs in Köln auf. Er stammte aus einer Familie des katholischen Bildungsbürgertums. Sein Vater Karl Schwering war habilitierter Mathematiker, seine Berufung zum Professor blieb jedoch aus. Möglicherweise war der katholische Glaube der Familie der Grund dafür, der inmitten des Kulturkampfes die Beförderung des Vaters unmöglich machte. Stattdessen wurde Karl Schwering Lehrer und übernahm 1901 die Leitung des Kölner Apostelgymnasiums, dessen Vorplatz heute noch nach ihm benannt ist. Dort ging auch sein Sohn Leo zur Schule und bestand seine Abiturprüfungen im Jahr 1903.

Anschließend studierte Schwering klassische Philologie, Geschichte und Erdkunde. 1907 erfolgte die Promotion in Geschichte. Er entschied sich trotz der prinzipiellen Möglichkeit gegen eine akademische Laufbahn, folgte seinem Vater in den Schuldienst und unterrichtete am Gymnasium Kreuzgasse, einem der älteren Kölner Gymnasien.

Einstieg in die Politik – die Weimarer Zeit

Schon in dieser Zeit zeigte sich Schwerings Interesse an der Politik. Über das katholische Verbandswesen kam er in engeren Kontakt mit der Zentrumspartei. 1912 übernahm er den Vorsitz des Kölner Lokalverbandes des Volksvereins für das katholische Deutschland. Dieser bildete de facto den Dachverband der katholischen Laienvereinigungen in Deutschland und war darüber hinaus Vorfeldorganisation und eines der wichtigsten Personalreservoirs des Zentrums.

Im November 1920 nahm Schwering als Teilnehmer am Essener Gewerkschaftskongress teil, bei dem Adam Stegerwald in einer heute berühmten Rede forderte, eine konfessionsübergreifende christliche Volkspartei zu gründen. Auch wenn diese Idee in der Weimarer Zeit nicht verwirklicht wurde, war die Rede doch ein entscheidender Referenzpunkt, auf den sich Schwering und andere Angehörige der Gründergeneration der Union nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder beziehen sollten. Außerdem macht seine Teilnahme an dem Gewerkschaftstreffen auch deutlich, dass er die Forderungen des sozialpolitisch linken Flügels der Partei teilte.

1921 wurde er schließlich für die Zentrumspartei in den Preußischen Landtag gewählt. Eine besondere Expertise baute er hier in der Bildungspolitik auf. Er blieb in der zweiten Reihe der Fraktion und erhielt bei der Wahl von 1931 keinen aussichtsreichen Listenplatz. Nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament widmete er sich wieder in Vollzeit seiner Arbeit als Pädagoge und arbeitete weiterhin an seiner alten Arbeitsstelle.

Zeit des Nationalsozialismus – Krieg – Kriegsende

Dies änderte sich, als Adolf Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde und die Nationalsozialisten schrittweise die Macht in Staat und Verwaltung übernahmen. Schwering wurde aus politischen Gründen 1934 aus dem Schuldienst entlassen und musste nun mit anderen Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt verdienen. Er versuchte sich als Autor und Herausgeber einer Zeitung. Außerdem gründete er ein Silentium, eine Art der Hausaufgabenhilfe für Gymnasiasten. Diese Vorhaben waren aber nur wenig erfolgreich. Schwerings „Rettung“ kam schließlich aus kirchlichen Kreisen. Mit Hilfe des Kölner Kardinals Schulte konnte Schwering weit über 500 Vorträge in Kölner Pfarreien und anderen kirchlichen Einrichtungen halten, die ihm den Lebensunterhalt garantierten.

Während des Krieges gehörte Schwering zu den Teilnehmern eines Gesprächskreises, der sich wöchentlich im Kölner Kolpinghaus traf und von den Sicherheitsbehörden des nationalsozialistischen Staates als Teil des Widerstandes betrachtet wurde. Diese Treffen reichten für die Nationalsozialisten aus, um Schwering gemeinsam mit anderen Mitgliedern nach dem gescheiterten Anschlag auf Hitler Mitte August 1944 zeitweise in Haft zu setzen.

Die Gründung der Union im Rheinland

In Königswinter und später in Köln erlebte Schwering das Ende des Krieges. Schon in den Wochen und Monaten zuvor hatte er den Kontakt zu ehemaligen Zentrumsfunktionären und anderen interessierten Katholiken und Protestanten gesucht, um mit ihnen eine Plattform zu schaffen, die einen Beitrag für den politischen Neubeginn im Nachkriegsdeutschland bieten sollte. Das Ergebnis war die Gründung der CDP, die sich schließlich in CDU umbenennen sollte. Leo Schwering wurde am 2. September 1945 zum ersten Vorsitzenden der CDU im Rheinland gewählt. Anders als die alte Zentrumspartei war die CDP von Anfang an als überkonfessionelle Partei gedacht, auch wenn anfangs die Mitgliedschaft und die Gruppe der Funktionäre noch von der katholischen Seite dominiert wurden.  

Bei der Gründung der CDP spielte Schwering eine wichtige Rolle. Schon im Mai 1945 wandte er sich im Namen seiner Mitstreiter an die amerikanische Besatzungsmacht, um die Genehmigung einer Parteigründung zu erwirken. Auf der inoffiziellen Gründungsveranstaltung der Kölner CDP am 17. Juni 1945 hielt er den Hauptvortrag, womit er maßgeblichen Einfluss auf die politischen Forderungen der Partei ausübte.

In ihrer politischen Ausrichtung war die Gruppe um Schwering deutlich ein Bestandteil des linken Flügels der entstehenden Christlichen Demokratie. Schwering gehörte dem Walberberger Kreis an, einer Gruppe christlich-demokratischer Politiker, die sich regelmäßig im Dominikanerkloster in Walberberg zwischen Köln und Bonn trafen. Mit der Begleitung der beiden Dominikaner P. Laurentius Siemer OP und P. Eberhard Welty OP arbeiteten sie an der Idee eines „christlichen Sozialismus“ bzw. eines „Sozialismus christlicher Prägung“. Sie strebten eine Verknüpfung christlicher Vorstellungen mit den wirtschaftspolitischen Ideen des Sozialismus an, auf der Basis der katholischen Soziallehre. Erst mit dem Aufstieg Konrad Adenauers wurde dieser Pfad in der CDU immer schwächer, da unter seiner Führung derartige Konzepte mehr und mehr zurückgedrängt wurden und zunehmend der Idee der Sozialen Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards wichen.

Schwerings politische Karriere erfuhr im Jahr 1947 einen empfindlichen Dämpfer, als bei der Wahl zum Vorsitzenden des rheinischen Landesverbandes Konrad Adenauer in einer Kampfkandidatur zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Er unterlag bei der Wahl deutlich und nahm Adenauer die Gegenkandidatur übel. Dabei zeigte sich aber, dass er sich und seine Stellung in der neuen Partei völlig falsch eingeschätzt hatte. Selbst diejenigen, die ihm bisher wohlgesinnt gewesen waren, drückten ihre Verwunderung darüber aus, dass er überhaupt gegen Adenauer angetreten war. Selbstverständlich sei dieser der naheliegendste Kandidat für den Vorsitz des Landesverbandes gewesen. Auch Vertreter des linken Flügels der Union, wie zum Beispiel der spätere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold, unterstützten nun ausdrücklich den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister. Aus Verärgerung zog sich Schwering für eine Weile aus der Parteiarbeit zurück, was zu einem weiteren Verlust an Einfluss innerhalb der CDU führte.

Neue Karriere als Parteihistoriker

Schwering blieb bis 1958 direkt gewähltes Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. In der vordersten Reihe der CDU-Politiker spielte er aber keine Rolle mehr. Stattdessen widmete er sich vor allem seiner Arbeit als Historiker. Bereits 1952 veröffentlichte er eine erste Darstellung der Gründungszeit der CDU in Köln und im Rheinland. Schwering bemühte sich darum, die Frühgeschichte der Union, in der er so eine große Rolle gespielt hatte, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dafür sammelte er Dokumente und Zeugnisse aus seiner eigenen Arbeit und derjenigen seiner früheren Weggefährten, um ein möglichst detailliertes Bild über die unmittelbare Entstehungszeit der Christlichen Demokratie zeichnen zu können.

Es ist davon auszugehen, dass es ihm nicht allein darum ging, die Ereignisse, so wie sie gewesen waren, aufzuzeichnen. Wesentliche Teile des Flügels, dem sich Schwering zugehörig fühlte, hatten in den 1950er Jahren die Union bereits wieder verlassen und sich anderen Parteien wie der SPD angeschlossen oder sie folgten mittlerweile im Wesentlichen der politischen Linie Adenauers. Indem er sich selbst als Autor betätigte, schaffte es Schwering, seine persönliche Sicht auf die Geschehnisse der unmittelbaren Nachkriegszeit darzulegen und festzuhalten.  

Schwerings Interpretation der CDU

Schwering versuchte dabei, die Gründung der CDU in einen Gesamtzusammenhang mit der Geschichte der Weimarer Republik und der Zeit der nationalsozialistischen Tyrannei zu bringen. Als jemand, der im politischen Katholizismus sozialisiert worden war und keinen Anteil an den Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus gehabt hatte, war es sein Anliegen, dass sich eine Gewaltherrschaft wie in den Jahren von 1933 bis 1945 nicht wiederholte. Dabei fragte er danach, wie die Regierungsübernahme der NSDAP überhaupt erst möglich geworden war und wo die Versäumnisse der Weimarer Parteien gelegen hatten.

Als ehemaliger Politiker des Zentrums kannte er die früheren Strukturen der Partei und folgerte hieraus, dass eine einfache Wiedergründung nur zu einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft in Deutschland geführt hätte. In den katholisch dominierten Gegenden in Deutschland könne das Zentrum zwar wieder großen Einfluss gewinnen, aber über die Ergebnisse der Weimarer Zeiten würde man doch nicht hinauskommen.

Außerdem schrieb Schwering, er sei der erste Zentrumspolitiker gewesen, der nach Kriegsende auf Konrad Adenauer zugegangen wäre, um ihn für die Arbeit in der neuen Partei zu gewinnen. Dass er dies betonte, mag auch daran liegen, dass er in seinem Buch – bereits in den 1950er Jahren – darauf hinweisen wollte, dass er zu den Ersten gehört hatte, die den früheren Oberbürgermeister von Köln zurück in die Politik hatten holen wollen. Adenauer habe aber zu seinem Erstaunen abgelehnt, da sich seiner Ansicht nach die Frage nach Parteigründungen noch nicht stellen würde und er sich genauso wenig schon wieder in der Politik sähe.

Arbeit nach seinem Abschied aus dem Parlament

Als Leo Schwering 1958 aus dem nordrhein-westfälischen Landtag ausschied, nutzte er die darauffolgenden Jahre für weitere historische Forschungen zur frühen Christlichen Demokratie in Deutschland. 1963 erschien ein weiteres Buch zu diesem Thema. Schwerings Nachlass dokumentiert den intensiven Kontakt, den er noch in späteren Jahren mit früheren Weggefährten und Zeitzeugen hatte. Außerdem war er auch für die Parteigliederungen ein gefragter Ansprechpartner für sämtliche Fragen zur CDU-Geschichte.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Köln. Dort starb er zurückgezogen am 7. Mai 1971 im Alter von 88 Jahren.

Bedeutung Schwerings für die Frühgeschichte der CDU

Trotz seines vielfältigen Engagements bei der Gründung der rheinischen Union hielt sich die politische Bedeutung Schwerings in engen Grenzen. So wurde er langfristig nicht Teil der Parteispitze und übernahm weder auf Landes- noch auf Bundesebene eine führende Rolle.

Darin liegt aber auch nicht seine Bedeutung für die Geschichte der frühen Christlichen Demokratie. Leo Schwering hat bis zu einem gewissen Grad die Geschichte der frühen CDU selbst geschrieben. Zu einem Zeitpunkt, an dem noch niemand in der Partei dies als Notwendigkeit begriff, setzte er sich für die Sicherung der Zeugnisse aus der Gründungsgeschichte ein. Viele der Gespräche, Treffen und Ereignisse in der Frühzeit der Partei wurden an keiner anderen Stelle aufgeschrieben und wären ohne Schwerings Einsatz heute vergessen. Erst mit der Gründung des Archivs für Christlich-Demokratische Politik 1976 übernahm die Konrad-Adenauer-Stiftung die Aufgabe, die Quellen aus der Parteigeschichte systematisch zu sammeln und diese zu dokumentieren. Das Verdienst Schwerings liegt jedoch bis heute darin, dass er der erste Chronist der Geschichte der Partei war.

  • Historisches Archiv der Stadt Köln

  • Belgien (1916).
  • Belgien, der Angelpunkt des Weltkrieges (1917).
  • August Reichensperger (1936).
  • Propheten (1939).
  • Vorgeschichte und Entstehung d. CDU, Köln o. J. [1952].
  • Frühgeschichte der christlich-demokratischen Union (1963).
  • In den Klauen der Gestapo. Tagebuchaufzeichnungen d. J. 1944–45. Hrsg. u. kommentiert v. Markus Schwering (1988).

Björn Höfer