Rhöndorfer Ausgabe Online
Bei meiner Rückkehr nach Rhöndorf finde ich Ihr freundliches Schreiben vom 18.2.46 vor1. In der Zwischenzeit haben wir uns ja nun gesprochen2. Ich habe mir unser Gespräch noch sehr durch den Kopf gehen lassen. Es drängt mich, Ihnen zu sagen, daß nach meiner auf eingehenden Überlegungen fußenden Überzeugung der gegenwärtige Zeitpunkt für das zukünftige Geschick Deutschlands, des christlichen Gedankens, für ganz Europa von der entscheidendsten Bedeutung ist. Wir müssen daher alles tun, um alle zur Mitarbeit in unser beiden Sinne bereiten Kräfte in einem großen Strom zusammenzufassen. Ich bitte Sie sehr, lassen wir doch dieses Ziel allen Ressentiments voranstellen und entschlossen und großzügig über allen Schutt und über alle Hindernisse, die leider in diesen Monaten ganz unnötigerweise auf unseren Weg geworfen sind, hinwegschreiten, auch ohne jede Rücksicht auf Nörgler und Kritiker, die Sie und ich haben.
Den von Herrn Dechant Schreiber gemachten Vorschlag werde ich nicht leicht durchsetzen können. Aber wenn wir beide uns auf diesem Weg finden, so wird es mir gelingen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebener
Adenauer
In diesem in StBKAH 08.55/4 erhaltenen Schreiben Hinweise auf eine »für Anfang März vorgesehene Tagung« und die dabei geplante Diskussion des Zentrumsprogramms, an dem sich Adenauer interessiert gezeigt hatte. Zum damit angesprochenen 1. Parteitag des Zentrums in Essen am 10.3.1946 vgl. Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 88. Druck des am 14.10.1945 in Soest verkündeten Programms der Zentrumspartei: Dokumente zur Christlichen Demokratie Bd. 2, S. 172-174.
Zu Schreiber vgl. das Schreiben an führende katholische Geistliche in Köln vom 15.4.1946 sowie die Aktennotiz über eine Besprechung bei Stadtdechant Robert Grosche vom 13.4.1946.