Konrad Adenauer und Heinz Kisters

Heinz Kisters

* geboren 22.05.1912 in Köln
† gestorben 05.07.1977 in Kreuzlingen


Kunsthändler

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Übersicht

1931–1945Inhaber eines Geschäfts für Radiotechnik in Köln
Nach 1945Umzug nach Meersburg
1957Übersiedlung nach Kreuzlingen (Schweiz)
1950–1967Tätigkeit als Kunsthändler für Konrad Adenauer
1970Gescheiterte Versteigerung der Adenauer-Sammlung in London

Herkunft und Werdegang

Heinz Kisters ließ sich nach dem Abitur als Hochfrequenztechniker ausbilden und eröffnete 1931 in Köln ein Geschäft für Radiotechnik. Nach Aussagen seines Sohnes Friedrich versteckte er sich zu Beginn des Krieges bei Kölner Freunden, die aber auf Dauer das Risiko nicht tragen wollten, einem jungen Mann in wehrpflichtigem Alter Unterschlupf zu gewähren. Der Strafe durch Erschießen entging Kisters durch Radiogeschenke an Militärfunktionäre, vor allem durch seine technischen Kenntnisse. Sie wurden mit fortschreitendem Krieg dringend gebraucht. Sie bewahrten ihn zwar nicht vor dem Militärdienst, wohl aber vor einem Fronteinsatz, so dass Kisters bis Kriegsende sein Radiogeschäft in Köln weiterführen konnte, zeitweise mit Hilfe von Freunden.

Friedrich Kisters nennt noch einen Grund, weshalb sein Vater dem Tode entging: Ein Hauptmann wollte seiner Tochter unbedingt ein Klavier schenken – damals ein fast unmögliches Vorhaben! Heinz Kisters wandte sich an seinen guten Bekannten Heinrich Pferdmenges, dem er einst geholfen hatte. Nun revanchierte sich dieser und beschaffte tatsächlich ein Klavier. Vielleicht half auch der Vater Robert Pferdmenges mit. Jedenfalls konnte Heinz Kisters seinen Militärdienst als Funker hinter der Front tun und erhielt sogar ein Militärfahrzeug zu seiner Verfügung.

Friedrich Kisters berichtet auch, dass sein Vater heimlich Gemälde befreundeter Sammler transportierte, sie auf diese Weise vor Bomben in Sicherheit brachte und später den Eigentümern zurückgab. Einmal warnte ihn ein befreundeter Funker vor einer SS-Kontrolle; Kisters konnte die Kunstwerke gerade noch rechtzeitig in einem Straßengraben verstecken, so dass er zum zweiten Mal einer harten Militärstrafe entging, wahrscheinlich sogar einer Erschießung.

Irgendwann nach 1945 zog Kisters von Köln nach Meersburg, 1957 dann auf die Schweizer Seite des Bodensees, nach Kreuzlingen. Heinz Kisters und die Ärztin Gerlinde Kessler (geboren 1931) heirateten 1963. Ihre beiden Kinder Brigitte und Friedrich wurden 1964 und 1967 geboren. Vor allem verdiente er seinen Lebensunterhalt mit der Entwicklung und dem Verkauf von „Tefifon“-Kassetten, die durch eine Abspieldauer bis zu vier Stunden bestachen. Noch bevor diese Technik durch andere Entwicklungen überholt wurden, verkaufte Kisters seine Anteile an die Firma Philipps, die hierfür gut bezahlte.

Kisters und die Kunst

Angeregt durch seine Eltern, beschäftigte sich Heinz Kisters schon früh mit Kunstwerken alter Meister. Sein Vater besaß eine kleine Sammlung alter Handzeichnungen, und seine Mutter weckte sein Interesse für die alten Niederländer. Vielleicht hatte sie als Katholikin einen stärkeren Zugang zu den religiösen Motiven, die die alte Malerei prägen. Bereits mit 21 Jahren besaß Heinz Kisters ein Gemälde von Johannes Rottenhammer (1564 –1625). Zwischen 1941 und 1944 erwarb er vom Kölner Wallraf-Richartz-Museum 105 Gemälde altdeutscher und altniederländischer Meister. Von dem Erlös kaufte der Museumsdirektor Otto H. Förster moderne Kunst, die aus besetzten Gebieten stammte, vor allem aus Paris und Amsterdam, also sicherlich geraubte oder unter Druck erworbene Kunst gewesen ist. Jedenfalls musste das Museum 55 dieser Gemälde später zurückgeben.

Schon vor Kriegsende verkaufte Heinz Kisters einige dieser Bilder und vergrößerte nun ständig seine Sammlung, beispielsweise um frühe italienische Malerei und um spanische Malerei des 17. Jahrhunderts. Als Beispiele seien nur genannt: Lucas Cranach (der Ältere), Anton van Dyck, Peter Paul Rubens, Tiziano Vecellio, Diego Velásquez. Wie der Katalog von 1963 lobend erwähnt, ließ sich Kisters durch renommierte Kunstwissenschaftler beraten, etwa bei Neu-Erwerbungen. Mit Kunsthändlern, Kunstsammlern und Auktionshäusern stand er in ständiger Verbindung; allerdings kaufte er normalerweise nicht bei Kunsthändlern, sondern ersteigerte seine Neu-Erwerbungen oft im In- und Ausland, beispielsweise in London bei Sotheby's und Christie's oder in Zürich bei Koller.

Wie er drei Bilder alter Meister aus Hermann Görings gewaltiger Kunstsammlung kaufen konnte, beschreibt Kunsthistorikerin Ilse von zur Mühlen: Görings Kunstsammlung befand sich bei Kriegsende in Bayern, wo sie der amerikanischen Besatzungsmacht in die Hände fiel. Eine Reihe von Kunstwerken restituierten die Amerikaner und übergaben die Restbestände an den Freistaat Bayern. Was nach weiterer Restituierung und Gaben an Museen übrigblieb, sollte verkauft werden – ein umstrittenes Verfahren, weil noch nicht alle früheren Eigentümer oder deren Erben abschließend ermittelt waren. Auf diese Weise erwarb Kisters drei Gemälde aus Görings Sammlung, zwei altdeutsche und ein altniederländisches, das Melchior Feselen zugeschrieben wird. Dieses Gemälde mit dem Titel „Die große Feldschlacht“ oder auch „Judith und Holofernes“ war einst vom Kunsthändler Walter Andreas Hofer für Göring angeschafft und dann von seiner Frau Berta Hofer restauriert worden.

Nicht nur Gemälde kaufte er. Den bekannten Kunsthändler Hans Wendland, der während der deutschen Besatzung besonders gute Geschäfte in Paris gemacht hatte, bezeichnet Friedrich Kisters als Freund seines Vaters. Ihm kaufte Heinz Kisters die Kunstbibliothek ab. Die Bezeichnung „Kunsthändler“ lehnte er ab, denn er sah sich als „Kunstsammler“. Ein Kunsthändler, so Friedrich Kisters, kauft Kunstwerke, um sie weiterzuverkaufen; ein Sammler kauft für sich selbst, hat also ein anderes, nämlich ein persönliches Verhältnis zu den Kunstwerken. Natürlich komme es vor, dass ein Kunstsammler tauscht und auch verkauft. So verkaufte Heinz Kisters eine größere Anzahl von niederländischen Blumenbildern, weil sie seinen Geschmack nicht mehr trafen. Ausstellungen machten ihn in der Bundesrepublik und in der Schweiz bekannt. So war er Teil eines Netzwerkes von Kunstsammlern, -händlern, Restauratoren, Verantwortlichen der Kulturpolitik und Museen, die Ausstellungen seiner Gemälde zeigten.

Adenauer und die Kunst

Blick in Adenauers Wohnzimmer mit Gemälde Salomon van Ruysdaels (um 1600-1670)

Konrad Adenauer war ein stark visuell geprägter Mensch. Das Panoramafenster seines Rhöndorfer Wohnzimmers gibt den Blick frei auf seinen großen Garten mit den vielen Rosen und, weiter unten, auf das grüne Rheintal. „Ich liebe diesen weiten Blick“, sagte er seinem Biografen Paul Weymar. „Manchmal denke ich, dass es den Verstand klarer und das Herz weiter macht, so in die Ferne zu schauen.“

Im Wohnhaus befand sich eine kleine Kunstsammlung, die dem Kanzler mindestens so viel bedeutete wie sein Garten. Adenauer entstammte dem tief katholischen Milieu des Rheinlandes und blieb ihm zeitlebens verbunden. Noch heute sind einige dieser Bilder für Besucherinnen und Besucher in Rhöndorf zu bestaunen: frühe Italiener, Niederländer, Deutsche, fast alles religiöse Darstellungen. Je ein Porträt seiner Mutter und seines Vaters hängen ebenfalls im Schlafzimmer.

Zimmer in Adenauers Kölner Haus mit Gemälde Charles I. aus der Schule des Anthonis van Dyck...

Manche Kunstwerke, etwa ein Porträt des englischen Königs Charles I. aus der van Dyck-Schule, stammen aus dem Familienbesitz von Adenauer erster Frau Emma Weyer, deren Großvater Johann Peter Weyer einer der bedeutendsten Kölner Kunstsammler des 19. Jahrhunderts gewesen ist. In Adenauers Privatbibliothek befand sich viel Fachliteratur über bildende Kunst, vor allem über Gemälde. Wie wichtig dem Bundeskanzler seine Kunstsammlung war, unterstreicht folgende kleine Begebenheit: Am 26. Mai 1953 schrieb Adenauer an seine Nachbarin Sofie Kopera, dass der ungewöhnlich starke Widerschein des rot angestrichenen Daches in sein Arbeitszimmer dringe und die Farben der dort hängenden Bilder beeinträchtige. Er wäre sehr dankbar, wenn sie ihm gestatten würde, einen Anstreicher zu beauftragen, um wenigstens die Dachseite neu zu streichen. Frau Kopera war einverstanden, Konrad Adenauer war zufrieden.

Nicht ganz zufrieden war er mit seiner Kunstsammlung, mit der Aufhängung der Bilder und ihrer Anordnung; auch wünschte er sich manchmal eine Neuerwerbung durch Tausch oder vielleicht auch durch Kauf. Da kam ihm der Vorschlag seines Freundes Robert Pferdmenges durchaus gelegen: Der empfahl Heinz Kisters als Fachmann für alte Gemälde.

Adenauer und Kisters: eine Geschäftsbeziehung im Zeichen der Kunst

1950 – Konrad Adenauer ist seit einem Jahr Bundeskanzler – kommt Heinz Kisters zum ersten Mal nach Rhöndorf an einem Sonntagnachmittag. Der Hausherr zeigt ihm einen Teil seiner Sammlung; sie tauschen ihre Meinungen über Herkunft und Qualität aus, und Adenauer bittet seinen Gast, am nächsten Sonntag wiederzukommen. Das Ergebnis dieses Besuches schildert Kisters so: Der Kanzler wolle seine Bilder zu einem Ganzen aufbauen: „Aber wo soll ich die Zeit hernehmen! Sie wissen doch, wie es in der Welt aussieht und welch ernsten Zeiten wir entgegengehen. Ich komme meist erst gegen zehn Uhr abends nach Hause, und früh morgens sitze ich schon wieder an meinem Schreibtisch. Andererseits ist die Beschäftigung mit den Bildern für mich die schönste Entspannung und Erholung. Ich möchte gern das Bestehende mit den bescheidenen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, weiter ausbauen. Wollen Sie mir dabei helfen?“. Das war der Beginn eines Kontaktes, der siebzehn Jahre dauerte – bis zum Tode des Kanzlers 1967.

Adenauer im Wohnzimmer mit Mariendarstellung im Hintergrund

Konrad Adenauer blieb Witwer, nachdem 1948 seine zweite Frau Gussie gestorben war. Sein Privatleben teilte er, außer mit seinen Kindern, mit ganz wenigen Menschen, so mit Robert Pferdmenges und dessen Frau Dora. Der Garten und vor allem die Bilder mit ihren religiösen Inhalten stärkten ihn. Durch direkt ausgerichtete Leuchtstrahler konnte er die Gemälde auch bei schlechten Tageslichtverhältnissen optimal illuminieren, ein spezielles Hängesystem ermöglichte ihm die Platzierung an unterschiedlichen Standorten. Die Bilder waren seine eigene, ganz persönliche Angelegenheit, über die er normalerweise mit niemandem sprach. Heinz Kisters bildete ab jetzt die wichtige Ausnahme. Von ihm ließ sich Adenauer beraten, diskutierte mit ihm über Herkunft und Qualität der Bilder, kaufte und tauschte.

Kisters schickte ihm Fotos von seinen Neuerwerbungen oder aus seinen eigenen Beständen. Auf Grund eines Fotos signalisierte der Kanzler Interesse oder Ablehnung. War er interessiert, suchte Kisters ihn auf, meist an einem Sonntagnachmittag, und zeigte ihm das Original des Gemäldes. Manchmal zögert Adenauer, manchmal ist er gleich begeistert oder ergriffen. So erwähnt Kisters, wie er dem Kanzler „Die Beweinung Christi“ von Jan Joest von Kalkar brachte. Adenauer bedankt sich überschwänglich, lobt die Qualität des Bildes und fügt hinzu: „Der Maler muss nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein tiefreligiöser Mensch gewesen sein. Das sieht man an der großen Ausdruckskraft, die von seinem Werk ausgeht. Sehen Sie den tiefen und stillen Schmerz auf dem Gesicht der Maria im Gegensatz zu dem bewegten schmerzlichen Ausdruck des Johannes. Ergreifend realistisch hat der Maler den toten Christus und die Maria Magdalena dargestellt, die kaum wagt, den toten Körper des Christus zu berühren.“ Adenauer erinnert sich, dass er das Bild früher im Wallraf-Richartz-Museum gesehen habe – „Es war eins meiner liebsten Bilder“ – und wird misstrauisch. Kisters kann Adenauers Misstrauen zerstreuen, indem er erklärt, er habe das Bild während des Krieges im Rahmen einer Tauschaktion (!) aus dem Museum erworben. Ganz zufrieden ist der Kanzler jedoch nicht. Jedenfalls äußert er seinen Unmut über die „Tauschaktion“, bevor er sich wirklich freuen kann.

Blick in Adenauers Schlafzimmer

Als besonders bewegend und außergewöhnlich schildert Kisters seinen letzten Besuch: Adenauer sei in sein Schlafzimmer gegangen und habe ihm das Foto seines verstorbenen Vaters gezeigt, eines „würdigen alten Herrn mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen. Waren es Vorahnungen, die den Kanzler veranlasst haben, mir das Foto zu zeigen? Im darauffolgenden Monat, am 19. April 1967, nahm er Abschied von allem. Mit letzter Kraft deutete er auf das über seinem Bett hängende Gemälde, eine Darstellung des himmlischen Vaters, des gekreuzigten Christus und der Taube des heiligen Geistes.“ Damit beendet Kisters sein Buch.

"Gnadenstuhl" im Schlafzimmer

Konrad Adenauer, der Enkel des Kanzlers, sagte dazu 2022 in einem Gespräch: „Es ist richtig, dass über dem Bett die Darstellung des ‚Gnadenstuhles‘ hing. Es hängt auch heute noch im Schlafzimmer des Rhöndorfer Wohnhauses. Aber in einem Detail irrt Kisters: Die Taube befindet sich nicht auf dem Bild.“ Adenauers Sohn Paul zufolge lauteten die Worte des Vaters an seine Familie: „Do jitt et nix zo kriesche.“ Im rheinischen Tonfall brachte er damit seine Erwartung der Erlösung durch Christus zum Ausdruck.

Die siebzehnjährige Zusammenarbeit mit dem Kanzler stellt Kisters als uneingeschränkt harmonisch dar. Sicherlich habe es ab und zu Meinungsverschiedenheiten über den Preis oder die Qualität der Bilder gegeben, die aber das Vertrauensverhältnis nicht getrübt hätten. Allerdings zeigt der Briefwechsel, besonders die Briefe von Adenauer, auch größere Unstimmigkeiten. Nachdem Kisters ihm anlässlich eines Gemäldetausches zwei Zahlenaufstellungen geschickt hatte, schrieb der Kanzler: „Diese beiden Aufstellungen stimmen absolut nicht überein. Das Soll ist erheblich höher als das Ist. Ich möchte gern, dass Soll und Ist, bevor der Umtausch beginnt, gleich sind. Bedenken Sie bitte, dass ich es Ihnen nicht übelnehme, wenn Sie bei dem Umtausch auch Ihr Interesse in maßvoller Weise wahren.“ Ein anderes Beispiel aus dem Jahre 1959: „Sie stehen immer in Verhandlungen wegen eines außerordentlich wichtigen und wunderschönen Bildes, aber leider bekomme ich die Ergebnisse nicht immer zu sehen. Es ist vielleicht auch gut so...“ Kisters Sohn meint dazu, dass Adenauer durchaus ein schwieriger und hartnäckiger Verhandlungspartner gewesen sei.

Adenauer im Arbeitszimmer

Gelegentlich bat Heinz Kisters den Kanzler, ihm bei dem Erwerb kostbarer Bilder zu helfen, wenn sie sich im Ausland befanden. So schrieb Adenauer 1960 an den bundesdeutschen Botschafter in Paris und 1965 vermittelte er in Madrid. Nach der Heirat 1963 begleitete Gerlinde Kisters ihren Mann manchmal nach Rhöndorf oder ließ dem Kanzler Geschenke zukommen. Die Briefe an sie sind durchweg freundlich.

Die folgende Begebenheit erwähnt Kisters nicht: Der Bundeskanzler möge dem Kindler-Verlag erlauben, dass Bild „die Beweinung Christi“ in ein Buchprojekt aufzunehmen. Offensichtlich hat Kisters dem Verlag schon eine Zusage gegeben, denn er will nicht akzeptieren, dass Adenauer zögert. „Die Leute lassen nicht locker und wollen das Bild Beweinung Christi unbedingt aufnehmen. Ich würde doch dazu raten, aber mit der Einschränkung, dass man nur schreibt, ‚deutscher Privatbesitz‘. Es ist immerhin günstig, wenn das Bild später in einem so bedeutenden Lexikon aufgeführt ist … Bitte, teilen Sie mir doch mit, wann die Fotografen kommen dürfen. Ich habe mit dem Inhaber der Fotografieranstalt gesprochen, und er sendet die beiden Spezialisten jederzeit zu Ihnen. Ich würde vielleicht raten, dass die Leute Mitte Januar bei Ihnen sind.“ Adenauer antwortet, entgegen seinen Gewohnheiten, kurz in administrativer Sprache: „Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich es ablehne, das Bild zur Verfügung zu stellen. Nach den Erfahrungen, die ich mit Diskretionszusagen gemacht habe, habe ich keine Lust, auf solche Zusagen weiter zu bauen.“

Adenauer im Wohnzimmer, im Hintergrund Heiligendarstellung aus der Schule des Caravaggio

Als Kisters so sehr drängte, war Adenauer schon seit zwei Jahren nicht mehr Bundeskanzler und stand kurz vor seinem 90. Geburtstag. Mit ein wenig Einfühlungsvermögen wäre Kisters bewusst gewesen, dass die Aussicht, das Bild „später in einem so bedeutenden Lexikon“ zu wissen, für Adenauer nicht unbedingt verlockend war und dass die geschäftige Unruhe der Fotografen den alten Mann nur gestört hätte. Unerwähnt lässt Kisters auch, dass er dem Kanzler eine Gemälderestauratorin vermittelte: Berta Hofer. Dass sie eine hervorragende Restauratorin war, erkannte Adenauer bereits, als sie das erste Mal für ihn arbeitete. So sind denn auch seine Briefe an sie mehr als formelle Dankesschreiben.

 

Das weitere Schicksal der Kunstsammlung Adenauers

Auktionskatalog von Christie's vom 26. Juni 1970

Nach dem Tode Adenauers ließen seine Kinder die Kunstsammlung schätzen. Kurt Martin, bis 1964 Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, bezeichnete die meisten Gemälde als Werkstatt- und Schülerarbeiten oder Kopien. Er bezifferte den materiellen Wert auf 469.600 DM – eine niederschmetternd und ganz unerwartet geringe Summe.  Das Doerner Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen führte Materialanalysen durch, die Martins Einschätzung bestätigten. Kisters sah sich Vorwürfen ausgesetzt, dass er Adenauer zweitrangige Kunstwerke für Originale verkauft habe – zu entsprechenden Preisen. Auch für den verstorbenen Kanzler selbst, der Eingeweihten als Kunstkenner galt, war das Ergebnis nicht schmeichelhaft.

Kisters wehrte sich gegen die Vorwürfe, fühlte sich aber zum Rückkauf von 19 Gemälden für 950.000 DM gedrängt, wofür er sich verschuldete. Diese Gemälde mit sechzehn weiteren aus seinem eigenen Bestand ließ er im Juni 1970 bei Christie's in London versteigern, wobei aber nur fünf für insgesamt 156.000 DM verkauft wurden. Friedrich Kisters meint, dass es unter den Kunstsammlern und -händlern eine Ringabsprache gegeben habe, diese Auktion zu boykottieren. Zudem weist er auf moderne Technologien wie Infrarotstrahlung, Spektralanalyse und hochauflösende Mikroskopie hin, die alte Zuschreibungen von Gemälden durchaus revidieren können. Damals als Fälschungen oder fehlerhafte Zuschreibungen bezeichnete Gemälde seien heute in internationalen Museen als Originale ausgestellt.

Heinz Kisters starb 1977 in Kreuzlingen. Die beiden Kinder waren damals dreizehn und zehn, Gerlinde Kisters war 46 Jahre alt. Sie bewahrte die Kunstsammlung ihres Mannes und unterstützte später ihre Kinder, als sie Verantwortung für die Kunstsammlung übernahmen. 2010 wurde die „Stiftung Heinz Kisters“ gegründet, welche „die Förderung und den Erhalt der Kunstwerke der Sammlung Heinz Kisters“ bezweckte. Die Stiftung existierte bis 2019. Friedrich Kisters betreut die Kunstsammlung weiter. Die Differenzen und Konflikte, die zwischen Heinz Kisters und den Erben Konrad Adenauers nach 1967 aufbrachen, wurden nie ganz gelöst. Kisters fühlte sich zeitlebens zu Unrecht kritisiert; aus Sicht der Familie Adenauer, die zwar nichts nachträgt, ist vieles unklar geblieben.

  • Der Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Heinz Kisters, registriert von der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus unter: StBKAH II / 24.
  • Kisters, Heinz. Adenauer als Kunstsammler. München 1970.
  • Sammlung Heinz Kisters. Altdeutsche und Altniederländische Gemälde. Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg vom 25. Juni bis 15. September 1963.
  • Christie's Auction Catalogue. Highly important pictures from the collection formed by the late chancellor Konrad Adenauer, 26. June 1970.

  • von zur Mühlen, Ilse. Die Kunstsammlung Hermann Görings – Ein Provenienzbericht der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. München 2004.
  • Koldehoff, Stefan. Die Bilder sind unter uns – Das Geschäft mit der Raubkunst und der Fall Gurlitt. Berlin 2014.
  • Krum, Horsta. Görings Kunstbeschaffer und seine Frau – Wie das Ehepaar Hofer durch den Strom der Zeiten schwamm. Jagdschloss Schorfheide-Gemeinde Schorfheide 2023.

Da es mir unmöglich war, die Zuschreibungen der einzelnen Gemälde zu überprüfen, bin ich dem Buch von Heinz Kisters und dem Ausstellungskatalog von 1963 gefolgt. Herrn Konrad Adenauer, dem Enkel des Bundeskanzlers, danke ich, dass er sich Zeit nahm für Gespräche und diese dann schriftlich ergänzte. Mein Dank gilt auch Herrn Friedrich Kisters. Ohne seine telefonischen und schriftlichen Angaben hätte diese Kurzbiografie nicht geschrieben werden können – so unvollkommen sie auch geblieben ist.

Horsta Krum