Wahlkampf

Hanns Jürgen Küsters

Politik ohne Kampf erschien Konrad Adenauer langwei­lig. Er war begeisterter Wahlkämpfer und schreck­te nicht vor öffentlichen Reibe­reien zu­rück. Er drängte ­sich förm­lich, ­seine Überzeugungen unters Volk zu brin­­gen. Wahlkämpfe waren für ihn einmal mehr Gelegenheit, seine Ideen dem Menschen nahe zu bringen. Adenauer wollte stets den Wählern klar­machen, worum es bei der Wahl ging: um eine politische und programmatische Rich­­tungsentscheidung und keinesfalls um die bessere Personality-Show.

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Der Wahlkämpfer

Von Tausenden besuchte Wahlauftritte, durch Zwischenrufe emo­tional aufgeheizt, brachten ihn erst richtig in Fahrt. Ade­nauer ­war keineswegs ein wortgewaltiger Redner, der sich um rhetorisch stil­volle Formulierungen oder gefällige Selbst­­dar­stellung bemühte. Ihm kam es in erster Linie auf sprach­liche Präzision, schlüs­sige Argumente und Verständlichkeit an. Pointen ergaben sich aus seiner Schlag­fertigkeit.

„Wir wählen die Freiheit”

Adenauer steigt aus einem Zug aus. Ein Schaffner hält ihm die Tür auf.
Konrad Adenauer beim Verlassen eines Sonderzugs in Braunschweig während des Wahlkampfs für die...

Während der SPD-Vorsitzende Kurt Schu­macher mit gebrechlichem Körper und meist keifender Stim­me am Mikrophon stand, dabei an Kriegselend und Propa­gandatöne des Dritten Reiches erinnerte, wirk­te der 73-jäh­rige Adenauer, robust von Statur, glei­chermaßen vital, sou­ve­rän und ent­schlossen. Wo Schumacher zy­nisch po­lemi­sierte, polarisierte Adenau­er geschickt mit Vereinfachungen, die kein Werbestratege besser herüber­gebracht hätte. ­"Wenn wir die Wahl haben zwischen Freiheit und Sozialismus, wis­sen wir, was wir wählen: Wir wählen die Frei­heit."

Die Botschaft ver­stand jeder. Sie weckte Emotionen, grenz­­te ideo­­­logisch in Zeiten des Kalten Krieges von Sozialisten und Kommunisten ab und schür­te wie einst in den zwanziger Jah­ren Angst. Adenauer befriedigte das Be­dürfnis der Menschen nach Sicherheit, erschien als Garant für Kontinuität und Verlässlichkeit.

Erste Bundestagswahl 1949: Richtungsentscheidung

Schon den ersten Bundestagswahlkampf 1949 - teils mit langen Texten auf Plakaten, Wahl­versammlungen, Wahlaufrufen der Kir­chen und Ge­werk­schaften noch weitgehend am Vorbild der Weimarer Republik orien­tiert - machte Adenauer zur pro­gram­ma­ti­schen Richtungs­entscheidung. So­ziale Marktwirtschaft und die Ablehnung einer großen Koalition mit der SPD prägten die Bundesrepublik nachhaltig.

Bundestagswahlkampf 1953: Einsatz neuer Werbetechnik

Mitte der fünfziger Jahre, a­ls es in Deutsch­land noch kaum Fernsehgeräte gab, bedienten sich Adenauer und die CDU be­reits mo­derner Werbetechniken. Sie führ­ten damit die Medieninszenierung im Wahl­kampf ein. Wochenschaufilme in deutschen Kinos zeig­ten den Staatsmann Adenauer auf Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika, vertraulich mit westlichen Regie­rungs­­chefs die Köpfe zu­sam­mensteckend oder neben tapferen Frau­en, die Tränen ­über­strömt in Friedland ihre aus sowje­tischer ­Kriegs­gefangenschaft zurückkeh­renden Männer in die Arme schlos­­sen. Aus solchen Bildern sprach der Erfolg der Regierungsarbeit ganz von allein.

Bundestagswahlkampf 1957: Keine Experimente!

CDU-Wahlplakat mit dem Slogan "Keine Experimente".
CDU-Wahlplakat zur Bundestagswahl 1957

In Wahlkampf­reden suchte ­Adenauer un­entwegt die ideologische Konfrontation mit der SPD-Opposition. Für den Fall ihres Wahlsieges malte er den Teufel an die Wand, sprach gar vom "Finis Germa­niae", dem Untergang Deutschl­ands, wenn Sozialdemokraten die Regierung überneh­men. Die beschwerten sich über die Ver­un­glim­pfung vieler Millionen Deutscher und beklagten lauthals eine Verwilderung der Wahl­kampf­sitten. Doch die Distanz war geschaffen. Zur programmatischen Polarisierung trat im Wahlkampf 1957 die personelle hinzu.

Hochglanzphotos der aufblühenden Regen­bogenpresse lichteten den Kanzler an der Seite des Schahs von Persien mit Soraya ab oder fingen ihn neuerdings in pri­vater Sphäre ein. Eben als ­gut­bürgerli­chen Nachbarn von nebenan, der Familien­vater ist, seinen Garten pflegt und sich auch einige Tage Urlaub gönnt. Ollenhau­er und die SPD kamen dagegen als altmo­dische, ideologisch verbrämte Funk­tionä­re einer über­kommenen Klassenpar­tei da­her, die ihren Platz in der neuen Nach­kriegs­gesellschaft noch sucht.

Erst­mals organisierten 1957 zwei Werbe­firmen den CDU-Wahlkampf. Grif­fige For­mulierungen ("Kei­ne Experimen­te") und auf Wahlplakaten statt eines Fotos des alternden Kanzlers ein schöngemaltes Kon­terfei symbolisierten die moderne Kampagnenführung im Stile amerikanischer Produktwerbung.

Zum ersten Mal reiste ein Wahlsonderzug mit integriertem Kanzlerbüro durchs Land. Menschen ­schnupperten die Aura von Macht, wie sie es zuvor nie erlebt hat­ten. Die Stippvisiten erlaubten gleich mehrere Auftritte an einem Tag. Der Kanz­ler, über­­all prä­sent, versorgte mit­reisende Journalisten gezielt mit Informa­tionen und war sich der ständigen Berichter­stat­tung sicher.

Nur zu gut wußte Adenauer: Wahl­geschenke tragen zum Machterhalt bei. Waren es 1953 noch eine Reihe von staat­lichen Sonderzuschüssen für kinderreiche Fa­mi­lien und Beamte oder Steu­ersenkungen für Genußmittel, stellten 1957 die Einfüh­rung der bruttobezogenen dynamischen Rente für Arbeiter und Angestellte oder 1961 das Bundessozialhilfegesetz und Kin­­dergeld vom zwei­ten Kind an durch­schla­­gende Reformmaßnahmen dar. Im Übri­­­gen sorgte der wirtschaftliche Auf­schwung durch Erhards Konzept der Sozia­len Marktwirtschaft für die wachsende Po­pularität der Adenauer-Regierung. Dies belegten Daten von Mei­nungs­umfragen des Allensbacher In­stituts für Demosko­pie, die schon seit 1950 kontinuierlich zur Einschätzung der politischen Stim­mungslage herangezogen wurden.

Bundestagswahlkampf 1961: Auseinandersetzung mit Brandt

Zwar gewann im Wahlkampf 1961 das Medium Fern­sehen an Bedeutung, wahl­ent­scheiden­de Effekte wurden ihm aber noch nicht beigemessen. Dennoch: Der alte Kanzler neben dem jungen, telegenen Kanzlerkan­didaten Willy Brandt, dessen ver­schmitz­tes Lächeln Wäh­ler­­massen ver­einnahmte - das konnte für Adenauer nur schäd­liche Wirkungen haben.

Zudem fühlte er sich persönlich diffa­miert, als Brand­t vom gre­isen Kanz­ler sprach. Dieser zahl­te es ihm mit der An­spie­lung auf Brandts uneheliche Geburt heim. Dessen Aufforderung zu einem Fern­sehduell nach Vorbild des amerikanischen Prä­si­dent­schafts­wahl­kampfs ­wiegelte Ade­nauer ­­ab. Nach deutschem Verfassungs­recht werde nicht der Bundeskanzler, son­­dern der Bundestag vom Volk gewählt, schrieb er Brandt am 31. August 1961. Aus­ländische Vorbilder lie­ßen sich nicht auf die Bundesrepublik anwenden.

  • Günter Buchstab: Keine Experimente - Zur Geschichte eines Wahlslogans. In: Ein Eifler für Rheinland-Pfalz. Festschrift für Franz-Josef Heyen zum 75. Geburtstag. Mainz 1973, S. 689-697.

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