Rhöndorfer Ausgabe Online

11. Juni 1946 (Rhöndorf)

Aktennotiz über ein Gespräch mit Oberbürgermeister a.D. Dr. Emil Lueken

, Bremen

StBKAH 08.54, ohne Begleitschreiben an führende CDU-Politiker in Norddeutschland versandt, Verteiler: »Herrn Bürgermeister Petersen, Hamburg; Herrn Vorsitzenden der CDU Hannover, Herrn Pfad; Herrn Generalsekretär Fratzscher, Hannover; Herrn Söhlmann, Oldenburg; Herrn Lingens, Bremen; Herrn Senator Ketels, Hamburg; Herrn Dr. Schröter, Kiel.«


Heute war Herr Oberbürgermeister a. D. Lueken, früher Kiel, jetzt Bremen, bei mir. Er sagte mir etwa folgendes:

In Bremen, das eine Zeit lang völlig abgeschnitten gewesen sei, hätten sich Angehörige der früheren Parteien zu der Bremer Deutschen Volkspartei zusammengefunden. Jetzt werde die CDU in Bremen gegründet1. Die Gründung der Niedersächsischen Landespartei stehe bevor. Infolge der Eigenart des Wahlgesetzes würden durch eine solche Zersplitterung viele nicht-marxistische Stimmen verloren gehen.

Sein Bestreben sei, das zu verhüten. Er sei daher zuerst zu Landrat Heile in Syke gefahren, um mit diesem die Frage zu besprechen, eine Vereinigung der nicht-marxistischen Parteien herbeizuführen, und komme jetzt zu mir mit der gleichen Absicht. Er meinte, man müsse zu einer nicht-marxistischen Einheitspartei kommen einschließlich der CDU. Am Namen dürfte die Konsolidierung des deutschen Parteisystems nicht scheitern. Die Zersplitterung des deutschen Volkes in zu viele Parteien sei aber immer dessen Unglück gewesen.

Ich habe ihm etwa folgendes erwidert:

Mit Herrn Heile hätte ich verschiedentlich ergebnislos verhandelt2. Die Verhandlungen mit der Niedersächsischen Landespartei in Hannover seien fertig gewesen, als durch Herrn Menge, Hannover, im letzten Augenblick die Unterzeichnung des Abkommens infolge seines Verlangens, die Demokraten hinzuzuziehen, vereitelt worden sei. In Hamburg befehdeten sich die Demokraten der verschiedenen Richtungen. Der Deutsche in der Nord- und der britischen Zone biete so ein höchst unerfreuliches Bild völliger Zerrissenheit. Ich sähe von mir aus z. Zt. keine Möglichkeit, etwas zu tun. Es müßte vielmehr zunächst eine sehr erhebliche Vorarbeit von Männern geleistet werden, die an Ort und Stelle seien. Ich würde mich freuen, wenn er die Sache in die Hand nähme und zu einem guten Ende führen würde. Daß wir den Namen »Christlich-Demokratische Union« aufgäben, sei ausgeschlossen! Wir hätten uns aber unlängst damit einverstanden erklärt, daß, falls eine Einigung mit den Demokraten in Hamburg erfolge, die Partei dort den Namen erhalte: »Union der christlichen und freien Demokraten Hamburgs«3.

Wenn es ihm gelinge, eine »Union der christlichen Demokraten, der Niedersächsischen Landespartei, der freien Demokraten usw.« zustande zu bringen, so würde das der Zonenausschuß der CDU der britischen Zone sicher sehr begrüßen.

Ich habe ihm dann als Namen von Herren, die mit der Hannoverschen Landespartei schon verhandelt haben4, genannt:

Herrn Pfad und Herrn Fratzscher in Hannover.

Herr Lüken erklärte, die Sache in die Hand nehmen zu wollen. Er würde mich auf dem Laufenden halten5

(Adenauer)


  1. ^

    Zum Entstehungsprozess der bürgerlichen Parteien in Bremen vgl. Max Gustav Lange, Die FDP, S. 291 und Jörg Michael Gutscher, Die Entwicklung, S. 18.

  2. ^

    Vgl. die Schreiben an Wilhelm Heile vom 14.2.1946 und vom 22.2.1946.

  3. ^

    Vgl. die Aktennotiz über ein bizonales CDU/CSU-Treffen vom 6.4.1946.

  4. ^

    Vgl. die Schreiben an Herbert Adam-van Eyck vom 2.3.1946 und an Arthur Menge vom 29.3.1946.

  5. ^

    Im Rückblick auf die nachfolgende Entwicklung des Jahres 1946 teilte Lueken am 1.1.1947 bedauernd mit, dass die Zeit »für die Zusammenführung der heute in verschiedenen Parteien zersplitterten nicht-marxistischen Volkskreise« noch nicht reif gewesen sei (StBKAH 07.15; vgl. das Schreiben an Emil Lueken vom 6.1.1947).