* geboren 09.09.1888
in
Cognac, Poitou-Charentes (Frankreich)
† gestorben 16.03.1979
in
Bazoches-sur-Guyonne, Dèpartement Yvelines bei Paris
Unternehmer, Wirtschaftsberater, Finanzier, Koordinator, rk.
09. November 1888 | geboren als Jean Omer Marie Gabriel Monnet in Cognac, Frankreich |
1905 | Beendung der Schulausbildung und anschließend Tätigkeit in London |
1914-1918 | Mitarbeit bei der Koordination von der Beschaffung kriegswichtiger Güter für die alliierten Verbündeten |
1919-1923 | Berufung zum stellvertretenden Generalsekretär des Völkerbundes |
1923-1938 | Hinwendung zum familiengeführten Unternehmen in Cognac, bedeutender Finanzier und Unternehmer mir weltweitem Netzwerk |
1932 | Wirtschaftsberater des Völkerbundes in China |
1938 | Wirtschafts- und Finanzberater in Polen und Rumänien |
1940 | Präsident des französisch-britischen Ausschusses für die Koordination der gemeinsamen Kriegsproduktion |
1943 | Staatskommissar für Ernährung, Rüstung und Wiederaufbau im französischen Befreiungskomitee im Exil in Algier |
1944 | Monnet beginnt mit der Umsetzung des nationalen Entwicklungs- und Modernisierungsplans für die französische Wirtschaft |
1946 | Leitung des Planungsamtes in Frankreich |
Mai 1950 | französischer Außenminister Robert Schuman und Jean Monnet verkünden EKGS als ersten Schritt des Plans zur Zusammenlegung der westeuropäischen Schwerindustrie |
20. Juni 1950 | Konferenz zur Umsetzung des Schuman-Plans unter dem Vorsitz Jean Monnets |
1952- 1954 | Präsident der „Hohen Behörde“ der Montanunion (EKGS) |
1953 | Anerkennung des Schaffens mit dem Karlspreis |
1955-1975 | Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied des „Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa“, zur Gründung einer politischen Union in Europa |
1963 | Auszeichnung mit der Freiheitsmedaille der USA |
1975 | politisch tritt Monnet in den Ruhestand |
1976 | Ernennung zum ersten Ehrenbürger Europas, Veröffentlichung der Memoiren: „Erinnerungen eines Europäers“ |
16. März 1979 | stirbt auf dem familieneigenen Landsitz nahe Paris |
Adenauer und Monnet bekämpften die schädliche Wirkung nationaler Rivalitäten zwischen Deutschland und Frankreich. Sie wollten dem im eigenen nationalen und im europäischen Interesse vorbeugen.
Ein „Mann von sehr großem wirtschaftlichen Organisationstalent, echter Mann des Friedens, von gewinnenden Verhandlungsformen", beschrieb Adenauer in seinen Erinnerungen die Charaktereigenschaften Jean Monnets. Er war eben ein echter Franzose, lebensfroh, optimistisch und für Adenauers Geschmack manchmal gar zu romantisch und idealistisch. Bei ihrer ersten Zusammenkunft am 23. Mai 1950 im Bonner Kanzleramt traf Monnet in Adenauer einen zurückhaltenden, tief gläubigen Verständigungspolitiker, vom Friedensgedanken durchdrungen, dem es um einen wirklichen Ausgleich der historisch belasteten deutsch-französischen Beziehungen ging.
Immerhin war Monnet der erste Vertreter einer der drei westlichen Siegermächte, die dem Bundeskanzler der unter Besatzungsrecht stehenden Bundesrepublik in einer supranationalen Hohen Behörde für Kohle und Stahl erstmals nach der Niederlage 1945 die Gleichberechtigung zwischen Siegern und Besiegten anbot. Diese Geste beeindruckte Adenauer nachhaltig. Noch im Juni 1950 lud er Monnet zu sich nach Hause in Rhöndorf ein. Vergessen hatte der Kanzler auch nicht, daß es Monnet war, der ihn bei dem ersten Besuch eines deutschen Regierungschefs in der Nachkriegszeit in Paris im April 1951 auf dem Flughafen Orly empfing.
Adenauer zufolge hat Monnet nicht nur viel bewirkt, das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen neu zu gestalten. Monnet war es auch, der aufgrund seiner exzellenten Beziehungen zu amerikanischen Regierungskreisen dazu beitrug, daß die Beziehung zwischen Adenauer und dem neuen amerikanischen Außenminister John Foster Dulles von Beginn an von einem gewissen Vertrauen geprägt war.
In einer Reihe von Punkten stimmten Adenauer und Monnet in ihren Beurteilungen der internationalen Lage überein: erstens in der Notwendigkeit, die deutsch-französische „Erbfeindschaft" zum Ausgangspunkt normaler friedlicher Beziehungen der Staaten in Europa zu machen; zweitens in der Bereitschaft, dafür neue Wege einzuschlagen unter der Voraussetzung, daß auch andere europäische Staaten hinzugezogen würden; drittens in der Erkenntnis, daß die wirtschaftliche Verflechtung und Integration von Staaten der geeignete Ansatz zur weiterführenden politischen Einigung Europas sein würde; und schließlich viertens in der Einsicht, daß Großbritannien bei dem europäischen Verbundsystem nicht außen vor bleiben durfte, wobei es Monnet mehr als Adenauer darum zu tun war, die Beziehungen Englands zum Kontinent zu stärken.
Zwischen ihnen gab es aber auch ebenso deutliche Auffassungsunterschiede. So teilte zum Beispiel Adenauer in der Saarfrage keineswegs die Ansicht Monnets und auch McCloys, es sei falsch, mit einer Lösung bis zum Abschluß eines Friedensvertrages zu warten, weil dies eine offene Wunde in den deutsch-französischen Beziehungen bedeute. Adenauer suchte die Option auf die Wiedervereinigung Deutschlands unter Einbeziehung des Saarlandes solange wie möglich offenzuhalten. Einer endgültigen Lösung des Saarproblems konnte er nur in einem europäischen Integrationsverbund oder eingegliedert in die Bundesrepublik zustimmen. Jede andere Lösung hätte seine Deutschlandpolitik unterminiert und unglaubwürdig gemacht.
Monnet hatte Anfang November 1954 aus Enttäuschung über das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft auf eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt der Hohen Behörde im Februar 1955 verzichtet. Er erhoffte sich für eine Wiederbelebung der Integrationsbewegung vor allem die Unterstützung Adenauers. Doch führte der Streit in der Bundesregierung über die einzuschlagende Integrationsmethode - institutionell oder funktional - und heftige Widerstände von Wirtschaftsminister Erhard gegen das Konzept weiterer Teilintegrationen nach dem Vorbild der Montanunion zu einem Kompromiß, der in dem deutschen Memorandum zur Konferenz von Messina Anfang Juni 1955 seinen Niederschlag fand. Monnet erinnerte Adenauer an 31. Mai an die Notwendigkeit, Entscheidungskompetenzen auf eine supranationale Organisation zu übertragen. Man dürfe nicht zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit souveräner Staaten zurückkehren. Adenauer war aus einer ihm selbstverständlich erscheinenden Loyalität bereit, eine zweite Kandidatur Monnets mitzutragen, wenn sich die französische Regierung auch dafür einsetzte.
Ein zweites Konfliktfeld stellten die Diskussionen über die „relance européenne" 1955/56 dar. Genaugenommen ging es um die mögliche Entkoppelung der Verhandlungen über die Verträge der Euratom-Gemeinschaft und des Gemeinsamen Marktes. Monnet schätzte die geringe Neigung der französischen Regierung, sich dem Gemeinsamen Markt anzuschließen, zwar durchaus richtig ein. Und Adenauer brachte für Monnets Demarche im September 1956, den Euratom-Vertrag vorab zu einem Abschluß zu bringen und erst dann über die Bedingungen einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu verhandeln, Verständnis auf. Doch warnten ihn Franz Etzel, Alfred Müller-Armack und Hans von der Groeben davor, das vom Kabinett im Mai 1956 beschlossene Junktim zwischen beiden europäischen Projekten aufzugeben.
Adenauer wußte solcherart Loyalität Monnets zu schätzen. Ende des Jahres bezeichnete er ihn als „den guten Ekkehardt des Europa-Gedankens", wohlwissend, daß Monnet gelegentlich dazu neigte, in seinen Ideen schneller die Einigung zu sehen, als sie praktisch zu realisieren war. Insgeheim waren sich beide darüber im klaren, daß der europäischen Einigung zuvorderst ein nationaler Interessenausgleich zugrunde lag. Monnet, der zunächst mit der Anspielung auf „Ekkehardt" nichts anzufangen wußte, suchte dann das Kompliment noch zu steigern und behauptete, eines Tages werde Adenauer mit seinen Versuchen, die freie Welt zu einigen, "der George Washington Europas" genannt werden.
Siehe auch das Biogramm zu Jean Monnet im CDU-Portal.