Dominik Geppert
Schon in der Weimarer Republik wusste sich Konrad Adenauer als energischer und machtbewusster Kölner Oberbürgermeister medial in Szene zu setzen. Um zu verstehen, wie sein öffentliches Erscheinungsbild zentraler Bestandteil und zugleich nicht ganz unwesentliche Bedingung seiner politischen Leistung war, sind vier Aspekte genauer zu beleuchten: erstens sein Medienverständnis, zweitens die visuelle Komponente seiner Politik schrittweiser Souveränitätsgewinne, drittens die mediale Vermittlung des Privatmanns und viertens die Chancen, aber auch die Probleme, die sein Alter in der Außendarstellung mit sich brachten.
Adenauer war ein Kind des Kaiserreichs. Sein Verständnis vom Platz der Medien im öffentlichen Leben wurde im Wilhelminischen Zeitalter geprägt. Damals waren insbesondere die Presse, aber ansatzweise auch schon die Fotografie und der Film so bedeutend, dass Politiker sie nicht ignorieren konnten. Der Handel, den die Politik der Presse anbot, lief darauf hinaus, privilegierten Zugang zu Informationen zu gewähren und eine wohlwollende Berichterstattung als Gegenleistung zu erwarten. Diese Haltung blieb für Adenauers Umgang mit den Medien zeitlebens prägend: von den kommunalpolitischen Anfängen in Köln bis zu den „Teegesprächen“ mit deutschen und ausländischen Journalisten als Bundeskanzler seit 1950.
Zugleich stand für ihn wie für die meisten Deutschen seiner Generation fest, dass Journalisten – Kaiser Wilhelm II. nannte sie „Pressebengel“ – in der sozialen Hierarchie viele Stufen unterhalb von Ministern, Beamten, Bürgermeistern oder anderen Vertretern der Staatsmacht anzusiedeln waren. Man musste sie ertragen wie einen Sommerschnupfen. Wenn man im öffentlichen Leben stehe, bemerkte Adenauer einmal, dann sei man mehr oder weniger „ein Opfer der Presse“. Medienvertreter gehörten zum Leben eines Oberbürgermeisters oder Bundeskanzlers, aber sie bestimmten nicht die Inhalte seiner Politik. Im Gegenteil: Die Kunst für einen Politiker bestand darin, sie so anzuleiten – oder besser noch so zu instrumentalisieren –, dass sie sich nützlich machten, indem sie bei der Aufgabe halfen, die Öffentlichkeit zu erziehen beziehungsweise zu überzeugen. Wenn sie allzu sehr über die Stränge schlugen, konnte man ihnen nach Adenauers Auffassung auch mit polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Mitteln zu Leibe rücken, wie in der Spiegel-Affäre im Herbst 1962.
Die Erfahrung der NS-Zeit bestätigte in Adenauers Sicht die Richtigkeit dieser Einstellung. Demokratische Öffentlichkeitsarbeit musste der antidemokratischen Propaganda notfalls mit denselben Mitteln, aber zu anderen Zwecken Paroli bieten. „Einen neuen Goebbels brauchen wir nicht und wollen wir nicht“, erklärte er seinem Stab im Bundeskanzleramt, „aber ein wirksamer Apparat mit einem presseerfahrenen Mann an der Spitze, das muss unbedingt sein!“ Tatsächlich wirkte die Öffentlichkeitsarbeit der CDU in den Anfangsjahren inhaltlich raffinierter, ästhetisch moderner und technisch versierter als die Politikwerbung der Sozialdemokraten.
Adenauer selbst war nicht nur ein eifriger Zeitungsleser, der die Presse als wichtige Informationsquelle nutzte. Er besaß auch früh ein Gespür für die Chancen, die der technische und mediale Wandel zur Selbstdarstellung eines Politikers eröffnete. Als Oberbürgermeister holte er 1928 eine der ersten internationalen Presseausstellungen nach Köln. Für mehr als 16 Millionen Reichsmark wurden 1.500 Aussteller aus 43 Ländern sowie Regierungsmitglieder aus Berlin und 200 ausländische Diplomaten an den Rhein gelockt. Über fünf Monate hinweg besuchten mehr als fünf Millionen Besucher aus dem Reich und dem Ausland die „Pressa“. Alle möglichen Facetten der Herstellung und Verbreitung von Presse sowie moderner Nachrichtenübermittlung wurden gezeigt. Das Stadtoberhaupt nutzte die Schau, um Köln als kulturelles und ökonomisches Scharnier zwischen Deutschland und Westeuropa zu präsentieren und sich selbst auf internationaler Bühne in Szene zu setzen.
Die Möglichkeiten des Rundfunks, der sich seit 1923 neben der Presse als Leitmedium etablierte, erkannte Adenauer ebenfalls schnell. Als Oberbürgermeister wendete er sich über das Radio an die Bevölkerung. Auch als Bundeskanzler nutzte er das „Leitmedium des Wiederaufbaus“ (Axel Schildt) für direkte Ansprachen an die Bürger oder für Auftritte in Sendereihen, die ihm genehm waren. Insgesamt hielt er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Bundesrepublik allerdings für gefährlich linkslastig. Insbesondere der Westdeutsche Rundfunk (WDR) galt ihm als feindseliger „Rotfunk“.
Das Fernsehen, dessen Anfänge in Adenauers Kanzlerzeit fielen, war als Medium politischer Information wegen seiner geringen Verbreitung anfangs weniger wichtiger als die Wochenschauen. Letztere erreichten in dieser Blütephase des Kinos (mit 800 Millionen Kinobesuchen allein 1956) ein breites Publikum. Zusätzlich organisierte das Bundespresseamt kleine Lastwagen mit Vorführgeräten auf der Ladefläche und einer Verstärkeranlage, mit deren Hilfe politische Informations- und Propagandafilme auf Hauswände oder andere freie Flächen projiziert werden konnten.
Anfang 1953 initiierte die CDU ein Programm zur Produktion von Dokumentarfilmen, in denen für Adenauers Politik der Westbindung geworben wurde. Allein zwischen Februar und September 1953 wurden 14 derartige Streifen fertiggestellt und in mehr als tausend Kopien unter die Leute gebracht. Gerade in kleineren Ortschaften erreichten die Filme ein großes Publikum. Gerne wurden sie auch in Lagern vor Flüchtlingen aus dem Osten vorgeführt. Bis Mitte August 1953 sahen insgesamt zehn Millionen Deutsche die Filme, im Schnitt jeder fünfte Bundesbürger.
Gegen Ende der 1950er Jahre wuchs auch die Bedeutung des Fernsehens. Das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1954 hatten die meisten Deutschen noch am Radio miterlebt oder allenfalls vor einem Bildschirm in der nächsten Kneipe. Drei Jahre später wurde bereits das einmillionste TV-Gerät angemeldet, und den Beginn der Fußballbundesliga am Ende von Adenauers Amtszeit konnte schon ein Viertel aller Haushalte am eigenen Fernseher verfolgen. Der misstrauische Kanzler argwöhnte angesichts dieser Entwicklung bereits 1960, dass die nächste Wahl durch Fernsehsendungen entschieden werde, „nicht durch Reden und auch nicht durch die geleistete Arbeit, weil man mit dem Fernsehen wirklich an die Menschen herankommt.“
Wegen seiner schlechten Erfahrungen mit dem Rundfunk wollte er – die 1961 anstehende Bundestagswahl im Blick – neben der ARD einen zweiten Fernsehkanal einrichten lassen. Der Sender sollte von verschiedenen Gruppen der Industrie und aus der Zeitungsbranche privatwirtschaftlich finanziert werden und der Regierung näherstehen. Die Pläne scheiterten nicht nur am Widerstand der SPD, sondern auch am Einspruch des Bundesverfassungsgerichts und an der föderalen Struktur der Bundesrepublik. Zwar unterschied sich das ZDF, das schließlich als zweiter öffentlich-rechtlicher Sender neben die ARD trat, erkennbar von dem, was sich der Kanzler erhofft hatte. Doch machen seine Pläne deutlich, für wie wichtig Adenauer die modernen Medien erachtete.
Als konservativer Bildungsbürger lehnte Adenauer das Fernsehen als Unterhaltungsmedium ab. Er fürchtete, es untergrabe das Familienleben und zerstöre persönliche Gespräche. Als professioneller Politiker passte er sich jedoch den neuen Anforderungen ohne weiteres an. Er saß vor Interviews geduldig in der Maske und stand für politische Stellungnahmen vor TV-Kameras im grellen Licht der Scheinwerfer, weil er wusste, dass er die neuen Medien benötigte, um seine politischen Ziele zu erreichen. Das galt insbesondere für die Außenpolitik, an deren Anfang seine Überzeugung stand, dass Westeuropa ohne amerikanischen Schutz sowjetischem Expansionsstreben ohnmächtig ausgeliefert wäre. Adenauer hielt die Unterstützung der USA für die Grundvoraussetzung erfolgreicher Außenpolitik. Dabei akzeptierte er die Machtlosigkeit der Deutschen als Ausgangsbasis seiner Politik. In der Konstellation des Ost-West-Konflikts erblickte er eine Chance, diese Position zu verbessern. Während die SPD unter Kurt Schumacher alliiertes Entgegenkommen erwartete, ehe eine Zusammenarbeit für sie in Frage kam, war Adenauer bereit, Diskriminierungen in Kauf zu nehmen und Vorleistungen zu erbringen, um stückweise auf dem Weg zur Gleichberechtigung voranzukommen und die Fesseln des Besatzungsstatuts allmählich abzustreifen.
Adenauers Politik schrittweiser Rückgewinnung deutscher Souveränität hatte eine doppelte mediale Dimension. In den Beziehungen zum Ausland kam den Medien schon deswegen besondere Bedeutung zu, weil die Bundesrepublik zunächst keine eigenständige Außenpolitik betreiben durfte. Einen diplomatischen Dienst gab es bis 1951 ebenso wenig wie ein Auswärtiges Amt. Der Kanzler war sein eigener Außenminister, und wenn er sich international Gehör verschaffen wollte, um die deutsche Sichtweise darzulegen oder über seine nächsten Schritte zu informieren, kommunizierte er mit ausländischen, vor allem amerikanischen, britischen und französischen Journalisten. Nicht zufällig führte er zwei Drittel aller Interviews in seiner ersten Amtszeit mit der internationalen Presse. Auch bei den „Teegesprächen“ waren ausländische Journalisten zahlreich vertreten.
Im Verhältnis zur deutschen Bevölkerung war es für Adenauer wichtig, den Eindruck zu entkräften, er sei ein „Kanzler der Alliierten“, wie ihn Schumacher im Deutschen Bundestag beschimpft hatte. Das funktionierte am besten, wenn er sichtbare Zeichen einer selbstbewussten Haltung gegenüber den Siegermächten und erkennbare Belege einer erfolgreichen Vertretung eigener Interessen vorweisen konnte. Deswegen war der berühmte Schritt auf den Teppich, der eigentlich den drei Hohen Kommissaren der Westalliierten vorbehalten war, bei der Vorstellung seines ersten Kabinetts am 21. September 1949 auf dem Petersberg nicht nur ein Signal deutscher Eigenständigkeit an die Adresse der Siegermächte. Der kleine Verstoß gegen das vorgegebene Protokoll konnte auch als visueller Hinweis an die Bundesbürger verstanden werden, dass ihr Kanzler sich nicht herumschubsen ließ.
Wie Vertrauenswerbung bei den Siegermächten mit der Demonstration außenpolitischer Emanzipation zu verbinden war, führte Adenauer beispielhaft bei seiner ersten USA-Reise vor. Im April 1953 nahm er sich fast zwei Wochen Zeit dafür – solange war nach ihm nie wieder ein Bundeskanzler in den Vereinigten Staaten. Er versicherte in Gesprächen mit Außenminister Dulles und Präsident Eisenhower, zahllosen Presseinterviews und öffentlichen Reden immer wieder, wie dankbar Deutschland den Amerikanern für ihre Hilfe beim Wiederaufbau und bei der Errichtung einer lebendigen Demokratie nach Krieg und NS-Diktatur sei. Dem deutschen Publikum präsentierte er sich als Staatsmann, der seinem Land wieder Ansehen und Achtung in der Welt erworben hatte. Nirgendwo wurde dies deutlicher als beim Besuch auf dem Nationalfriedhof in Arlington, bei dem man ihn mit Salutschüssen und der Nationalhymne begrüßte, während die deutsche Fahne neben den Stars and Stripes aufgezogen wurde.
Das Medienecho war enorm. Sechzig Millionen Amerikaner verfolgten den Kanzlerbesuch im Fernsehen. 500 Radiostationen berichteten täglich. 5.000 Zeitungsartikel und mehr als tausend Fotos wurden in der US-Presse gedruckt. Das Bundespresseamt brachte eine 200-seitige Broschüre heraus und ließ einen 30 Minuten langen Dokumentarfilm produzieren. Er trug den Titel „Ein Mann wirbt für sein Volk“ und inszenierte Adenauer geschickt als weitblickenden Staatsmann auf der Weltbühne. Der Stimmungsumschwung im Wahljahr 1953 von 30 auf über 45 Prozent war nicht allein auf die Amerikareise des Kanzlers zurückzuführen. Aber einen „besonders geeigneten Kristallisationspunkt für die Öffentlichkeit“ erblickten die Parteistrategen schon darin. Sie konnten sich in ihrem ganz auf den Kanzler zugeschnittenen Wahlkampf bestätigt fühlen.
Die Kombination von Personalisierungsstrategie und Amerikareise war so erfolgreich, dass man sie 1957 wiederholte. Erneut reiste der Kanzler im Wahljahr in die USA. Wieder wurde ein Film produziert. „Partner der Freiheit“ lautete diesmal der Titel. Die Bundesrepublik war in ihrem Streben nach Gleichberechtigung weiter vorangekommen. Der Kanzler musste nicht mehr für sein Volk werben, so lautete die implizite Botschaft, er verhandelte jetzt auf Augenhöhe. Die Bilder, welche die Medien über den Atlantik transportierten, illustrierten die Statuserhöhung. Eisenhower empfing Adenauer auf seiner privaten Farm bei Gettysburg – ein Zeichen intensivierter deutsch-amerikanischer Freundschaft und nicht zuletzt wegen der Aufnahmen, die dabei entstanden, eine freundliche Hilfe des Präsidenten im deutschen Wahlkampf. Höhepunkt des Besuchs war wie 1953 die Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Soldaten. Diesmal wurde nicht nur die deutsche Nationalhymne gespielt und die schwarz-rot-goldene Flagge gehisst, sondern es waren auch deutsche Militärattachés geladen – ein dezenter Hinweis auf die mittlerweile im Aufbau befindliche Bundeswehr als ein weiterer Schritt zur vollen staatlichen Souveränität der Bundesrepublik.
In der neuesten Forschung ist die nationalsozialistische Prägung des pressepolitischen Apparats der frühen Bundesrepublik stark betont worden. Angela Schwarz und Heiner Stahl kennzeichnen das Bundespresseamt der Jahre von 1949 bis 1969 als ein Haus, das „als Propagandaministerium funktionierte und sich als solches verstand, ohne diese Bezeichnung im Briefkopf tragen zu müssen“. Diese Charakterisierung ist schon deswegen überzeichnet, weil die Siegermächte nach 1945 – von der Länderzuständigkeit für Kultur und Medien über die Lizenzpresse bis zur Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks – einen Rahmen gesetzt hatten, der jeden Gedanken an eine Fortführung nationalsozialistischer Propaganda ausschloss. Richtig ist allerdings, dass es im Bundespresseamt in der Ära Adenauer ausgeprägte personelle und mentale Kontinuitäten mit der NS-Zeit gab, die nicht ohne Folgen für die leitenden Wahrnehmungs- und Handlungsmuster blieben. Die medienpolitischen Aktivitäten der Bundesregierung wurden im Bundespresseamt zentralisiert und waren ganz auf den Bundeskanzler zugeschnitten. In dieser Hinsicht kann man für die Frühphase der Bundesrepublik auch medienpolitisch von einer Kanzlerdemokratie sprechen.
Auch als Privatmann nutze Adenauer die Möglichkeiten der medialen Inszenierung. Er gehöre, schrieb der Publizist Sebastian Haffner einmal, in die Reihe jener Großvaterfiguren wie Wilhelm I. und Paul von Hindenburg, denen sich die Deutschen von Zeit zu Zeit gerne anvertrauten. Sieht man davon ab, dass der Kanzler im Unterschied zum ersten deutschen Kaiser und zum zweiten Reichspräsidenten neben seinem Alter auch Fähigkeiten wie Durchsetzungsstärke, strategischen Richtungssinn und politische Führungsfähigkeit mit ins Amt brachte, trifft Haffners Beobachtung einen wahren Kern: Adenauers „patriarchalisches Charisma“ (Thomas Mergel) füllte eine Leerstelle in der Nachkriegsgesellschaft, die wegen der zahllosen gefallenen, verschollenen oder sich noch in Kriegsgefangenschaft befindenden Männer vielfach eine vaterlose Gesellschaft war. Immer wieder ließ sich der Kanzler in der Rolle des Familienoberhaupts im Kreise seiner sieben Kinder und 24 Enkel ablichten. Die Zentralität der Familie in Adenauers Leben war nicht aufgesetzt. Sie gehörte zugleich aber auch zum öffentlichen Image eines konservativen Politikers, der sich erst als Stadt- und dann als Landesvater inszenierte. Andere Fotomotive aus den Home Stories, die über ihn veröffentlicht wurden, kultivierten ebenfalls das Image von Häuslichkeit, Umsicht und vorausschauender Planung, etwa wenn der Kanzler als Gärtner gezeigt wurde, der nicht nur die Rosen im heimischen Garten gut zu pflegen wusste und erfolgreich zum Blühen brachte, sondern auch das ganze Staatswesen.
Ferner ist auf den Bildern auch erkennbar, dass Adenauer ein frommer und traditionsbewusster Katholik gewesen ist, ohne ein frömmelnder Klerikaler zu sein. Der christliche Glaube katholischer Konfession gehörte jedoch gleichermaßen zur Identität des Menschen und zum öffentlichen Image des Politikers. Der Kanzler war sich der möglichen Gefahren dieses Bildes bewusst: „Knipsen Sie mich nicht zu oft mit Paul“, bemerkte er wohl nur halb im Scherz am Wahltag 1949 zu Journalisten, „sonst sagen die Leute hinterher, ich ließe mich von der Kirche führen.“
Das Programm, das sich Adenauer bei seinen Besuchen in Amerika 1953 und 1957 Amerika auferlegt hatte, war auch deswegen stramm, weil man zu Hause den Eindruck eines Staatsmanns vermitteln wollte, der nicht nur international angesehen, sondern auch noch vital und tatkräftig war. Schließlich zählte Adenauer 1948, als er zum Präsidenten des Parlamentarischen Rats gewählt wurde, schon 72 und 1957, zum Zeitpunkt der zweiten USA-Reise, 81 Jahre. Das Alter war für Adenauers öffentliches Erscheinungsbild Chance und Belastung zugleich. So umgab ihn eine Aura von Erfahrung und Verlässlichkeit, die einer durch Diktatur und Krieg traumatisierten und richtungslosen Gesellschaft Halt, Stabilität und Orientierung versprach. Der Nationalsozialismus war auch eine Jugendbewegung gewesen, demgegenüber stellte ein Greis an der Regierungsspitze den größtmöglichen Kontrast dar.
Je länger Adenauer im Amt blieb, desto heikler wurde freilich die Altersthematik. Für das berühmte Plakat zum Wahlkampf 1957 mit der Parole „Keine Experimente“ nutzte man nicht zufällig eine Vorlage, die schon fünf Jahre alt war, und verjüngte sie noch weiter, indem die Haare des Kanzlers blond nachgefärbt wurden. Die über die Medien in Umlauf gebrachten Fotos, die Adenauer beim Boccia-Spiel im Sommerurlaub in Cadenabbia zeigten, sollten neben gewissen Einblicken in sein Privatleben vor allem auch den Eindruck körperlicher Fitness vermitteln. Dass der Kanzler in den 1960er Jahren ein sehr alter Mann war, wurde noch dadurch unterstrichen, dass er 1961 gegen einen SPD-Kandidaten antrat, der 37 Jahre jünger war als er. 1913, im Geburtsjahr Willy Brandts, blickte Adenauer bereits auf eine beachtliche Karriere in der Kommunalpolitik zurück. Auch die SPD verstand es nun besser auf der Klaviatur der Medien zu spielen. Brandt verdankte seine Popularität nicht zuletzt der Tatsache, dass er fotogen war, im Fernsehen eine gute Figur machte und sich medial ungleich besser in Szene zu setzen wusste als die stets etwas hölzern wirkenden Funktionäre der alten SPD-Garde.
Insgesamt sollte man die Rolle Adenauers als „Medienkanzler“ nicht über Gebühr betonen und dementsprechend richtig einordnen. Die Medien waren für ihn ein unverzichtbares Werkzeug, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger. Er betrachtete die Welt als Jurist und Verwaltungsfachmann, nicht aus journalistischer Perspektive. Die Schlüsselpositionen in seiner Kanzlerdemokratie hatte er Juristen anvertraut: Hans Globke im Bundeskanzleramt, Walter Hallstein im Auswärtigen Amt, dem Staats- und Völkerrechtler Wilhelm Grewe als außenpolitischem Berater. Der Journalist Felix von Eckardt war als Pressesprecher ein seltener bunter Vogel im Regierungskäfig – und nicht zufällig hatte sich der Kanzler bei der Besetzung dieses Postens besonders schwergetan. Neben persönlichen Präferenzen Adenauers erklärt sich der Vorrang des Rechtlichen aus der Situation der Anfangsjahre, als den Siegermächten in zähen Verhandlungen Souveränitätsrechte mit juristischen Mitteln erst Stück für Stück abgerungen werden mussten.
Im Umfeld Brandts hingegen fanden sich zehn Jahre später auffällig viele Medienleute, was nicht zuletzt auch einen weiteren Bedeutungszuwachs medialer Vermittlung in einer individualistischer werdenden Gesellschaft reflektierte. 1963 hörte nicht nur Adenauers Zeit an der Regierungsspitze auf; auch die innen- und außenpolitischen Konstellationen, die sozialen Kräfte und ideellen Strömungen, nicht zuletzt die medialen Darstellungsweisen und die mentale Grundausstattung der Bevölkerung, auf denen seine Kanzlerschaft beruhte, gelangten an ihr Ende.
Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel von Dominik Geppert: Erscheinungsbild: Der populäre Kanzler und die modernen Medien, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.): Adenauer. Eine Geschichte in Bildern, bearb. von Matthias Krüger, München 2021.
Im April 1953 brach Konrad Adenauer zu einer ausgedehnten Reise in die USA auf. Es war der erste Amerika-Besuch eines deutschen Regierungschefs überhaupt.
Als Bundeskanzler prägte Adenauer aufgrund seiner politischen Überzeugungen mit seinen Grundsatzentscheidungen die Bundesrepublik Deutschland.
Als Oberbürgermeister der Stadt Köln hat Konrad Adenauer seine Geburtsstadt in Zeiten der deutschen Revolution 1918, der englischen Besatzung bis 1926 und in der Phase der Weimarer Republik modernisiert und ausgebaut.
Am 9. Oktober 1953 wurde Konrad Adenauer zum zweiten Mal zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Zuvor hatte die Union bei der Bundestagswahl am 6. September 1953 einen erdrutschartigen Sieg errungen.