Schwarz-Weiß-Aufnahme von Franz Josef Strauß
Franz Josef Strauß

Franz Josef Strauß

* geboren 06.09.1915 in München
† gestorben 03.10.1988 in Regensburg

Landrat, Bundesminister, Ministerpräsident, CSU-Vorsitzender, rk.

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Übersicht

05.04.1935 Abitur; anschließend Reichsarbeitsdienst
1936-1939 Studium der Geschichte, Germanistik, Latein, Griechisch, Archäologie und Volkswirtschaft in München
1941 2. Staatsexamen für das höhere Lehramt
1939-1945 Kriegsdienst
1945 stv. Landrat in Schongau
1946-1949 Landrat und Ministerialbeamter
1948-1949 Mitglied des Wirtschaftsrates
1949-1978 MdB (CSU)
1953-1955 Bundesminister für besondere Aufgaben
1955-1956 Bundesminister für Atomfragen
1956-1962 Bundesminister der Verteidigung
1966-1969 Bundesminister der Finanzen
1948-1952 Landesgeschäftsführer bzw. Generalsekretär der CSU
1961-1988 Vorsitzender der CSU
1978-1988 Bayerischer Ministerpräsident

Konrad Adenauer (l.) mit Franz Josef Strauß bei bei einem Empfang zu Adenauers 84. Geburtstag auf...

In seinen „Erinnerungen“ zeichnete Franz Josef Strauß ein treffendes Porträt des ersten Bundeskanzlers. Die nüchterne Schilderung der Charakterzüge, der Politik, der Leistungen und des überwältigenden Geschicks Konrad Adenauers im Umgang mit Menschen behandelt alle zentralen Themen. Doch beschränkt sich Strauß nicht auf diese Bilanz, vielmehr sind Sympathie und Bewunderung für den großen Staatsmann offensichtlich, sie gipfeln in dem Satz: „Erst bei der Rhöndorfer Konferenz habe ich gemerkt, dass die anderen im Vergleich zu ihm unterschiedlich kleine Zwerge waren.“ Franz Josef Strauß bezog sich auf seine erste wirkliche Begegnung mit Konrad Adenauer, als in dessen Rhöndorfer Haus nach der ersten Bundestagswahl im August 1949 die Weichen für die kleine Koalition gestellt wurden: Hier fiel die fundamentale Entscheidung für die bundesdeutsche Regierungspolitik bis 1966. Strauß unterstützte Adenauer in Rhöndorf, wenngleich der junge CSU-Politiker damals keine so wichtige Rolle spielte wie er im Rückblick meinte.

Oft redete und schrieb Strauß über Adenauer und trotz mancher Kritik blieb die große Anerkennung für den „Alten“ ungebrochen. Vergleichsweise selten äußerte sich hingegen Adenauer über Strauß, dann oft lakonisch und eher distanziert, wenngleich er die Qualitäten des Bayern durchaus erkannte. Ihr Briefwechsel fiel in der Regel förmlich-geschäftsmäßig aus, von Ausnahmen wie privaten Schreiben bei familiären Anlässen abgesehen. Adenauer tadelte verschiedentlich die außenpolitischen „Alleingänge“ des Bundesministers Strauß und pochte wiederholt auf seine Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler. Doch war dies auch sonst der Stil des alten Herrn, dessen Briefe in der Regel kurz ausfielen, während Strauß nicht selten eingehend argumentierte – und auch das war charakteristisch: Strauß, der mit Theodor Heuss und Carlo Schmid zu den gebildetsten Staatsmännern der Bundesrepublik zählte, ausgesprochen konzeptionell dachte und intellektuell war, neigte stets zu eingehenden historischen Analysen. Während in den Anfangsjahren ihrer gemeinsamen politischen Arbeit der halb so alte Strauß oft impulsiv-dynamisch agierte und reagierte, dachte der alte Kanzler kühl kalkulierend vom Ende her.

Prägende Erfahrung: Leben unter der nationalsozialistischen Tyrannei

Konnten so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß gemeinsam die politische Grundlegung der Bundesrepublik Deutschland gestalten? Tatsächlich hätten sie verschiedener nicht sein können: Ausgeprägte Persönlichkeiten mit einem starken Selbstbewusstsein, gehörten sie anderen Generationen an, ihre familiäre und landsmannschaftliche Herkunft, ihre Lebenserfahrungen, ihr politischer Stil hatten kaum etwas gemeinsam. Eine grundlegende Erfahrung stimmte dennoch überein – wie bei allen zwischen den 1870er und 1930er Jahren geborenen Generationen – und wurde für beide prägend: Das Leben unter der nationalsozialistischen Diktatur, die sie entschieden ablehnten und deren Ideologie sie früh als Bedrohung jeglicher Humanität ansahen. Aus dieser Einschätzung entwickelte sich ihre Bekämpfung aller totalitären Diktaturen, nach 1945 insbesondere der kommunistischen.

Aber selbst diese schreckliche Schule ihres Lebens verlief bei Adenauer und Strauß denkbar verschieden: Der 1876 geborene Kölner Verwaltungsjurist Konrad Adenauer, Sohn eines Kanzleirats am Oberlandesgericht Köln, war schon während der Weimarer Republik eine politische Größe. Der führende Zentrumspolitiker, Kölner Oberbürgermeister, Präsident des Preußischen Staatsrats, hätte Reichskanzler werden können, wenn er gewollt hätte. Als Oberbürgermeister weigerte er sich am 17. Februar 1933, den neuen Reichskanzler Adolf Hitler bei dessen Besuch in Köln am Flughafen zu empfangen und an städtischen Gebäuden die Hakenkreuz-Fahne zu hissen. Wegen seiner mutigen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus wurde er politisch verfolgt und schon Mitte März 1933 vom NS-Regime amtsenthoben. Zeitweise versteckte sich Adenauer im Kloster Maria Laach, später wurde er einige Monate inhaftiert. Ab 1937 lebte er zurückgezogen mit weitem Blick hoch über dem Rhein in seinem Haus in Rhöndorf.

Auch der fast vierzig Jahre jüngere Strauß lehnte den Nationalsozialismus entschieden ab, war aber schon deshalb viel weniger durch dessen Terror gefährdet, weil er als noch Jugendlicher bei der Machtergreifung keine herausgehobene gesellschaftliche oder politische Stellung bekleidete wie Adenauer, den die Nationalsozialisten als Repräsentanten des Weimarer „Systems“ ansahen. Ein wesentlicher Erfahrungsunterschied beider lag außer der generationellen Differenz darin, dass Strauß während des ganzen Zweiten Weltkriegs als Soldat der Wehrmacht dienen musste: Die erzwungene militärische Erfahrung erwies sich für die politische Laufbahn von Strauß als wesentlich, während Adenauer  ein eingefleischter Zivilist war und blieb. 

Der 1915 in München als Sohn eines Metzgermeisters geborene Franz Josef Strauß bestand 1935 mit hervorragenden Noten sein Abitur am humanistischen Max-Gymnasium. Als Jahrgangsbester wurde er mit dem renommiertesten Stipendium Bayerns, desjenigen des 1860 gegründeten Maximilianeums, ausgezeichnet. Deshalb konnte er ein Studium beginnen, was seine Eltern nicht hätten finanzieren können. Nach dem Arbeitsdienst studierte Strauß von 1936 bis 1939 an der Ludwig- Maximilians-Universität München Klassische Sprachen, Geschichte, Staatswissenschaften und Germanistik. Er stand vor seinem Ersten Staatsexamen, als das nationalsozialistische Deutschland – in Absprache mit Stalin – den Zweiten Weltkrieg entfesselte. Strauß hatte bis dahin ausgesprochen zügig studiert, seine akademischen Lehrer zählten ihn zum „hoffnungsvollsten wissenschaftlichen Nachwuchs“ und beantragten für ihn während des Kriegs die Beurlaubung vom Kriegsdienst für eine Assistentenstelle, die er zur Fertigstellung seiner Dissertation nutzen sollte. Diese Freistellung wurde ihm zwar nicht gewährt, doch konnte er mit kürzeren Sonderurlauben 1940 und 1941 beide Staatsexamen absolvieren, worauf er 1943 zum Studienrat ernannt wurde. Seine fast abgeschlossene althistorische Dissertation verbrannte 1944 bei einem Bombenangriff. Der Krieg, dessen Ende er als Oberleutnant erlebte, prägte Strauß nachhaltig: „Ich kenne den Krieg, deshalb will ich den Frieden.“  

Politischer (Wieder-)Aufstieg nach Kriegsende

Franz Josef Strauß, 1956

Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß wurden nach dem Krieg 1945 von den Amerikanern in kommunale Ämter eingesetzt, der eine nach kurzer Kriegsgefangenschaft als Stellvertretender Landrat im oberbayerischen Schongau, der andere in sein früheres Amt als Kölner Oberbürgermeister. Konrad Adenauer hatte buchstäblich seine Kräfte während der zwölf Jahre des NS-Regimes für die Nachkriegszeit ‚aufgespart‘ bzw. war dazu gezwungen worden. Franz Josef Strauß, dem die durch Erfrierungen bedingte Versetzung kurz vor der Schlacht von Stalingrad 1943 vermutlich das Leben gerettet hatte, ging im wiedergewonnenen Zivilleben wie Adenauer mit kämpferischem Elan an das unsagbar schwere Werk des Wiederaufbaus der materiellen und moralischen Trümmerlandschaft.

Der politische Weg beider begann jeweils in ihrer engeren Heimat. Nachdem die NS-Diktatur die föderalen Mitwirkungsrechte der Länder bereits 1933 beseitigt hatte, stellten die Besatzungsmächte ihre Staatlichkeit seit 1945/46 wieder her und nahmen eine territoriale Neugliederung vor. Bundespolitik gab es erst seit 1949. Adenauer und Strauß waren unabhängig voneinander überzeugt, einen Rechtsstaat und eine wehrhafte stabile Demokratie mit neuen Parteien gestalten zu müssen. Deshalb setzten sich die beiden Katholiken für die Gründung überkonfessioneller christlich-demokratischer Parteien ein, nachdem in der Weimarer Republik die katholische Zentrumspartei und die von ihr abgespaltene Bayerische Volkspartei aufgrund ihrer konfessionellen Begrenzung nur verminderte politische und gesellschaftliche Wirkung hatten entfalten können. Adenauer, der bereits 1922 die politische Zusammenarbeit von Katholiken und Protestanten erwogen hatte, wurde 1946 wichtigster Mitbegründer und Vorsitzender der CDU in der Britischen Zone. Strauß unterstützte den analogen Kurs des ersten CSU-Vorsitzenden Josef Müller, der bald sein politischer Ziehvater wurde, und wurde Mitbegründer des CSU-Kreisverbandes Schongau, bevor er von 1948 bis 1953 als Generalsekretär der CSU arbeitete.

CDU und CSU sind die beiden Neugründungen des Parteiensystems, die die Politik der Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte hinweg nachhaltig prägten. Von Beginn an wurden sie als soziale, Schichten übergreifende Volksparteien konzipiert, die auf christlich-wertkonservativem Fundament zugleich liberale verfassungsrechtliche und rechtsstaatliche Prinzipien verbanden sowie immer stärker marktwirtschaftliche und sozialstaatliche Komponenten verbanden. Sie bildeten auf diese Weise auf die gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeiten ausgerichtete Integrationsparteien.

Die Wertorientierung Adenauers und Strauß‘ resultierte für beide nicht allein aus ihrem Glauben, sondern aus der Überzeugung, der „Abfall vom christlichen Sittengesetz“ sei eine wesentliche Ursache für die nationalsozialistische Barbarei gewesen (Strauß). Doch lehnte Strauß (wie Adenauer) jeden Klerikalismus ab und gehörte in der CSU zum entschieden modernen Flügel gegen den bayerisch-partikularistischen und klerikal-katholischen Flügel Alois Hundhammers. 

Karrieren in der Bundespolitik

Franz Josef Strauß 1952 als Bundestagsabgeordneter mit Post, die er als Teilnehmer einer im...

Den Weg in die Bundespolitik gingen beide Politiker mit gewissen Parallelen immer zielstrebiger: Konrad Adenauer wurde 1948/49 Präsident des Parlamentarischen Rates, der nach Vorarbeiten des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beriet und beschloss. Strauß wurde 1948/49 zum Mitglied des Wirtschaftsrats der Bi- bzw. Trizone gewählt – der ersten die Länder übergreifenden parlamentarisch legitimierten Versammlung nach 1945. Auf Betreiben des Wirtschaftsdirektors Ludwig Erhard und mit Unterstützung von Strauß schuf der Wirtschaftsrat die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft.

Wie Konrad Adenauer gelangte Franz Josef Strauß 1949 als Direktkandidat in den Bundestag und wurde stets wiedergewählt bis er 1978 auf sein Mandat verzichtete, um Bayerischer Ministerpräsident zu werden. Im Bundestag wurde der leidenschaftliche Parlamentarier Strauß schnell einer der wortmächtigsten (und witzigsten) Debattenredner und einflussreichster CSU-Abgeordneter, seit 1953 war er gleichzeitig zunächst Stellvertretender und seit 1961 CSU-Vorsitzender. Nach 1953 wurde er in verschiedenen Ressorts Bundesminister – für einen zu Beginn dieser Karriere erst 38Jährigen in der Riege altgedienter Politiker eine Ausnahme. Die Spitzenpolitiker seiner Generation in führenden bundespolitischen Ämtern (Willy Brandt, Helmut Schmidt, Walter Scheel, Richard von Weizsäcker) gelangten erst viele Jahre später in vergleichbare Positionen. Große Bedeutung während der Regierungszeit Adenauers erlangte Strauß schon als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, 1955/56 als Atomminister, vor allem aber von 1956 bis 1962 als Adenauers ungeliebter, aber unvermeidlicher Verteidigungsminister, später nochmals als Finanzminister der Großen Koalition in der Regierung Kiesinger 1966 bis 1969.  

Übereinstimmungen in der Außen- und Sicherheitspolitik

So unterschiedlich Adenauer und Strauß die Kriegsjahre erlebt hatten, fanden der Zivilist und der Soldat wider Willen verteidigungspolitisch doch schnell zusammen. Unter der ständigen Bedrohungslage des Kalten Krieges und dem Eindruck des nordkoreanisch-sowjetischen Angriffs auf Südkorea 1950 wollten sie in Deutschland eine analoge Konstellation gar nicht erst aufkommen lassen. Seit seiner Aufsehen erregenden großen Rede zur Verteidigungspolitik am 7. Februar 1952 im Deutschen Bundestag, in der er den an diesem Tag nicht überzeugungsstarken Adenauer aus der Bredouille holte, gehörte Strauß in die erste Reihe der Spitzenpolitiker und war der führende Verteidigungspolitiker.

Konrad Adenauer entschied sich für den Aufbau der Bundeswehr und Franz Josef Strauß teilte seine Diagnose und seine Zielrichtung, eine integrierte Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu schaffen. Als die EVG im August 1954 scheiterte, führte Adenauer die Bundesrepublik in die NATO – unter Verzicht auf ein eigenes Oberkommando: Souveränitätsverzicht als Mittel zur Erlangung der Souveränität! Strauß unterstützte von Beginn an Adenauer – Jahre, bevor er selbst Verteidigungsminister wurde, wozu ihn Adenauer 1956 zwar widerwillig, aber in Anerkennung seiner singulären Kompetenz für dieses Amt berief.

So unterschiedlich Adenauer und Strauß waren, gestalteten sie doch die frühe Bundesrepublik, vor allem die wertorientierte politische und militärische Westintegration, gemeinsam. Sie standen zwar in der Union nicht allein, waren aber doch die zentralen Protagonisten dieses Weges nach Westen, der von vorherigen deutschen Sonderwegen und Abwegen zur europäischen Integration führte. Vorkämpfer der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft waren sie schon in den 1950er, aber auch in den 1960er Jahren, als es auch innerhalb der Union zu Konflikten über die Strategie kam. „Karolinger“ nannte Franz Josef Strauß die Verfechter eines starken Westeuropas auf der Grundlage der deutsch-französischen Kooperation. Zugleich aber war beiden stets bewusst, dass der freie Teil Europas ohne den militärischen Schutzschirm der USA im Ernstfall keine Chance gegen die Sowjetunion haben würde. Insofern verkörperten „Gaullisten“ und „Atlantiker“ weder für Adenauer noch für Strauß einen plausiblen Gegensatz, sondern repräsentierten sich ergänzende Prinzipien bundesrepublikanischer Außenpolitik. 

Konflikte zwischen den Schwesterparteien

V.l.n.r.: Fritz Schäffer, Franz Josef Strauß und Carlo Schmid am 5.Februar 1953 in Bonn bei einem...

Stimmten Adenauer und Strauß sowohl im Grundsätzlichen als auch in der Zielsetzung überein, stellten sie die meisten politischen Weichen auch gemeinsam, so handelte es sich doch um ein kompliziertes, keineswegs spannungsfreies Verhältnis. Das lag an dem unterschiedlichen persönlichen und politischen Stil, besaß aber kaum minder strukturelle Gründe: Die Schwesterparteien CDU und CSU gründeten nicht zuletzt auf Betreiben von Strauß schon im ersten Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft, in der natürlich die CSU der kleinere, aber homogenere Partner war. Der Machtpolitiker Adenauer, der es ohnehin nicht liebte, sich von der Fraktion hereinreden zu lassen, behandelte die CSU etwas weniger rücksichtsvoll als die CDU, ja noch schlimmer für Strauß und den CSU-Finanzminister Fritz Schäffer: Der Bundeskanzler nahm auf die kleineren Koalitionspartner FDP und BHE mehr Rücksicht als auf die bayerische Schwesterpartei. Das brachte die CSU regelmäßig gegen den Kanzler auf, der nüchtern sah, dass er der CSU sicherer sein konnte als der anderen Koalitionsparteien. Darüber kam es häufig zum Streit zwischen den Schwesterparteien. Strauß war (bis Mitte der 1950er Jahre mit Schäffer) der Bonner Wortführer der CSU, als Vorsitzender seiner Partei war er seit 1961 formal dem CDU-Vorsitzenden Adenauer gleichgestellt. Schon deshalb bedeutete Krach zwischen den Unionsparteien zwangsläufig Ärger zwischen Strauß und Adenauer. Schon in den 1950er Jahren sinnierten CSU-Abgeordnete verschiedentlich über eine Aufhebung der Fraktionsgemeinschaft.  

Schließlich betrachtete Adenauer das überragende politische Talent von Strauß und seine hohe Fachkompetenz mit Misstrauen, witterte er dahinter doch einen ungezügelten Machtwillen, letztlich gar den Konkurrenten, zumal schon Ende der 1950er Jahre Strauß im In- und Ausland immer wieder als möglicher Nachfolger genannt wurde, zumindest nach einem Übergangskanzler Ludwig Erhard. Und so etwas schätzt kein Machtpolitiker, Adenauer schon gar nicht.

Enttäuschung: Die Spiegel-Affäre

Konrad Adenauer (l.) im Gespräch mit Franz-Josef Strauß im Palais Schaumburg (i.H.: Ludwig Erhard)...

In kritischen Situationen, insbesondere während der sogenannten Spiegel-Affäre, fühlte sich Franz Josef Strauß von Adenauer im Stich gelassen und täuschte sich damit nicht. Er schrieb Adenauer, der ihm volle Deckung zugesagt hatte und dies nun vergaß, einen geharnischten Brief, in dem er minutiös den ganzen Vorgang und Adenauers Mitwissen, Beteiligung und Aufforderungen an ihn, den Verteidigungsminister, rekonstruierte. Es schmerzte Strauß, dass der Kanzler stärker zur FDP als zu ihm hielt – ein Trauma, das bis in die letzten Lebensjahre von Strauß – also bis in die Ära Helmut Kohl – wirksam blieb. Als Adenauer dann auch noch beabsichtigte, ihn nicht einmal geschäftsführend als Verteidigungsminister im Amt zu belassen, da der Nachfolger Kai-Uwe von Hassel noch nicht zur Verfügung stand, explodierte Strauß förmlich, sodass Adenauer auf ihn zugehen musste. Wohl kein Unionspolitiker hat es je gewagt, so mit Adenauer zu reden. Doch am CSU-Vorsitzenden vorbei seinen innerparteilichen Gegner, den Freiherrn zu Guttenberg, mit geheimen Sondierungen ausgerechnet gegenüber Herbert Wehner zu betrauen, empfand Strauß – wiederum zu Recht ­ als Gipfel der Illoyalität. Er empfand es umso mehr, als Wehner ihn, Strauß, als Gefahr für die Demokratie diffamiert hatte. Und trotzdem: Als der erste Zorn verraucht war, reagierte Strauß konstruktiv. Er sah, dass Adenauer vermutlich die Kanzlerschaft verloren hätte, wenn er sich in der Spiegel-Affäre klar auf seine Seite gestellt hätte. Es ging nicht um die Wahrheit, weder die reine, die lautere noch die halbe, es ging um die Regierungskoalition, es ging um die Kanzlerschaft Adenauers. Zwar hat die Forschung inzwischen gezeigt, dass Strauß weder – wie lange behauptet worden ist und noch wird – den Bundestag belogen noch die Haftbefehle gegen Spiegel-Journalisten veranlasst hatte. Doch das interessierte in der damaligen aufgeheizten Atmosphäre ohnehin niemanden, zumal sich die gesamte Regierung einschließlich Adenauer und Strauß ziemlich ungeschickt verhielt. 

Die persönlichen Kränkungen änderten nichts daran, dass Strauß auch später die „Übergröße“ Adenauers gerühmt hat, insbesondere sein grundlegendes Werk, den maßgeblich durch ihn geprägten Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und die Integration in die Staatenwelt der westlichen Demokratien. Konrad Adenauer war nach Strauß’ Einschätzung „ein ungeheurer Realist“ mit „kaltem Blick“ auf die Wirklichkeit, ein Mann großer Treffsicherheit und „staatsmännischer Souveränität“. In seiner Abschiedsrede auf Konrad Adenauer würdigte Strauß in der von ihm geleiteten Fraktionssitzung am 15. Oktober 1963 noch einmal die große Lebensleistung Adenauers und sein Vermächtnis, das weiter zu entwickeln die Verpflichtung der kommenden Politikergeneration sei. Adenauer war „tief bewegt“ durch die Worte „unseres Freundes Strauß“. Und kein Zweifel, trotz mancher Reibereien mochten sich diese beiden Großen denn doch.   

 

Der Beitrag ist eine überarbeitete und erweiterte Fassung des Artikels: Unser Freund Strauss. Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß, in: Die Politische Meinung, Nr. 3, Juni 2015.

  • Strauß, Franz Josef: Die Erinnerungen, Berlin 1989 (postum).
  • Brügmann, Claus/Höpfinger, Renate: Ministerpräsident Franz Josef Strauß, in: "Das schönste Amt der Welt". Die Bayerischen Ministerpräsidenten von 1945 bis 1993, hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, München 1999, S. 147-170 (=Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen Nr. 13).
  • Finger, Stefan: Franz Josef Strauß - ein politisches Leben, München 2005.
  • Gelberg, Karl-Ulrich: Die Kabinette Strauß I, II, und III (1978-1988), in: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. IV/1, München 2003, S. 958-977.
  • Hanns-Seidel-Stiftung (Hrsg.): Franz Josef Strauß 1915-1988. Von der Leidenschaft, der res publica zu dienen, München 2008.
  • Höpfinger, Renate (Hrsg.): Bayerische Lebensbilder. Biografien - Erinnerungen - Zeugnisse, Bd. 2: Franz Josef Strauß - Ludwig Bölkow - Sepp Hort, München 2004.
  • Möller, Horst: Franz Josef Strauß. Herrscher und Rebell, München 2015.
  • Morsey, Rudolf: Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969, 4. überarb. u. erw. Aufl. München 2000.
  • Schwarz, Hans-Peter: Adenauer. Der Aufstieg: 1876-1952, Stuttgart 1986.
  • Ders.: Adenauer. Der Staatsmann: 1952-1967, Stuttgart 1991.  
  • Siebenmorgen, Peter: Strauß, Franz Josef, in: Winfried Becker, Günter Buchstab, Anselm Doering-Manteuffel, Rudolf Morsey, (Hrsg.): Lexikon der Christlichen Demokratie in Deutschland, Paderborn 2002, S. 377-379.
  • Stephan, Michael: Franz Josef Strauß, in: Katharina Weigand (Hrsg.): Große Gestalten der bayerischen Geschichte, München 2011, S. 503-533.
  • Umfassende Onlinedarstellung: www.fjs.de – Themenportal der Hanns-Seidel-Stiftung zu Leben und Werk von Franz Josef Strauß.

  • Adenauer, Konrad: Briefe 1945-1963, 9 Bde. (Rhöndorfer Ausgabe. Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus. Hrsg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz). Bearb. von Hans Peter Mensing, Berlin bzw. Paderborn 1983-2006.
  • Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag 1949-1966. Sitzungsprotokolle. 9 Bde., bearb. von Helge Heidemeyer, Corinna Franz u.a. Düsseldorf  1998-2004 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der Politischen Parteien. Im Auftrag der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus u. der Politischen Parteien hrsg. von Karl Dietrich Bracher, Rudolf Morsey u.a.)
  • Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1950-1965. Bearb. Von Günter Buchstab 4. Bde, Stuttgart bzw. Düsseldorf 1986-1998 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte. Hrsg. im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung von Günter Buchstab u.a).

Horst Möller